Filmerfolg mit persönlichem Elend
16. Februar 2005Das jahrelange Gejammer der deutschen Filmszene hat ein unerwartetes Ende gefunden. Denn plötzlich geht es dem deutschen Kino gut. Die Marktanteile im Inland steigen rasant, aus der Branche kommen Berlinale-Sieger, Europäische Filmpreisträger, Oscar-Nominierte und immer mehr selbstbewusste Jungregisseure.
Ein Verdienst sicher auch von Berlinale-Chef Dieter Kosslick, der 2001 mit dem Versprechen angetreten ist, den deutschen Film stärker zu positionieren. Er hat Wort gehalten und damit für viel Selbstbewusstsein und - im Rahmen des zur Berlinale gehörenden Europäischen Filmmarktes - auch für internationale Aufmerksamkeit gesorgt.
Wenn es Hartz auf Hartz kommt
2005 stellt das Filmfest 67 neue deutsche Produktionen vor. Nicht nur im Wettbewerb sind die deutschen Filme stark vertreten. Zum vierten Mal läuft die Reihe "Perspektive Deutsches Kino", die von Alfred Holighaus betreut wird. Die Spannbreite der Themen reiche von "Hartz bis Herz" - also soziale Härten wie Arbeitslosigkeit, verpackt in emotionale Geschichten. Vor allem der Kurzfilm werde gepflegt, erklärt Holighaus, "wir haben da auch an den Hochschulen geguckt."
"Netto" – der Sohn ist wieder da
Ein prächtiges Beispiel für diese kleinen Filme, die den Blick auf den sozialen Alltag in Deutschland richten, dabei aber mit Witz und einer Portion Galgenhumor vorgehen, ist "Netto", das Regiedebüt von Robert Thalheim.
Hauptfigur Marcel hängt am liebsten im Asien-Imbiss an der Ecke herum und plaudert mit den Angestellten. Zeit hat er ja, arbeitslos und chaotisch, wie er ist. Der Sohn lebt eigentlich bei der Mutter - doch plötzlich steht er vor der Tür, der 15-jährige Junior aus Ostdeutschland, dem die Frau weggelaufen ist. "Netto" ist eine gelungene Tragikomödie, die gekonnt mit dem Ost-West-Gegensatz spielt. Und ein typisches Beispiel für einen Film, der sich nicht scheut, in die Tiefen der Gesellschaft zu blicken.
"Katze im Sack" - ein Sehnsuchtsfilm
Auch den Protagonisten in dem bereits mit dem wichtigen Nachwuchspreis "First Steps" ausgezeichneten Film "Katze im Sack" geht es nicht gut. Vereinsamt und desillusioniert trennen sich die jungen Menschen auch noch von denen, die sie eigentlich mögen.
Etwas Selbstquälerisches haben viele der Figuren des aktuellen deutschen Films. Sechs Spiel- und drei Dokumentarfilme laufen in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino", die einen Fokus auf junge Talente werfen soll und sich auch an Besucher aus dem Ausland richtet.
Das hat die Reihe mit der Filmmesse, die ausschließlich für Fachbesucher geöffnet ist, sowie der Sektion "German Cinema" gemeinsam. "Unsere Zielgruppe sind die internationalen Einkäufer, die Festivalleiter, die aus der ganzen Welt herkommen, um das Neueste vom deutschen Film kompakt zu sehen", sagt Heinz Badewitz, der die Messe seit vielen Jahren leitet. "Da ist die Berlinale von allen Festivals in der Welt und besonders auch in Deutschland am ehesten prädestiniert."
Blickt man noch auf die anderen Sektionen, auf Forum, Panorama, Kinder- und Jugendfilmreihe, so ergibt sich ein Bild des deutschen Kinos: zeitkritisch, bunt, künstlerisch vielfältig und von einer oft handwerklich ausgereiften Qualität. Da muss einem nicht bange werden um die Zukunft des deutschen Films.