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Ruandas Verfassung und der Wille des Volkes

Theresa Krinninger5. August 2015

Präsident Paul Kagame ist beliebt, obwohl er Ruanda mit eiserner Hand regiert. Viele befürworten ein drittes Mandat und damit eine Verfassungsänderung per Referendum. Das will eine Oppositionspartei verhindern.

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Warteschlange bei Ruandas Parlamentswahl 2013 (Foto: T. Karumba/AFP/Getty Images)
Bild: Tony Karumba/AFP/Getty Images

"Niemand sollte Präsident auf Lebenszeit sein", sagte US-Präsident Obama Ende Juli vor Mitgliedern der Afrikanischen Union in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. "Wenn Präsidenten versuchen, die Spielregeln zu ändern, nur um im Amt zu bleiben, riskieren sie Instabilität und Unfrieden." Unterdessen debattieren Parlamentsmitglieder in Ruandas Hauptstadt Kigali über ein geplantes Referendum - und genauer, über die Änderung des Artikels 101 der ruandischen Verfassung, der die Amtszeit des Präsidenten Paul Kagame bisher auf zwei limitiert.

Diese Beschränkung soll nun weg. Das findet nicht nur eine deutliche Mehrheit von Ruandas Volksvertretern. In einer Kampagne für das Referendum trieben die Parlamentarier rund 3,7 Millionen Unterschriften ein. Eine Zahl, auf die sich auch Unterstützer über Kagames Ruandische Patriotische Front (RPF) hinaus berufen. Nkusi Juvenal von der Soziademokratischen Partei (PSD) etwa sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Nach drei Millionen Unterschriften sehe ich keinen anderen Weg. Das ist die wahre Demokratie."

Paul Kagame und Jakaya Kikwete 2012 in Uganda (Foto: P. Busomeke/AFP/Getty Images)
Fest im Sattel: Paul Kagame (links) mit Tansanias Präsident Jakaya KikweteBild: Peter Busomeke/AFP/Getty Images

Grüne Partei allein gegen Verfassungsänderung

Die einzige Partei, die sich gegen die Volksabstimmung wehrt, ist die Democratic Green Party of Rwanda (DGPR). Sie trat am 29. Juli für eine erste Anhörung ihrer Gegenpetition vor den Obersten Gerichtshof: Laut Artikel 193 sei eine Änderung der Dauer eines Mandats nur durch Volksabstimmung möglich. Eine Änderung der Zahl der Mandate eines Präsidenten sei hingegen gar nicht vorgesehen.

Die Grüne Partei hatte es bisher nicht leicht: 2013 misslang ihr der Einzug ins Parlament - nach einem Hindernislauf gegen die Mühlen von Kagames Bürokratie. Nun fühlt sie sich erneut ausgegrenzt. Der Parteivorsitzende Frank Habineza bedauerte in einer Stellungnahme, dass die Petition gegen das Referendum vor dem Gang zum Obersten Gerichtshof "einfach an der Rezeption des Parlaments liegen geblieben" sei. Hingegen sei in der nationalen Berichterstattung massiv für die Kagame-Unterstützer geworben worden. Paul Kagame selbst zeigte sich in der Öffentlichkeit bisher wenig interessiert an einer dritten Amtszeit. Er lasse sich aber durch ein positives Referendum überzeugen, weiter zu regieren, heißt es.

Frank Habineza, Vorsitzender der Democratic Green Party Rwanda (Foto: DW/A. LeTouzé)
David gegen Goliath: Frank HabinezaBild: DW/A. Le Touzé

Populär, aber nicht legal

Die 3,7 Millionen Unterschriften machen immerhin fast 30 Prozent der Bevölkerung Ruandas aus. "Die Petition spiegelt grundsätzlich schon die Meinung der Menschen wider, obwohl ich vermute, dass auch manche dazu gedrängt wurden", sagt Thierry Kevin Gatete vom Centre for Human Rights Rwanda. Man müsse bedenken, dass Paul Kagame besonders auf dem Land sehr beliebt sei. "Die Menschen dort wissen aber oft nicht, dass eine dritte Amtszeit verfassungswidrig ist. Also haben wir notwendigerweise den legalen Aspekt aufgegriffen", so Gatete. Er hat die Grüne Partei bei ihrer Petition rechtlich beraten.

Ob die Chancen der DGPR vor Gericht gut stehen, ist zu bezweifeln: "Ich denke, sie werden das Gericht nicht überzeugen können, das Referendum zu unterbinden", sagt Rechtsanwalt Gatete. Er war selbst bei der ersten Anhörung dabei - vorerst jedoch zum letzten Mal: "Das Gericht wies meinen Antrag ab, die DGPR bei den Anhörungen zu begleiten. Sie vermuteten, dass ich voreingenommen war", berichtet er der DW. Den Widrigkeiten zum Trotz fühlt sich der Ruander Gatete verpflichtet, die Oppositionspartei in ihrem Recht zu unterstützen: "Verfassungen sollte man nicht ändern, da habe ich meine Prinzipien. In Afrika habe ich noch nie erlebt, dass eine Änderung der Verfassung die Situation verbessert hat." Das Gegenteil sei meist der Fall gewesen.

Wahlveranstaltung der RPF in Kigali, Ruanda 2013 (Foto: T. Karumba/AFP/Getty Images)
Kagame und seine RPF haben viele Unterstützer - in der Stadt und auf dem LandBild: T.Karumba/AFP/GettyImages

Oberster Gerichtshof unter Druck

Dass das gesamte Parlament und sogar Mitglieder der Opposition einstimmig eine Verfassungsänderung und damit eine dritte Amtszeit des Präsidenten befürworteten, sei außergewöhnlich, sagt Yolande Bouka vom Institute for Security Studies in Nairobi. Auch sie bezweifelt, dass die Grüne Partei mit ihrer Petition erfolgreich sein wird: "Hinter der Kampagne für die Verfassungsänderung stehen Menschen mit gutem Draht zur Macht. Deshalb geht man davon aus, dass auch der Oberste Gerichtshof unter Druck steht."

Das Gericht wird voraussichtlich am 9. September ein erstes Urteil fällen. Sollte das Parlament grünes Licht für ein nationales Referendum bekommen, werden mehr als 3,7 Millionen Unterschriften nötig sein. Yolande Bouka rechnet aber nicht mit Protesten: "Dass die Menschen in Ruanda auf die Straßen gehen, ist sehr unwahrscheinlich. Erstens, weil der Sicherheitsapparat so gut strukturiert ist, und zweitens, weil er so effizient jeden Protest im Keim erstickt." In Ruanda gebe es zudem null Spielraum, die Regierung auf der politischen Ebene herauszufordern. Auch die Grüne Partei sei in der Vergangenheit schon massiv eingeschüchtert worden, sagt Bouka. Der Grünen-Politiker Andre Kagwa Rwisereka wurde im Präsidentschafts-Wahljahr 2010 ermordet.

Der große Test

Allerdings könne man Ruanda nicht mit dem benachbarten Burundi vergleichen, sagt Thierry Gatete. In Burundi herrschen kriegerische Zustände, weil die Opposition die dritte Amtszeit des Präsidenten Pierre Nkurunziza nicht akzeptieren will. Kritiker werfen Nkurunziza vor, gegen die Verfassung und das Arusha-Abkommen von 2005 zu verstoßen. Paul Kagame wurde 1994 Vizepräsident und Verteidigungsminister und bekleidet seit 2000 Ruandas höchstes Amt.

"Die beiden Länder haben komplett verschiedene Entwicklungen hinter sich. Der burundische Präsident ist unbeliebt, Paul Kagame ist dagegen verständlicherweise sehr beliebt", sagt Gatete. Dem Menschenrechtler geht es aber ums Prinzip: "Es geht gut, solange der Präsident das Land gut regiert. Aber was passiert, wenn ein schlechter Präsident an die Macht kommt? Den wird man nicht mehr los. Deshalb bin ich gegen Verfassungsänderungen."

Motorradtaxis in Kigali, Ruanda 2015 (Foto: DW/J. Johannsen)
Wirtschaftlich geht es in Ruanda bergaufBild: DWJ. Johannsen

Der Sicherheitsexpertin Bouka zufolge steht Ruanda vor dem großen Test: "Die Menschen loben das Kagame-Regime für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Dieser Erfolg kann aber nur nachhaltig sein, wenn die Macht friedlich übergeben wird - sei es an eine andere Partei oder an einen anderen Politiker der Regierungspartei RPF". Solange das nicht bewiesen werde, müsse man sich auch Sorgen um die die langfristige Stabilität des Landes machen. Sie erinnert: "Nach dem Genozid 1994 hat es Jahre gebraucht, ein modernes Ruanda aufzubauen. Aber es braucht nur wenige Monate, um alles wieder zu zerstören".