1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Unkorrektes Kino

Jochen Kürten8. Juli 2004

Als der deutsche Film "Muxmäuschenstill" bei einem Festival seine Uraufführung erlebte, war sich das Publikum einig: Hier hatte der junge Regisseur Marcus Mittermeier etwas ganz Besonderes auf die Leinwand gezaubert.

https://p.dw.com/p/5HPq
Harte Strafen für AlltagsvergehenBild: X-Verleih

Ein völlig unkonventionell inszenierter Film, mit wenig Geld und ohne die obligatorischen Zuschüsse der Fernsehanstalten und verschiedenen Fördergremien produziert, zudem mit einer radikalen Geschichte: "Muxmäuschenstill" unterschied sich fundamental vom übrigen Angebot beim Saarbrücker Nachwuchsfestival im Januar 2004. Das sah auch die Jury so und zeichnete Mittermeiers Film mit dem Hauptpreis aus. Es folgte eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis in Berlin. Jetzt kommt "Muxmäuschenstill" in die deutschen Kinos.

Selbstjustiz auf Video

Zunächst eine Warnung: Sollten Sie bisher nichts über den Film "Muxmäuschenstill" gehört haben und planen Sie, demnächst ins Kino zu gehen? Dann lesen Sie jetzt nicht weiter. Denn je weniger Sie über Form und Inhalt des Films wissen, umso besser: "Muxmäuschenstill" lebt von der Überraschung, seiner Unvorhersehbarkeit, seinem unkonventionellen Stil.

Mux ist auf der Jagd nach Rasern und Verkehrsrowdies. Der junge Mann, der sich schlicht "Mux" nennt, ist ein selbsternannter Ordnungshüter, ein Weltverbesserer, einer der angetreten ist, ganz alltägliche, kleine Sünden seiner Mitmenschen zu bestrafen, aber auch Verbrecher zu verfolgen und mit einer Art Schnell-Justizverfahren abzuurteilen. Das macht er nicht allein, begleitet wird er vom etwas einfältigen Gerd, der alles auf Video dokumentiert.

Verunsicherte Zuschauer

Kinofilm: Muxmäuschenstill, Jan Henrik Stahlberg und Marcus Mittermeier
Jan Henrik Stahlberg und Marcus MittermeierBild: X-Verleih

Aus diesen Videoaufnahmen besteht der Film zu großen Teilen. Marcus Mittermeier und sein Drehbuchautor und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg haben ihren Film als "Reality-Show" inszeniert, der gerade mit seinem quasi "dokumentarischen" Stil so überzeugt, weil er den Zuschauer verunsichert, ihm den Boden unter den Füßen entzieht.

Mux trifft mit seiner schonungslosen Aufklärungsarbeit, seiner selbstgerechten Saubermann-Attitüde auf viele positive Reaktionen in der Gesellschaft, auf viel Aufmerksamkeit bei den Medien. Doch schließlich geht er zu weit, schießt über das Ziel hinaus: Mux wird selbst zu einer Gefahr für die Gesellschaft - ein Moralist ohne Moral, eine Tugendwächter, der die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet.

Reaktion auf Werteverfall

Regisseur Marcus Mittermeier habe auf Missstände in Deutschland aufmerksam machen wollen, sagt er: "Es ist so eine Art Werteverfall, der auch längst schon diskutiert wird, auf den aber meines Wissens niemand in dieser Art reagiert." Glücklicherweise ist Mittermeiers Film alles andere als moralinsauer - im Gegenteil, er ist von großer subversiver Kraft.

So manchen Zuschauer überfordert er auch - bei der Premiere in Saarbrücken verließen viele den Saal. Autor und Darsteller Jan Henrik Stahlberg beschreibt den Film als "sehr unkorrekt", weil er Leute persönlich angreife und sehr gewalttätig sei. Gleichzeitig habe der Film einen Humor, bei dem man immer lachen möchte. "Ich glaube, die Rasierklinge, auf der man da tanzt, ist für mich daran das Besondere", sagt Stahlberg.

Mittermeier und Stahlberg haben tatsächlich etwas Besonderes geschaffen: einen Film, der unterhält und irritiert, der nachdenklich stimmt und durch seine cineastische Form zur Diskussionen anregt.