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Gegen Mindestalter beim Wahlrecht

Nalan Sipar15. Juli 2014

Kann eine immer älter werdende Gesellschaft ernsthaft die Interessen von jungen Menschen vertreten? Nein, meinen manche Jugendliche. Sie fordern das Wahlrecht mit 16 und wollen es jetzt auch einklagen.

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Felix Finkbeiner (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Uns geht es nicht darum, dass Kindergartenkinder zur Wahlurne krabbeln oder sowas", stellt Felix Finkbeiner (Foto) direkt klar. "Das Wahlalter soll erst mal herabgesetzt werden auf 16 oder 14. Und wenn da ein jüngeres, politisch aktives Kind wählen möchte, dann soll es die Chance haben", meint der 16-Jährige. Er engagiert sich seit mehreren Jahren für die Bildungs- und Klimapolitik. Themen, die seine Zukunft unmittelbar betreffen und bei denen er mitbestimmen möchte.

Felix Finkbeiner ist mit seiner Forderung nicht allein. Schon im November letzten Jahres haben er und seine Freunde eine Wahlbeschwerde zur Abschaffung des Mindestwahlalters beim Bundestag eingereicht. Unterstützt wurden sie von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG). Dieser Think Tank forscht zu den Themen Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Doch die Beschwerde wurde abgewiesen. An diesem Dienstag (15.07.2014) wollen die Jugendlichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen, damit sie vor ihrem 18. Lebensjahr noch wählen gehen können.

Vergleich amtliches Ergebnis mit dem Ergebnis der U18-Bundestagswahl 2013. Grafik: Deutsche Welle.
Was würden Kinder und Jugendliche wählen?

Jugendliche wollen Bewegung

Nach Meinung der Jugendlichen funktioniert die Politik zu langsam. Außerdem hätten Erwachsene und Jugendliche unterschiedliche Prioritäten, erklärt Felix den Schritt. "Das, was uns wichtig ist, wird in der Politik nicht vertreten. Ich interessiere mich für die Klimakrise und die Gerechtigkeit." Auch beim Thema Bildung hätten Kinder und Jugendliche eine ganz andere Meinung als Erwachsene, meint der 16-Jährige. "Kinder und Jugendliche denken langfristiger, weil wir viel länger auf der Erde leben und all die Probleme ausbaden müssen, die heute nicht gelöst werden."

Aber die Kritiker von Felix und seinen Freunden weisen auf die Rechtslage hin. "Wir haben in unserem Land eine klare Balance von Rechten und Pflichten. Wenn wir da einseitig das Wahlrecht, eines der wichtigsten Rechte in unserem Land, auf 16 absenken, dann ist die große Gefahr da, dass dieses Recht entwertet wird", argumentiert Johannes Steiniger, Vorsitzender der CDU-nahen "Jungen Union" im Bundesland Rheinland-Pfalz.

Österreicher wählen schon mit 16

Wolfgang Gründinger, der Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, sieht das anders. In Österreich zum Beispiel dürften Kinder und Jugendliche schon ab 16 Jahren wählen gehen. Gründinger bemerkt, dass bei den letzten Wahlen in Österreich die Wahlbeteiligung unter den Jugendlichen höher war als unter den Erwachsenen.

Gründinger schlussfolgert daraus, dass eine Absenkung des Wahlalters auch das politische Interesse der Jugendlichen steigern könnte. Ein Mittel gegen die Politikverdrossenheit also? Dieses Argument kann Johannes Steiniger von der Jungen Union nicht nachvollziehen. Stattdessen fordert er die Politik auf, ihre Inhalte zu überdenken und den Fokus auf mehr politische Bildung in den Schulen zu legen.

Wolfgang Gründinger (Foto: dpa)
Wolfgang Gründinger will Jugendliche durch Wahlen mehr für Politik interessierenBild: picture alliance/Eventpress

Einige deutsche Bundesländer machen es vor

An Bundestags- und Europawahlen kann man in Deutschland erst ab 18 teilnehmen, aber in einigen deutschen Bundesländern können Jugendliche schon jetzt ab 16 Jahren wählen, zumindest bei Landtags- und teilweise auch bei Kommunalwahlen. Das geht zum Beispiel in Schleswig-Holstein, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen. In Niedersachsen wählen 16-Jährige bei Kommunalwahlen schon seit 1996, und Baden-Württemberg hat dieses Wahlrecht bei Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres zum ersten Mal angewandt.

In ganz Deutschland können Kinder und Jugendliche an U-18 Wahlen teilnehmen. Diese Wahlen für Unter-18-Jährige werden von öffentlichen und freien Trägern wie dem Deutschen Kinderhilfswerk oder den Bundes- und Landesjugendringen initiiert und durchgeführt. Seit 1996 können Jugendliche so ihre Stimme abgeben, auch wenn diese Stimme keinen direkten Einfluss auf die Politik in Berlin hat.

Wer soll die Zukunft bestimmen?

Fest steht, dass Deutschland immer älter wird. Schon im Jahr 2020 werden junge Menschen nur noch ein Sechstel der Bevölkerung ausmachen. Dies könnte zur Folge haben, dass ältere Menschen die politische Agenda bestimmen und Zukunftsthemen verdrängen, so die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.

Der 16-jährige Felix Finkbeiner und seine Freunde müssen jetzt erst einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf ihre Klage abwarten. Bis dahin wollen sie weiter für ihre Sache kämpfen. Dutzende Vorträge zum Thema Wahlalter stehen schon in ihren Terminkalendern.