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Kritik am Egoismus der Reichen

3. Februar 2002

Nicht nur Globalisierungsgegner werfen den reichen Ländern eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. Auch innerhalb der Wirtschaftselite selbst regt sich Widerstand.

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Kreativer Protest in New YorkBild: AP

Führende Politiker und Wirtschaftsexperten haben am Wochenende scharfe Kritik an der Handelspolitik der westlichen Industrienationen geübt. Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Horst Köhler, warf Europa und den USA vor, ihre Volkswirtschaften durch Protektionismus abzuschotten."Die Gesellschaft in den reichen Ländern ist zu egoistisch, um Vorteile aufzugeben", sagte Köhler auf dem Weltwirtschaftsforum in New York. Gleichzeitig appellierte er an die Industriestaaten ihre Politik zu verändern: "Die Leute müssen aber einsehen, sie können nicht so weiter machen wie bisher."

Elefanten gegen Entwicklungsländer

Unter starkem Beifall der mehreren hundert Manager, Politiker und Wissenschaftler forderte Köhler, den Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu den Weltmärkten zu geben. Die internationalen Beziehungen könnten nicht so verlaufen, dass "die großen Elefanten, die USA und die EU, Absprachen treffen und die Entwicklungsländer das Nachsehen" haben.

Den Vereinigten Staaten warf er vor, die heimische Agrar- und Textilindustrie mit nicht mehr zeitgemäßen Subventionen und Zollbarrieren zu schützen. Damit werde es den armen Staaten verwehrt, sich an der Globalisierung des Handels zu beteiligen, sagte der IWF-Chef. Auch die Europäische Union müsse einsehen, dass sie sich einem Verzicht auf Agrarsubventionen nicht länger widersetzen könne. "Wenn wir es wirklich damit ernst meinen, dass die Globalisierung für alle nützlich ist, dann müssen die fortgeschrittenen Länder erkennen, dass sie nicht so weitermachen können wie bisher."

Westliche Importbeschränkungen

Der peruanische Präsident Alejandro Toledo beklagte, dass Amerikaner und Europäer von seiner Regierung ständig eine Öffnung des Marktes für Einfuhren verlangten - sich selbst aber gegen Importe aus Peru abschotteten. Der indische Finanzminister Yashwant Sinha kritisierte die Beschränkungen der USA und Europas gegen die Einfuhr von Stahl aus Indien.

Marshall-Plan für Afrika

Microsoft-Gründer Bill Gates und der Sänger der Rockgruppe U2, Bono, forderten die reichen Staaten zu verstärkter Hilfe für die Entwicklungsländer auf. Die drängendsten Probleme seien Bildung und Gesundheit, insbesondere die Ausbreitung von Aids, betonten beide. Für Afrika schlug Bono einen "Marshall-Plan" vor. Der afrikanische Kontinent befinde sich derzeit in einer ähnlich geschwächten Lage wie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, sagte er zur Begründung.

Bono bezeichnete Armut und Elend von Kindern in armen Ländern als einen "internationalen Skandal und eine moralische Schande". Gates warf den USA vor, zu wenig Entwicklungshilfe zu leisten. Dagegen verteidigte US-Finanzminister Paul O'Neill die Position der Vereinigten Staaten, die Entwicklungshilfe nicht deutlich zu erhöhen. Stattdessen sei es besser, die armen Länder bei der Verwendung bereits erhaltener Hilfe zu unterstützen.

Friedliche Proteste

Unterdessen verliefen Proteste von Globalisierungsgegnern vor dem Tagungsort Waldorf-Astoria mehrheitlich friedlich. Mehrere tausend Demonstranten kritisierten das Weltwirtschaftsforum als "Cocktail-Party für die Reichen". Die Polizei nahm 36 Personen fest. Am Freitag hatten Globalisierungsgegner zeitweise die Internet-Seite des WEF blockiert. (mik)