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Nur langsam bergauf

Christoph Hasselbach4. Mai 2013

Auch 2013 wird für Europa noch ein Rezessionsjahr, sagt die Kommission in ihrer jüngsten Konjunkturprognose voraus. Die Angst aller Beteiligten wächst, denn langsam bröckelt mit Frankreich der erste Große.

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Rehn gestikuliert Foto: picture-alliance/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Die Botschaft lässt sich sowohl positiv als auch negativ verpacken. EU-Währungskommissar Olli Rehn tat beides. Positiv klingt das so: "Wir erwarten, dass sich die europäische Wirtschaft in der ersten Hälfte dieses Jahres stabilisieren wird. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte in der zweiten Hälfte wieder wachsen und im kommenden Jahr weiteren Schwung gewinnen." Gemessen an den Rezessionserfahrungen der Europäer aus dem Jahr 2012 hört sich das ziemlich gut an.

In nackten Zahlen ausgedrückt, klingt es dagegen ganz anders: "Das Bruttoinlandsprodukt in der gesamten Europäischen Union dürfte in diesem Jahr um 0,1 Prozent und in der Eurozone um 0,4 Prozent schrumpfen." Und diese Schrumpfung soll noch ein wenig größer ausfallen als in der früheren Prognose vorhergesagt. Erst der Ausblick auf 2014 lässt dann wieder hoffen: "Für 2014 erwarten wir ein Wachstum von 1,4 Prozent in der gesamten EU und von 1,2 Prozent im Euroraum."

Kein baldiger Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt

Der nur ganz langsame Aufstieg aus dem Rezessionstal hat auch Folgen für die Arbeitslosigkeit, im Moment das große Thema in der EU. Die Kommission sieht für dieses Jahr "leider noch keine Trendwende, da der Arbeitsmarkt normalerweise nur mit Zeitverzögerung auf die Konjunkturentwicklung reagiert."

Arbeitslose warten vor Arbeitsamt Foto: picture alliance/dpa
In Spanien ist mehr als jeder Vierte arbeitslosBild: picture alliance/dpa

Für dieses Jahr rechnet sie mit einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit in der gesamten EU von 11,1 Prozent und im Euroraum von 12,2 Prozent, wobei die Zahlen einzelner Länder extrem weit auseinanderliegen. Sie reichen von rund fünf Prozent in Österreich und Deutschland bis 27 Prozent in Spanien und Griechenland; von den Jugendlichen dort ist sogar jeder Zweite ohne Job.

Durch anhaltende Rezession und Arbeitslosigkeit nimmt auch die Staatsverschuldung weiter zu. Die Kommission glaubt, dass die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand bis 2014 im Euroraum bei 96 Prozent und in der Gesamt-EU bei knapp 91 Prozent des BIP liegen wird. Das sind Werte weit über den eigentlich erlaubten 60 Prozent, wobei es auch hier deutliche Unterschiede von Staat zu Staat gibt. "Seit der Zeit vor der Finanzkrise", rechnet Rehn vor, "ist das ein Zuwachs von fast 30 Prozentpunkten, nämlich von gut 60 Prozent auf gut 90 Prozent."

Erfolge beim Defizitabbau

Deutlich vorangekommen ist die EU dagegen beim Defizitabbau. Lagen die öffentlichen Haushalte 2010 im Durchschnitt noch mit mehr als sechs Prozent in den Miesen, konnten die Staaten der gesamten EU ihre Defizite auf zuletzt 3,4 Prozent und die der Währungsunion auf immerhin 3,9 Prozent abbauen. Aber auch das ist mehr als die erlaubten drei Prozent. Besonderes Augenmerk hat die Kommission beim Defizit auf drei große Staaten gerichtet: Frankreich, Spanien und Italien. Diese drei Länder haben alle mit enormen Problemen zu kämpfen. Gleichzeitig spielen sie wegen ihrer Größe eine entscheidende Rolle für die Stabilität der Währungsunion.

Zumindest Italien, das gerade eine neue Regierung bekommen hat, darf in Sachen Defizit ein wenig aufatmen. Rehn sieht bei Italien Chancen, dass es in diesem Jahr unter der Drei-Prozent-Hürde bleibt, auch wenn die Gesamtverschuldung mit mehr als 130 Prozent des BIP astronomisch ist. Spanien dagegen ist beim Defizitabbau weiter vom Sollwert entfernt denn je. Nach der Prognose soll Madrids Defizit bis 2014 auf sieben Prozent steigen. Rehn hält es für "sinnvoll", Spanien noch bis 2016 Zeit zu lassen, um wieder unter die drei Prozent zu kommen, nachdem die Kommission dem Land schon einmal einen Aufschub gewährt hat.

Frankreich fällt immer mehr ab

Doch die deutlichsten Warnungen hatte der zurückhaltende Finne für Frankreich parat, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Das französische Defizit soll im laufenden Jahr bei 3,9 Prozent liegen und im kommenden Jahr sogar auf 4,2 Prozent klettern. Die Vorhersagen der französischen Regierung seien "viel zu optimistisch". Rehn sprach die "dauernde Verschlechterung der französischen Wettbewerbsfähigkeit" an und mahnte Paris zu "deutlichen Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Altersversorgung und durch weniger Zugangsbeschränkungen für bestimmte Berufsgruppen", damit es mit Wachstum und Beschäftigung wieder aufwärts gehe. Auch Frankreich könnte nach Rehns Worten mehr Zeit für den Defizitabbau bekommen. Doch es wäre eine Demütigung für die Regierung des Sozialisten François Hollande. Sie hat bisher den Akzent mehr auf Wachstum als aufs Konsolidieren und Reformieren gelegt.

Demonstranten mit Spruchbändern Foto: AFP/Getty Images
1.-Mai-Demonstration in FrankreichBild: AFP/Getty Images

Das französische Wirtschaftsministerium tat denn auch die Abweichung der Kommissionswerte von den eigenen Angaben als "nicht bedeutsam" ab. Andere machen sich dagegen große Sorgen um Frankreich und seine Vorbildfunktion. Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul etwa fordert Paris auf, an der Sparpolitik festzuhalten: "Wer eine auf Schulden basierte Wachstumspolitik befürwortet, will einen Hausbrand mit Öl löschen." Auch solle die Kommission "die Messlatte nicht herunterschrauben".

Viele in den soliden Ländern wie Deutschland befürchten, dass die Kommission zu nachgiebig gegenüber Ländern wie Frankreich ist und weiteres Schuldenmachen in der EU duldet. Anlass dazu hatte jüngst Kommissionspräsident José Manuel Barroso gegeben. Der hatte von einer Grenze gesprochen, an die die Sparpolitik angelangt sei.