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Polen und Russland im Clinch

Roman Imielski / Jan D. Walter8. Februar 2015

Polen und Russland haben sich erneut ein diplomatisches Scharmützel geliefert: Es geht um Geld und Immobilien. Die eigentlichen Gründe reichen weit zurück in die Geschichte. Ein Ende des Streits scheint nicht in Sicht.

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Flaggen von Russland Polen vor dunklen Wolken - Foto: Uwe Zucchi (dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Ein Team des russischen Fernsehsenders TV Kanal 5 soll Grzegorz Schetyna auf den Fersen sein. Der mutmaßliche Auftrag: Die russischen Reporter sollen den polnischen Außenminister in die Nähe einer Korruptionsaffäre der Regierungspartei Bürgerplattform rücken. Den Fall hat es tatsächlich gegeben, und Parteifreunde von Schetyna waren nachweislich darin verstrickt. Der Außenminister selbst allerdings nicht. Bisher hat man ihm noch nicht einmal Verbindungen zu der Affäre unterstellt.

Und bisher hat das russische Fernsehen auch noch keine solche Reportage ausgestrahlt. Doch wenn es "die Russen" wirklich so schlecht mit Schetyna meinen, wie dieser selbst glaubt, dürfte das nur eine Frage der Zeit sein: "Russland wird von Emotionen beherrscht", sagte der Außenminister am Freitag einer polnischen Zeitung. Die russische Propaganda sei zurück in den 1950er und 60er Jahren: "Es muss klargemacht werden, dass die Russen solch eine Propaganda auch ohne spezifische Gründe fahren werden."

Den russischen Zorn geweckt

Allerdings gibt es tatsächlich einen aktuellen Anlass für Russland Grzegorz Schetyna hart anzugehen. Den Grund dafür hat der polnische Chefdiplomat selbst geliefert. Im Vorfeld zur 70-Jahr-Feier der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau behauptete Schetyna , es seien Ukrainer gewesen, die das KZ befreit hätten. Doch diese Lesart der Geschichte teilen wohl die wenigsten Historiker: Zwar war es tatsächlich die sogenannte "Erste Ukrainische Front" der Roten Armee, die am 27. Januar 1945 das Vernichtungslager eroberte. Die weitaus meisten der Soldaten dieses Regiments waren allerdings Russen.

Grigori Karasin, stellvertretender russischer Außenminister - Foto: Itar-Tass
Russlands Vize-Außenminister Karasin: "Ungeschickter Versuch"Bild: imago/Itar-Tass

Für Russlands stellvertretenden Außenminister Grigori Karasin sind Schetynas Worte nichts als ein weiterer "ungeschickter Versuch, den Ausgang des Zweiten Weltkriegs und Russlands Rolle als Sieger infrage zu stellen".

Halbherzige Beschwichtigungen

Schetynas Verteidigung, er habe nur bemerken wollen, dass es nicht ausschließlich Russen gewesen seien, die in der Roten Armee gedient hätten, kam zu spät und fand ungleich weniger Gehör als sein geschichtlicher Fauxpas, der dem Minister sogar im eigenen Land öffentliche Kritik einbrachte.

Keine fünf Monate nach Amtsantritt ist Polens Außenminister damit bei russischen Politikern schon unten durch. Da half es auch nicht, dass Polens Staatspräsident Bronislaw Komorowski seinem Chefdiplomaten vor Kurzem zur Seite sprang: Der kriegsentscheidende Beitrag der russischen Armee zum Sieg über das Nazi-Regime, stellte er klar, stehe selbstverständlich außer Frage.

Bronislaw Komorowski in Auschwitz-Birkenau - Foto: Laszlo Balogh (Reuters)
Polens Staatspräsident Komorowski: "Russlands Beitrag steht außer Frage, aber ..."Bild: Reuters/Laszlo Balogh

Ob Präsident Komorowski überhaupt ernsthaft beabsichtigte, die Wogen zu glätten, bleibt allerdings fraglich. Denn dann hätte er sich wohl den Hinweis verkniffen, dass einige Historiker, zumal amerikanische, doch eher dem Kriegseintritt der USA die entscheidende Rolle für den Kriegsausgang zuschreiben. Und auch seine folgende Bemerkung war wohl nicht beschwichtigend gemeint: Der russischen Sieg sei für Polen und viele andere Nationen keine Befreiung gewesen, sondern habe knapp 50 Jahre Fremdherrschaft über sie gebracht.

Komorowski lieferte auch gleich den nächsten Anlass, die Regierung in Moskau zu verärgern: Kaum war die Gedenkfeier in Auschwitz-Birkenau - ohne Russlands Präsidenten Wladimir Putin - zu Ende gegangen, dachte Komorowski auch schon öffentlich über den Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai nach. Statt in Moskau den "Tag des Sieges" - wegen des Zeitunterschieds am 9. Mai - zu begehen, schlug er vor, den Gedenktag mit hochrangigen Politikern aus aller Welt in Danzig in Polen zu feiern.

Ungewollte Einigkeit

Die russische Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die Verlegung der Gedenkfeier zum Weltkriegsende nach Polen, würde EU-Politikern sicher eine gute Entschuldigung liefern, nicht nach Moskau zu kommen, ließ der Chef der russischer Präsidialverwaltung Sergej Iwanow verlauten. Der Vorschlag könne nur ein Aufruf sein, die russische Feier am 9. Mai zu boykottieren: "Ein Gedenken an das Kriegsende an dem Ort, an dem der Krieg begann - das macht wenig Sinn", räsonierte Iwanow.

Polens Außenminister Grzegorz Schetyna - Foto: Tobias Hase (dpa)
Polens Außenminister Schetyna: "Russland wird von Emotionen beherrscht"Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Ein Gedanke, den Polens in russische Ungnade gefallener Außenminister nachvollziehen kann: "Es ist nicht natürlich, die Feier zum Ende des Krieges dort auszurichten, wo er begonnen hat", sagte auch Schetyna, meinte aber wohl nicht wie Iwanow Danzig, wo die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs fielen, sondern Moskau, wo der Nicht-Angriffspakt geschlossen wurde, mit dem Stalin und Hitler sich vor Ausbruch des Krieges gegenseitig die Eroberung polnischer Gebiete "erlaubten". Natürlicher sei es besser, so Schetyna, den Tag in Berlin oder London zu begehen.

Gegenseitige Propaganda-Vorwürfe

Was man von solchen Tönen bei der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti hält, verdeutlichte die mit einer Karikatur: Schetyna als Hund an einer Leine im Stars-and-Stripes-Muster. Die Beteuerung von Polens Präsident Komorowskis, sein Vorschlag in Danzig das Weltkriegsende zu feiern ziele selbstverständlich nicht auf den Boykott der russischen Militärfeier ab, verhallte in Russland weitgehend ungehört - zumal Außenminister Schetyna die Idee am Dienstag wieder aufwärmte.

Und schon gibt es weiteren russisch-polnischen Streit: Ob Zufall oder nicht - Ausgerechnet am Tag der letzten umstrittenen Schetyna-Äußerung entschied ein Sankt Petersburger Schiedsgericht einen drei Jahre andauernden Streitfall zwischen dem polnischen Konsulat und der Immobilienfirma Inpredservice: Das Konsulat müsse sein aktuelles Gebäude räumen und rückwirkend rund eine Million Euro Miete zahlen, die über die letzten zwanzig Jahre aufgelaufen seien. Der Streit war entbrannt, nachdem der Eigentümer begonnen hatte, eine aus polnischer Sicht absurd hohe Miete zu verlangen.

Doch Polen parierte das Petersburger Urteil postwendend mit eigenen Ansprüchen: Ebenfalls am Dienstag forderten die Städte Warschau und Danzig Russland auf, rund zwei Millionen Euro Miete für fünf Gebäude zu zahlen. Russland nutze die Immobilien seit 2012 ohne gültigen Vertrag - so die Begründung.

Mit weiteren diplomatischen Scharmützeln zwischen Polen und Russland ist zu rechnen.