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Solidarität mit Griechenland

Günther Birkenstock5. Mai 2013

Griechenland leidet unter den Sparauflagen des EU-Rettungspaketes. Weil im ganzen Land Armut um sich greift, wirbt der griechische Aktivist Christos Giovanopoulos in Deutschland für Solidarität.

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Porträt von Christos Giovanopoulos (Foto: DW/P.Kouparanis)
Bild: DW/P.Kouparanis

Christos Giovanopoulos ist gerade durch Deutschland getourt, um auf die prekäre Situation in seiner Heimat aufmerksam zu machen - es war eine von mehr als zehn Stationen in Europa, wie er sagt. Der 44-Jährige ist Mitglied des griechischen Bündnisses "Solidarity4all". Darin engagieren sich Freiwillige auf vielfältige Weise für Arme. Sie organisieren politische Aktionen und praktische Hilfe, zum Beispiel unterstützen sie Ambulanzen, die Menschen ohne Sozialversicherung behandeln. Das Bündnis ist Teil der so genannten Graswurzel-Bewegung, ein Sammelbegriff für gesellschaftliche und politische Initiativen, die von Privatleuten ins Leben gerufen wurden. Politisch sieht sich der Aktivist als Teil der radikalen Linken, gehört aber keiner Partei an. Giovanopoulos sieht sein Land am Rand einer humanitären Krise. Wir haben mit dem Aktivisten über sein soziales Engagement gesprochen.

Deutsche Welle: Herr Giovanopoulos, wen sprechen Sie mit ihren Aktionen an und wie gehen Sie auf Ihrer Tour vor?

Christos Giovanopoulos: Normalerweise werden wir von sozialen Solidaritätsgruppen eingeladen oder von Mitgliedern der Bloccupy-Bewegung und Antifa-Gruppen. Mit denen verständigen wir uns darüber, wie wir auf europäischer Ebene aktiv werden können. In Großbritannien sind wir mit einer Gruppe verbunden, die gegen Verarmung und Privatisierung kämpft. Genauso besuchen wir aber auch das Weltsozialforum, das in diesem Jahr in Tunesien stattgefunden hat. Sehr häufig arbeiten wir auch mit Gewerkschaften zusammen oder mit linken Parteien - Sozialdemokraten ausgenommen. Die betrachten wir als Teil des Problems und als verantwortlich für den augenblicklichen Zustand.

Wie reagieren die Menschen in Deutschland, wenn Sie über die Situation in Griechenland reden?

Unterschiedlich. Zum einen sind sie erfreut über die sich entwickelnden Solidaritätsgruppen, wie sich die Griechen organisieren und gemeinsam gegen die Sparzwänge ankämpfen. Dann gibt es aber auch dieses typische Bild von den Griechen im Ausland, die nur faul und korrupt sind.

Lassen Sie uns über die konkrete Hilfe sprechen. Wie soll die Solidarität aussehen, die Sie fordern?

In erster Linie bitten wir um politische Solidarität. Das heißt, Kampagnen, die auf die Situation in Griechenland aufmerksam machen. Außerdem geht es darum, Menschen in derselben schwierigen Situation zusammen zu bringen - Menschen in Griechenland und im Ausland, in Deutschland, Spanien, Italien und weiteren Ländern mit ähnlichen Zielen zu vereinen. Wir bitten aber auch um praktische Unterstützung. Es gibt einen großen Bedarf an Medikamenten, speziell an Impfstoffen für Kinder und Babymilch. Wegen der hohen Arbeitslosigkeitsrate in Griechenland können die Menschen ihre Sozialversicherung nicht mehr bezahlen. Das ist ein großes Problem für Familien, die sich die Impfung ihrer Kinder nicht mehr leisten können. Viele Kinder sind schlecht ernährt, die Folge sind Mangelkrankheiten.

Bitten Sie auch um Geldspenden für bedürftige Menschen in Griechenland?

Nein, wir vermeiden Hilfe in Form von Geld. Das ist nicht der Weg, auf dem solidarische Hilfe funktioniert. Die meisten der Sozialambulanzen, die sich um Bedürftige kümmern, bitten um Sachspenden, nicht um Geld. Das ist natürlich oft ein praktisches Problem, auch unter Legalitäts- und Sicherheitsaspekten. Deshalb fördern wir durchaus Geldspenden an "Solidarity4all" für konkrete Projekte. Dann wird das Nötige gekauft und an die sozialen Organisationen weitergegeben. Dabei wird sehr auf Transparenz geachtet, um Sicherheit und Vertrauen zu schaffen. Wir wollen nicht das Netzwerk der offiziellen Hilfsorganisationen nachahmen. Dort wird oft Solidarität betont, aber nicht praktiziert. Das ist ein vollkommen unkontrolliertes System, bei dem man nicht weiß, wo die Gelder hinterher landen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in Europa für mehr Solidarität mit Griechenland zu werben?

In den vergangenen zwei, drei Jahren sind einige Dinge aus Notwendigkeit entstanden. Die Solidarität mit griechischen Basisgruppen und Initiativen gab es, bevor die Initiative "Solidarity4all" entschieden hat, eine internationale Solidaritätskampagne für Griechenland zu starten. Die Auswirkungen des Euro-Memorandums und der Sparbeschlüsse durch die Troika (Europäische Zentralbank, Europäische Kommission und Internationaler Währungsfonds) wurden immer deutlicher. Die einfachen Menschen brauchten Hilfe. Das wurde den solidarischen Basisgruppen in Griechenland immer klarer. Auf der anderen Seite gab es viele, die den Menschen in Griechenland helfen wollten, aber nicht wussten, wie sie das tun sollten. Hier ging es darum, zu zeigen, wo fehlt es am meisten. Für uns ist es aber auch ein politischer Kampf. Das politische System, das uns in diese Situation geführt hat, soll gestürzt werden. Und wir wollen eine andere Art von sozialer Organisation präsentieren.

Wie finanzieren Sie Ihre Aktionen?

In den meisten Fällen handelt es sich ja um freiwilligen Einsatz. Manches muss aber auch finanziert werden, zum Beispiel Reisekosten, wenn jemand ins Ausland reist. Crowdfunding ist eine Möglichkeit oder wir veranstalten eine Benefizparty. Manches wird auch aus Spendenfonds bezahlt.

Beim Thema Finanzkrise in Griechenland ist oft von der großen Korruption dort die Rede. Griechische Millionäre haben riesige Summen an der Steuer vorbei im Ausland deponiert. Ist es nicht schwierig, im Ausland für mehr Solidarität zu werben, wenn viele Hauptverantwortliche der Krise in Griechenland sitzen?

Das gibt es sicherlich. Aber das ist nicht die ganz große Korruption. Das gibt es überall auf der Welt. Natürlich muss die Regierung diese Kapitalverschiebung als einen Grund für die Krise bekämpfen. Aber wenn wir das Geld betrachten, das Griechenland insgesamt verloren hat, dann ist diese Summe sehr klein. Die Zahlungen, die Griechenland im Zuge des EU-Rettungspaketes gegenüber Europa leisten muss, bewegen sich in anderen Größenordnungen. Das ist der eigentliche Diebstahl.

Christos Giovanopoulos hat Politische Ökonomie in Athen und Filmwissenschaft in London studiert. Ein Lehrauftrag in London und die Arbeit in einem kleinen Verlag in Griechenland bringen dem 44-Jährigen ein kleines Einkommen. Seine Lebenssituation beschreibt er als ähnlich prekär wie die vieler seiner Landsleute.