Rechte für Migranten
2. Juli 2009Seit acht Jahren versammeln sich an jedem 1. Mai vor dem Firmenzentrum von "American Apparel"- Fabrikgebäude in Downtown Los Angeles mehrere hundert Arbeiter. Sie tragen bunte T-Shirts und Protest-Schilder mit der Aufschrift "Legalize LA"- "Legalisiert Los Angeles!". Es ist das Motto der Immigrationsbewegung, die Firmengründer Dov Charney startete.
Für die Demonstration gibt der Unternehmer seinen Mitarbeitern einen freien Tag. Er zahlt seinen Hilfsarbeitern mehr als den Mindestlohn und den Näherinnen im Durchschnitt 18 Dollar die Stunde. Alle bei ihm Beschäftigten bekommen für sich und ihre Familien Krankenversicherungen zu erschwinglichen Preisen. Aus seiner Sicht ist das Einwanderungssystem der Vereinigten Staaten nicht, was es sein sollte oder sein könnte. Er verspricht sich von einer Reform Vorteile für die USA: "Es wird sehr gut für Amerika sein, wenn wir ein besseres System einführen, neue Arbeiter und Künstler hierher bringen können, damit sie, ihr Wissen, ihr Können und ihre Kreativität Teil dieses dynamischen Landes werden können", sagt Charney.
Schwieriger Alltag
Pedro Luchas ist in der Firma für die Qualitätskontrolle der Stoffe zuständig. Der in Mexiko geborene Vater von drei Kindern hat eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Doch viele seiner Freunde und Verwandten leben illegal in den USA und haben Angst davor, abgeschoben zu werden. Einer seiner Freunde ist vor ein paar Wochen verschwunden. "Er hat zwei Kinder, drei und vier Jahre alt. Sie wissen im Moment nicht, wo er ist. Es gab eine Razzia an seinem Arbeitsplatz", erzählt der Stoffexperte. Er fordert Papiere für die Einwanderer. "Wir sind keine Terroristen. Wir sind zum Arbeiten hierher gekommen."
Seiner Kollegin Olga Garcia steigen Tränen in die Augen, als sie beginnt, ihre Geschichte zu erzählen: Die Näherin ist aus El Salvador, ihr Mann aus Guatemala. Beide haben vor mehr als zehn Jahren illegal die Grenze in die USA überquert und sind seither nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt. Olgas Mann möchte zu seiner kranken Mutter nach Guatemala. Aber er kann sie nicht besuchen. "Er hat Angst", berichtet die Näherin schluchzend. "Wenn er geht, kann er nicht mehr zurück kommen. Es macht mich sehr traurig zu sehen, dass er nicht hinfahren kann."
Gefälschte Dokumente sichern Arbeitsplätze
Im Firmenzentrum von American Apparel in Los Angeles sind mehr als 60 Prozent der Mitarbeiter lateinamerikanischer Herkunft. Beim Bewerbungsgespräch müssen sie ihre Einwanderungsdokumente zeigen. Diese werden über ein nationales elektronisches System überprüft. Jeder in Los Angeles weiß, wo es für knapp dreihundert Dollar gut gefälschte Papiere gibt, die den Computertest überstehen. Firmenchef Dov Charney sieht es nicht als seine Aufgabe an, den Immigrationsbehörden beim Aufspüren illegaler Einwanderer zu helfen. Er bezeichnet das bestehende System als unehrlich und unfair, weil es die Einwanderer in den Untergrund drängt. "Fakt ist, dass Einwanderer zu unserer kulturellen und wirtschaftlichen Vielfalt beitragen. Wir müssen sie integrieren", fordert er.
Im vergangenen Jahr haben die US-Zoll- und Einwanderungsbehörden ihre Razzien gegen illegale Einwanderer verschärft. Sie nahmen mehrere tausend Arbeiter in Fabriken, auf Feldern und auf der Straße fest. Wer keine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung vorweisen kann, wird zunächst in ein Gefängnis gebracht und dann in sein Heimatland abgeschoben. Präsident Barack Obama hat versprochen, die Trennung von Familien durch Abschiebungen zu stoppen und eine menschliche Reform des nicht funktionierenden Immigrationssystems zu schaffen. American Apparel-Chef Charney ist zuversichtlich wie nie zuvor, dass der Weg zur Staatsbürgerschaft für illegale Einwanderer frei gemacht wird. Er kündigt an, mit seinen Arbeitern weiter zu marschieren, bis dieses Ziel erreicht ist.
Autorin: Kerstin Zilm
Redaktion: Ina Rottscheidt