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Leichter Wein mit schweren Folgen

Andreas Noll1. September 2008

Ein Winzer aus Heitersheim hat einen deutsch-französischen Wein gekeltert. Da dies ist in der Weinwelt nicht vorgesehen ist, muss er den Wein als minderwertigen Tafelwein etikettieren. Damit will er sich nicht abfinden.

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Weindorf
Ein grenzüberschreitender Wein beschäftigt einen StaatsanwaltBild: Andreas Noll

Wolfgang Zähringer ist Inhaber eines Weinguts in Heitersheim. Hier ganz im Südwesten Deutschlands machen die Menschen seit Jahrhunderten exzellente Weine. Wolfgang Zähringer hat unter den vielen Sorten einen ganz besonderen Lieblingswein. Dieser soll den Genießer durch ein reizvolles Zusammenspiel der Säure des Rieslings mit dem Körper des Grauburgunders fesseln.

Ein Wein, der vereint

Winzer mit Weinflasche
Wein aus deutschen und französischen TraubenBild: Andreas Noll

Mehr als 160 Jahren nach der Gründung des Weinguts hat der Ur-Urenkel des Gründers ein Experiment gewagt, das jetzt republikweit Schlagzeilen macht und die Staatsanwaltschaft Freiburg beschäftigt. Gemeinsam mit einem befreundeten Winzer aus Blienschwiller im Elsass hat Zähringer einen deutsch-französischen Wein gekeltert.


Der Winzer erzählt, dass der Kontakt mit französischen Weinbauern etwas ganz normales sei. „Wir sind oft mit Franzosen zusammen. Einmal gab es Hirsch und wir haben gestritten, ob wir einen französischen oder deutschen Wein dazu trinken.“ Dabei hätten die Deutschen den Badener und die Franzosen den Elsässer bevorzugt. Da die Winzer zu keiner Einigung kommen konnten, hätten sie beschlossen, gemeinsam einen Wein zu keltern.

Hochprozentiges Symbol der Einheit

Wanderer auf einer Wiese
Bild: Andreas Noll

Aus der Weinlese in den deutschen und französischen Weinbergen im vergangenen Jahr machten die beiden Winzer ein deutsch-französisches Fest. Jeweils zur Hälfte befüllten sie ihre Weinfässer mit Trauben aus Deutschland und Frankreich und ließen den Wein über Monate reifen. Auf einem Schiff mitten auf dem Rhein füllten die Winzer im Juli schließlich den ersten deutsch-französischen Wein in Flaschen, genau auf der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich.

Ein schönes Symbol, findet Zähringers Partner Francois Meyer. Mit viel Überzeugungsarbeit hat er die Behörden in Frankreich überredet, dem Experiment zuzustimmen. Er habe sich mit Zähringer in einem Bereich engagiert, der rechtlich absolut nicht geregelt sei, dieser Wein sei sozusagen ein Präzendensfall, so Meyer. Die Behörden hätten also ganz einfach nein sagen können und sie seien auch sehr vorsichtig gewesen. „Aber weil wir das nur einmal gemacht haben, haben sie die Ausnahme genehmigt“, erzählt der französische Weinkenner.

Ein Fremdkörper in der Weinwelt

zwei Weinflaschen und ein Weinglas
Grenzüberschreitender Wein muss als minderwertiger Tafelwein gekennzeichnet werdenBild: Andreas Noll

Grenzübergreifende Weine sind in der Weinwelt nicht vorgesehen, obwohl das Ergebnis auch den Präsidenten der französischen Sommelier-Union überzeugte. Vor wenigen Wochen hat Serge Dubs den deutsch-französischen Wein verkostet und war begeistert, wie Wolfgang Zähringer stolz berichtet.


Für den deutschen Winzer ist sein Wein ein Volltreffer. Der Grauburgunder sei eigentlich ein sehr körperreicher und schwerer Wein und der Riesling eher ein leichter filigraner Wein. Was der Riesling nicht hat, hat der Grauburgunder. Und was der Grauburgunder nicht hat, hat der Riesling.

Minderwertiges Etikett für einen großen Wein

Wanderer auf einer Wiese
Bild: Andreas Noll

Trotzdem kann sich Wolfgang Zähringer über seinen Qualitätswein nicht so recht freuen. Überflüssige Vorschriften hindern den Pionier daran, der „Welt da draußen“ mitzuteilen, wie gut sein Wein wirklich ist. Grenzübergreifende Weine dürfen in Europa nur als minderwertige Tafelweine etikettiert werden, ohne Herkunftsort und Rebsorten. Noch nicht einmal der Jahrgang darf auf die Flasche.

Das ist für Zähringer auch aus der Sicht des Verbrauchers völlig unverständlich, denn der wolle doch wissen, wie alt der Wein ist. „Ist der 20 Jahre und aus Hintertupfingen, aus Rumänien oder Polen, ein Billigwein oder ist es hochwertige Qualität“. Und weil auch der Badener gallische Gene in sich trägt, ließ Zähringer eine Flasche entgegen den Vorschriften mit Jahrgang und Rebsorten beschriften. Genau diese Flasche liegt jetzt bei Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier, der noch nicht entschieden hat, ob Anklage gegen den Winzer erhoben wird.

Dreiländerwein aus dem Europa-Labor

Weindorf mit Kirche
Trotz Schengen gibt es noch Grenzen in der EUBild: Andreas Noll

Zähringer selbst ist diese Reaktion völlig unverständlich. Er würde die Vorschrift am liebsten abschaffen. Doch dafür bräuchte der Winzer wohl einen langen Atem, glaubt Europa-Experte Felix Braun von Euro-Info Verbraucher in Kehl. Wichtig in solchen Fällen sei es, die Politik zu mobilisieren. Das habe gerade hier an der Grenze schon häufiger funktioniert, denn die Oberrhein-Region sei ein Versuchslabor für den europäischen Binnenmarkt.

Der Europa-Experte erinnert sich an ähnliche Fälle beispielsweise im Handwerkerbereich, wo es immer wieder faktische Grenzen gibt, die dann vom Gesetzgeber aufgegriffen werden, um Abhilfe zu schaffen. Wolfgang Zähringer hat keine Zeit, um auf die Politik zu warten. Er denkt schon an das nächste Experiment. Einen Dreiländerwein hat es auch noch nicht gegeben.