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Afrikas Präsidenten pokern um weitere Amtszeiten

Stefanie Duckstein7. Juli 2015

Begleitet von heftigen Protesten versucht Burundis Präsident, sich eine dritte Amtszeit zu sichern. Kein Einzelfall: In ganz Afrika verhindern Staatsmänner mit unlauteren Tricks ihren Abschied von der Macht.

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Burundi: Proteste gegen Präsident Nkurunziza Foto: Jennifer Huxta/AFP/Getty Images
Proteste in Burundis Hauptstadt BujumburaBild: Getty Images/AFP/J. Huxta

Wenn der französische Präsident François Hollande heute auf seinen kongolesischen Amtskollegen Denis Sassou-Nguesso trifft, steht auch ein in Afrika kontrovers diskutiertes Thema auf der Tagesordnung: die Verfassungsreform in der Republik Kongo. Der 72-jährige Sassou-Nguesso will sich damit eine erneute Amtszeit gestatten - nach 30 Jahren an der Macht.

Kein Einzelfall: Ob Niger, Kamerun, Uganda oder Tschad - die Liste der Präsidenten, die erfolgreich versucht haben, entweder durch Parlamentsentscheidungen oder durch Referenden ihre Amtszeit zu verlängern, ist lang. Hinzu kommen die Staatschefs, die bei dem Versuch gescheitert sind, etwa Burkina Fasos Präsident Blaise Compaoré im Jahr 2014. Inzwischen gebe es "mehr Fälle von Präsidenten, die versucht haben, die Verfassung zu ändern und ein weiteres Mal zu kandidieren, als Präsidenten, die gesagt haben, das Ende ihrer Amtszeit sei erreicht", sagt Claudia Simons, Wissenschaftlerin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, im DW-Interview.

Präsidenten gewinnen - fast immer

In Ruanda, der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo werden die Staatspräsidenten in den kommenden zwei Jahren ihre letzte verfassungsgemäße Amtszeit beenden. Eigentlich sollten sie danach aus dem Amt scheiden. "Indes deutet vieles darauf hin, dass Paul Kagame, Denis Sassou-Nguesso und Joseph Kabila versuchen werden, mit Hilfe von Verfassungsänderungen oder anderen Mitteln an der Macht zu bleiben", schreiben Claudia Simons und Dennis Tull in ihrer Studie "Grenzen der Macht?".

Der französische Präsident Francois Hollande und sein kongolesischer Amtskollegen Denis Sassou-Nguesso Foto: EPA/ETIENNE LAURENT
Der französische Präsident François Hollande und sein kongolesischer Amtskollege Denis Sassou-NguessoBild: picture-alliance/dpa/E. Laurent

Eigentlich sind Wahlen in einer funktionierenden Demokratie der wichtigste Mechanismus, die Politik der Regierung auf den Prüfstand zu stellen und die Möglichkeit zu haben, selbige auch abzuwählen. In den Ländern Subsahara-Afrikas stellten sich 85 Prozent der Präsidenten zur Wiederwahl. "Sie gewinnen diese Wahlen auch", so Simons. Nicht unbedingt, weil ihre Politik überzeugt, sondern weil ihr Vorsprung gegenüber ihren Kontrahenten so enorm sei: Viele Regierungen würden ihren Zugang zu staatlichen Ressourcen nutzen, um massiv Wahlkampf zu betreiben, die Medien für ihre Zwecke nutzen oder die Möglichkeiten der Opposition und Zivilgesellschaft massiv einschränken. So könnten sie schließlich "Wahlen auch manipulieren", so Simons.

Selbst in multilateralen Kreisen wird die Aufhebung der Amtszeitbegrenzung inzwischen diskutiert. Unlängst machte bei einem Gipfeltreffen der westafrikanischen Staatschefs Ghanas Präsident John Dramani Mahama den Vorschlag, die Amtszeit westafrikanischer Staatsmänner sollte nicht auf maximal zwei Amtszeiten begrenzt bleiben. Der Vorschlag scheiterte. Togo und Gambia hatten den Vorstoß blockiert. Erstaunlich daran ist: Togos Präsident Faure Gnassingbe sicherte sich erst kürzlich eine dritte Amtszeit. In Gambia regiert Yahya Jammeh seit 21 Jahren.

Die "Third-Term Poser"

Afrikanische Gazetten verhöhnen die Langzeitpräsidenten bereits mit dem Schlagwort "Third-Term Poser": Dritte-Amtszeit-Angeber. "In den vergangenen 20 Jahren haben wir alles Mögliche getan, um demokratische Strukturen aufzubauen. Was auf dem Weg vergessen wurde, ist, eine Kultur der Verfassungstreue zu pflegen", sagt der tansanische Politologe Mwesiga Baregu. "Die Verfassung zu respektieren ist der einzige Mechanismus, Verlässlichkeit herzustellen und den Menschen Sicherheit zu geben, dass es regelmäßig Wahlen und auch Wechsel in der Führungsriege gibt."

Ruandas Präsident Paul Kagame bei den Parlamentswahlen 2013 Foto: REUTERS/Jenny Clover
Ruandas Präsident Paul Kagame, hier bei den Parlamentswahlen 2013, will sich ebenfalls eine dritte Amtszeit sichernBild: Reuters

Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Rückzug der westlichen Mächte aus Afrika gab es in den 1990er Jahren eine Demokratisierungswelle. In vielen Verfassungen ist seitdem eine Beschränkung der Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten vorgesehen. Doch die ursprünglichen Demokraten versuchen nun, ihre selbst geschaffenen, rechtskräftigen Mittel zu umgehen. "Sie haben so viele Mechanismen, so viel Entschuldigungen. Eine der bekanntesten ist, zu sagen: Die Menschen verlangen von mir eine Fortführung meiner Präsidentschaft", erläutert Baregu.

Über Tricks in die Dauerpräsidentschaft

Dabei bedienen sich die Präsidenten augenscheinlich formal-institutioneller Mittel. Zum Beispiel der Fall Burundi: Präsident Pierre Nkurunziza hatte das burundische Verfassungsgericht darüber entscheiden lassen, ob seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit rechtens sei. Die Verfassung sieht für den Präsidenten höchstens zwei Amtsperioden von fünf Jahren vor. Nach Auffassung des Regierungslagers ist diese Vorschrift nicht auf Nkurunziza anwendbar, da er 2005 nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewählt worden sei. Das Verfassungsgericht entschied zu seinen Gunsten. Es sei ein enormer Druck auf die Richter ausgeübt worden, sagt der Tansanier Baregu. "Ein Richter hat sein Amt niederlegen müssen. Ich halte das für keine freie und objektive Entscheidung des Gerichts."

Burkina Faso Jubel nach dem Rücktritt des Präsidenten Compaore Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images
In Burkina Faso führten wochenlange Proteste gegen eine dritte Amtszeit zum Rücktritt von Präsident CompaoréBild: AFP/Getty Images/I. Sanogo

Und wie reagiert das Volk? In Burkina Faso bezahlte der seit 27 Jahren regierende Präsident Blaise Compaoré seinen Versuch, sich weitere Jahre an der Macht zu sichern, mit seinem Sturz. Zivilgesellschaft und Opposition hatten eine öffentliche Debatte und lautstarke Proteste organisiert. Auch Nkurunzizas Vorstoß wurde von massiven Protesten begleitet. Baregu hält den Widerstand für ein sehr positives Signal. "Die Menschen glauben immer mehr an eine politische Kultur, die von den Bürgern ausgeht. " Bisher habe ein fortdauerndes Problem in Afrika darin bestanden, dass die Menschen mehr an Individuen glauben und sich ihnen unterwarfen. Jetzt "verlangen die Menschen den Politikern etwas ab. Sie fordern ihre Rechte und Aufmerksamkeit ein."