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Jones: "Ohne Fußball wäre ich nicht ich"

Thomas Spahn
18. Mai 2017

Bundestrainerin Steffi Jones steht vor ihrer ersten Bewährungsprobe, der Frauenfußball-EM in den Niederlanden. Im DW-Interview spricht Jones über Erfolgsdruck - und über ihre prägende Kindheit.

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Frauenfußball-Bundestrainerin Steffi Jones. Foto: dpa-pa
Bild: picture-alliance/dpa/T. Eisenhuth

DW: Frau Jones, bei Ihren Fußball-Erfolgen dürften männliche deutsche Fußballstars blass vor Neid werden. Sie sind Weltmeisterin geworden, dreimal Europameisterin, vielfache deutsche Meisterin. Wenn Sie in einem Wort zusammenfassen würden, was denn diese Erfolge möglich gemacht hat, welches wäre es?

Steffi Jones: Selbstvertrauen. Mut. Der Erfolg und die Möglichkeit, als Nationalspielerin dann diesen Traum zu verwirklichen, das ist etwas Einzigartiges. Diese Erfolge stehen für mich nicht im Vordergrund, aber sie haben dazu beigetragen, dass ich mehr Selbstvertrauen gewonnen habe.

Nie aufgeben, gehört das auch dazu?

Das gehört sicherlich dazu. Das passt aber mehr zu meiner Kindheit, zu meiner Lebensgeschichte, weil dort der Kampf auch immer ein Stück weit im Vordergrund stand. Deswegen ist diese Eigenschaft, nie aufzugeben sowieso ein Bestandteil meines Lebens.

Sie sind die Tochter eines US-amerikanischen Besatzungssoldaten, der die Familie verlassen hat, als Sie drei Jahre alt waren. Während ihrer Kindheit wurden Sie wegen ihrer Hautfarbe gehänselt. Wie sind Sie damit als Kind umgegangen?

Ich wusste erst gar nicht so richtig damit umzugehen, weil ich nicht verstanden habe, dass andere Kinder mich aufgrund meiner Hautfarbe oder meiner Locken hänseln. Zu Hause hat meine Mutter versucht, mein Selbstwertgefühl zu steigern und mir auch klar zu machen, dass es diese Unterschiede gibt. Dass ich mich nicht schämen muss aufgrund meiner Hautfarbe, sondern dass andere sich in die Sonne legen, um meinen Hauttyp zu bekommen. Oder dass sie sich eine Dauerwelle machen und dafür bezahlen. Meine Mutter hat es sehr gut verstanden, mein Selbstwertgefühl zu stärken und mir klar zu machen, dass ich zwar anders bin, aber dass ich mich so lieben soll, wie ich bin.

Wir erfahren in Ihrer Autobiographie "Kick des Lebens", dass Ihre Fußballkarriere als Torpfosten-Ersatz begonnen hat, weil Sie unbedingt bei den Jungs mitspielen wollten.

Ja. Mein älterer Bruder spielte immer Fußball auf einem Stück Rasen ohne Tore, da war immer nur eine Jacke, und ich war der zweite Pfosten. Das war der Beginn meiner Fußballkarriere.

Sie sind nicht lange Pfosten geblieben. Sie sind in der Jungenmannschaft durchgestartet, haben dort zehn Jahre lang gespielt und waren das einzige Mädchen, das zur Spielführerin gewählt wurde. Wie kam das?

So etwas entwickelt sich. Ich war Stürmerin und habe natürlich auch Tore geschossen. Der Trainer hat mich zur Spielführerin gemacht, und die Mannschaft hat das respektiert. Ich war in der Mannschaft akzeptiert.

Steffi Jones mit Spielerinnen auf der Auswechselbank. Foto: dpa-pa
"Die Spitze ist enger zusammengerückt" - Steffi Jones mit ihren Spielerinnen Bild: picture-alliance/dpa/E. Feldman

Geprägt wurden Sie auch durch die Umgebung, in der Sie groß geworden sind, in Frankfurt-Bonames. Das ist ein Stadtteil, der zumindest damals geprägt war durch Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Drogenkonsum. Hat Ihnen der Fußball geholfen, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten?

Auf jeden Fall. Als ich mit vier Jahren begonnen habe, Fußball zu spielen, war Fußball eine Art Auffangbecken für mich - neben meiner Mutter, die alles versucht hat, uns eine tolle Kindheit zu ermöglichen. Im Fußball habe ich mich durchgesetzt und gespürt, dass ich gut bin und Anerkennung erfahre.

Was haben denn Jungs zu Ihrer Jugendzeit von Frauenfußball gehalten?

Die haben es belächelt. Meistens wollten sie natürlich eher den Trikottausch sehen oder den Zweikampf, das Spiel Mann gegen Frau. Ich habe dann gesagt: Wenn du den Zweikampf suchst, dann suche dir deinesgleichen und nicht eine Frau. Und damit war das Thema beendet.

Sie kämpfen Ihr ganzes Fußballerinnenleben für die Anerkennung des Frauenfußballs. "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut. Körper und Seele erleiden unweigerlich Schäden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Wissen Sie, woher dieses Zitat stammt?

Ja, das war ein alter DFB-Beschluss. Der Frauenfußball war nicht geduldet, das gehört auch zur Frauenfußball-Geschichte. Ich trage das dem DFB heute nicht nach.

Ihr persönlicher Weg war sicher auch steinig und ist noch nicht zu Ende. Sie sind als Bundestrainerin angetreten, ohne vorher Trainererfahrung zu haben. Dafür gab es viel Kritik. Warum nehmen Sie dieses große Risiko auf sich?

Weil ich bisher alle meine Herausforderungen, die ich angenommen habe, gemeistert habe. Außerdem bin ich mit der Fußballlehrer-Lizenz qualifiziert. Nur weil ein Trainer praktische Erfahrung hat, heißt es nicht, dass er auch ein guter Trainer ist. Ich glaube an meine Fähigkeiten und an meine Kompetenz. Ich werde auf jeden Fall alles geben, dass meine Trainerzeit erfolgreich wird.

Es geht ja auch gleich mit einer Europameisterschaft in diesem Jahr in den Niederlanden los. Sie starten mit Ihren Frauen als Titelverteidigerinnen. Macht das den Druck nochmal größer?

Nein. Wie wir spielen, die Qualität und die Fähigkeiten meiner Mannschaft, das stimmt mich einfach so optimistisch, dass wir die Titelverteidigung als Ziel aussprechen und Europameister werden wollen. Von daher ist das kein Druck, sondern pure Vorfreude.

Steffi Jones mit Vorgängerin Silvia Neid. Foto: dpa-pa
Jones mit Vorgängerin Silvia Neid (l.)Bild: picture-alliance/robertharding

Ihre Vorgängerin Silvia Neid hat große Erfolge gehabt. Was machen Sie anders? 

Das ist ein Entwicklungsprozess, der hier gerade stattfindet. Die anderen Mannschaften haben aufgeholt, taktisch geht es wirklich um Nuancen. Da müssen wir noch variabler und auch individuell stärker werden, um uns in der Weltspitze zu behaupten - unabhängig davon, wie Silvia Neid vorher gearbeitet hat. Mit der Leistungsdichte ist es einfach schwerer geworden.

Sie haben sich 2013 zu Ihrer Lebenspartnerin bekannt, ihrer heutigen Ehefrau und ihre Homosexualität damit öffentlich gemacht. Warum?

Das hat sich so ergeben, das war nicht initiiert.  Auf einem Sportlerball, den wir gemeinsam besuchten, kam die Frage auf, und ich habe sie nicht verneint.  Es wurde positiv darauf reagiert. Darüber sind wir sehr glücklich. 

Zum Abschluss drei Sätze, die Sie bitte vervollständigen. Dass meine Lebenspartnerin meinen Namen angenommen hat, macht mich…

… stolz.

Ohne Fußball wäre ich…

… nicht der Mensch, der ich heute bin.

Wenn die erste Frau Trainerin eines Bundesligisten der Männer geworden ist, dann…

… mache ich drei Kreuze in meinem Kalender.

Steffi Jones, geboren 1972 in Frankfurt am Main, spielte von 1991 bis 2007 in der Bundesliga, unterbrochen von einem einjährigen Gastspiel in den USA. Sechsmal wurde sie Deutsche Meisterin, einmal mit dem FSV Frankfurt, fünfmal mit dem 1. FFC Frankfurt, viermal gewann sie den DFB-Pokal. Von 1993 bis 2007 trug in 111 Länderspielen das Nationaltrikot. 2003 wurde sie Weltmeisterin, 1997, 2001 und 2005 Europameisterin. Im September 2016 trat die 44-Jährige die Nachfolge von Silvia Neid als Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft des DFB an.

Das Interview führte Thomas Spahn.

Hinweis: Ab 20. Mai können Sie sich das Interview mit Steffi Jones auch hier ansehen.