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Nato beunruhigt über Russlands Syrieneinsatz

Barbara Wesel7. Oktober 2015

Die Luftangriffe machen das Bündnis nervös. Besprochen werden soll beim Treffen der Verteidigungsminister auch eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes - den Fall von Kundus an die Taliban sehen viele als Warnsignal.

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Russische Militärangehörige befestigen eine Bombe an einem Kampfflugzeug
Russische Militärangehörige befestigen eine Bombe an einem KampfflugzeugBild: picture-alliance/AP Photo/A. Kots

Die Lage in Afghanistan und Russlands Einsatz in Syrien, das sind die großen Themen beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Vor der Zusammenkunft schlägt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schon einmal einen scharfen Ton an und kritisiert das mehrfache Eindringen russischer Kampfflieger in den türkischen Luftraum scharf: Er "betrachte das nicht als einen Unfall", sondern als einen ernsthaften Übergriff.

Vor allem das Nato-Mitglied Türkei macht Druck: Der russische Botschafter in Ankara wurde bereits drei Mal einbestellt, schon Anfang der Woche trafen sich die Nato-Botschafter zu einer Krisensitzung. Russland müsse solche Vorfälle verhindern, heißt es. Die Situation in der Region ist explosiv: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sind westliche Kampfjets mit ihren Verbündeten sowie die Flieger einer gegnerischen Allianz mit Russland im gleichen Luftraum im Einsatz.

Nachdem am Mittwoch in Syrien eine von russischen Kräften unterstützte Bodenoffensive begonnen hat, sind die Fronten klar: "Russland kämpft nicht gegen den IS", beklagt Stoltenberg, "sondern nimmt Oppositionsgruppen und Zivilisten zum Ziel". Putin setze sich in Syrien jetzt machtpolitisch als Akteur in Szene, heißt es von deutscher Seite.

Ein russischer Militärhubschrauber in Syrien - Teil des "beeindruckenden Aufmarschs", den ein US-Diplomat konstatiert
Teil des "beeindruckenden Aufmarschs": ein russischer Militärhubschrauber in SyrienBild: Reuters/Rurtr

"Beeindruckender russischer Militäraufmarsch"

Die Nato fordert die russische Regierung auf, Verhandlungen zu beginnen und eine politische Lösung zu suchen. Stattdessen aber musste das Bündnis, wie der US-Nato-Botschafter Douglas Lute einräumt, innerhalb weniger Tage einen "beeindruckenden russischen Militäraufmarsch" in Syrien beobachten: Modernste Artillerie, Boden-Luft-Raketen, Kampfjets und -Hubschrauber, Kriegsschiffe und etwa 500 Mann Bodentruppen.

"Die gegenwärtige Haltung Russlands ist nicht hilfreich", sagt der US-Vertreter. "Sie verkompliziert die militärische, politische und humanitäre Lage in Syrien." Zudem sei das Risiko groß, dass es zu Zwischenfällen mit Einheiten der westlichen Allianz kommt. Allerdings seien Politiker und Militärs der Nato mit Moskau im Gespräch. Von dort waren Angebote gekommen, man solle sich doch bei Lufteinsätzen in Syrien absprechen, um Vorfälle und Konfrontationen zu vermeiden.

In Syrien stünden sich inzwischen zwei Allianzen mit entgegengesetzten Interessen gegenüber, sagt der US-Botschafter: Auf der einen Seite die USA, arabische Staaten und Nato-Mitglieder - auf der anderen Seite die Assad-Regierung, der Iran, die Hisbollah-Miliz und Russland. Putin werde es aber nicht gelingen, militärisch eine dauerhafte Lösung zu erzwingen.

Kämpfer der afghanischen Regierungstruppen in Kundus
Kämpfer der afghanischen Regierungstruppen in KundusBild: Getty Images/AFP/Stringer

Abzug aus Afghanistan verschieben?

Zweites großes Thema beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister: Die Lage in Afghanistan. Die zwischenzeitliche Wiedereroberung von Kundus durch die Taliban hat der Afghanistan-Debatte in der Nato eine neue Richtung gegeben: Die Abzugspläne der USA und der vor Ort verbliebenen Verbündeten werden nun in Frage gestellt.

Einige der Verbündeten werden nun wohl US-Verteidigungsminister Carter drängen, seine Truppen länger im Land zu lassen - und so den Verbleib auch der übrigen Bündnis-Soldaten zu ermöglichen. Von deutscher Seite heißt es: Deutschland sei bereit, den Einsatz von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan erneut zu verlängern - wenn auch die Partner im Norden und die Amerikaner im Land bleiben. Man warte jetzt auf eine Entscheidung im Weißen Haus. Dabei geht es um eine Verlängerung des laufenden Mandates, nicht um eine Rückkehr zu Kampfeinsätzen.

Hoffnungsschimmer in der Ukraine

Auch über die Lage in der Ukraine will das Militär-Bündnis sprechen. Putin will nicht zwei militärische Konflikte gleichzeitig ausfechten. Deshalb kann Nato-Generalsekretär Stoltenberg auch feststellen, die Lage in der Ukraine sei zwar nach wie vor fragil, aber: "Der Waffenstillstand hält".

Stoltenberg sagt, er hoffe auf eine positive Entwicklung, so dass auch der Abzug schwerer Waffen weiter vorangetrieben werde. Das größte Problem sei dabei nach wie vor, dass die internationalen OSZE-Beobachter keinen ungehinderten Zugang zu umkämpften Gebieten in der Ostukraine bekämen. So sei nur schwer zu kontrollieren, ob die Konfliktparteien sich an all das halten, was sie im Abkommen "Minsk II" vereinbart haben.

Gefechts-Waffen in der Ostukraine - die Nato hofft auf eine positive Entwicklung in dem umkämpften Gebiet
Gefechts-Waffen in der Ostukraine - die Nato hofft auf eine positive Entwicklung in dem umkämpften GebietBild: picture-alliance/dpa/V. Svistunova

Der Umbau der Nato läuft unterdessen weiter - die militärische Neuorientierung ist eine Reaktion auf Russlands Annexion der Krim und auf den russischen Militäreinsatz in der Ukraine. Die Nato-Verteidigungsminister sollen bei ihrem Treffen der Einrichtung zweier weiterer regionaler Hauptquartiere in Osteuropa zustimmen. Aus den dann insgesamt acht Planungs- und Koordinationszentren soll künftig die aufgestockte schnelle Eingreiftruppe der Nato gesteuert werden. Und auch auf die Syrien-Krise will die Nato auf vergleichbare Weise reagieren: Sie will Truppen an den südöstlichen Rand des Bündnisses verlagern.