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Fahrverbote für dreckige Diesel?

6. Oktober 2016

Europaweit werden die Grenzwerte für saubere Luft in vielen Städten überschritten. Hauptverursacher sind Dieselmotoren und Mängel in der Abgasreinigung. In Deutschland beraten die Verkehrsminister derzeit über Maßnahmen.

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Auspuff und Fahrradfahrer Foto: Karl-Josef Hildenbrand dpa/lby
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Seit 2010 gelten in Europa Grenzwerte für giftige Stickoxide in der Luft. In Deutschland werden die Grenzwerte nach Angaben des deutschen Städtetages jedoch in 80 Städte überschritten. Studien zufolge schädigt das die Gesundheit der Bürger erheblich und kostet sogar Leben. Belastet werden die Menschen vor allem mit giftigen Stickoxiden (NOx).

Ein Großteil der NOx-Emissionen stammen aus dem Straßenverkehr, vor allem aus Dieselmotoren. Selbst neue Diesel-Pkws pusten nach Angaben des Bundesumweltamts (UBA) in deutschen Städten im Durchschnitt sechs Mal mehr NOx aus als erlaubt. Tests im Auftrag des Bundesverkehrsministerium, der französischen Umweltbehörden und der Deutschen Umwelthilfe zeigen, dass nur sehr wenige Diesel-Pkws die festgelegten Grenzwerte überhaupt erfüllen.

Infografik Stickoxide bei PKWs

Fahrverbote gefordert

Im letzten Jahr leitete die EU-Kommission wegen mangelnder Luftreinhaltung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die deutsche Regierung ein. Klagen von Umweltverbänden gegen Städte erzeugen zusätzlich Druck. "Wir wollen keine Fahrverbote, weil wir dann die Städte lahmlegen", sagt Helmut Dedy, Geschäftsführer vom Deutschen Städtetag. "Es kann aber sein, dass wir zum Schutz der Gesundheit - auch durch Urteile - gezwungen sein werden, bestimmte dieselbetriebene Autos zeitweise nicht mehr in stark belastete Gebiete fahren zu lassen."

Der Städtetag sieht hier vor allem die Automobilindustrie in der Pflicht: Sie habe dafür zu sorgen, dass Dieselautos die Grenzwerte "im Stadtverkehr tatsächlich einhalten. Und wir brauchen exakte Prüfverfahren, die die Abgase im Echtbetrieb messen", sagt Dedy.

Der deutsche Städtetag fordert entsprechende Maßnahmen von der Bundesregierung, damit Dieselfahrzeuge sauberer werden und die Städte bessere Möglichkeiten bekommen, dreckige Dieselfahrzeuge auszusperren.

Kommt die Blaue Plakette?

Blaue Umweltplakette Foto: Imago
Eine blaue Plakette könnte umweltfreundliche Fahrzeuge kennzeichnenBild: Imago

Mitte April beschlossen die Umweltminister von Bund und Länder die Einführung einer Plakette, mit der saubere Fahrzeuge gekennzeichnet werden, die die Abgasgrenzwerte auf der Straße erfüllen: die Blaue Plakette.

Kommunen hätten dann die Möglichkeit, in besonders belasteten Verkehrsregionen Dieselfahrzeuge auszusperren. "Wir halten eine blaue Plakette, mit der nur noch Dieselfahrzeuge in die Innenstädte fahren dürften, die die Euro-6-Grenzwerte auch im Fahrbetrieb nicht überschreiten, für die effizienteste Maßnahme", sagte Maria Krautberger, Präsidentin vom Umweltbundesamt (UBA) im "Spiegel".

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt die Einführung der blauen Plakette für schadstoffarme Autos jedoch ab. "Es hat keinen Sinn, fast flächendeckend Dieselfahrzeuge aus den Städten auszuschließen", so Dobrindt. Rund 13 Millionen Dieselfahrzeuge könnten in Deutschland von den Fahrverboten betroffen sein. Nach seiner Einschätzung wäre es wirkungsvoller bei Taxen und Bussen anzusetzen und diese auf alternative Antriebe umzustellen. 

Derzeit beraten nun in Stuttgart die Verkehrsminister von Bund und Ländern über die Einführung der blauen Plakette. Die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Bremen streben eine Mehrheit für eine Bundesratsinitiative zur Einführung an. Ohne die Plakette seien die EU-Grenzwerte vor allem für Stickoxidbelastung nachhaltig kaum einzuhalten, sagt der Chemiker Uwe Lahl, Amtschef im Stuttgarter Verkehrsministerium.

Infografik Stickoxid-Ausstoß (NOx) in der EU nach Quellen
Die Abgase aus dem Verkehr verursachen die meisten Stickoxide. An Hauptstraßen liegt der Anteil bei über 60 Prozent.

Mit Sorge sieht auch der Deutsche Automobilclub ADAC die mögliche Ausgrenzung von Dieselfahrzeugen aus den Innenstädten. "Verbraucher dürfen nicht den Preis für die Versäumnisse der Automobilhersteller zahlen", so der ADAC. "Die technischen Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung sind längst vorhanden und müssen nur eingesetzt werden. Jetzt sind die Hersteller gefragt."

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) rät davon ab, derzeit überhaupt Dieselfahrzeuge zu kaufen. Darüber hinaus fordern der VCD und dieDeutsche Umwelthilfe (DUH), dass die Autohersteller durch kostenlosen Software-Austausch oder -Nachrüstung dafür sorgen, dass bei bereits verkauften Dieselfahrzeugen die Abgasreinigung jederzeit funktioniert. Der Bund solle jetzt die Autohersteller dazu verpflichten. "Es ist nicht hinzunehmen, dass Autofahrer aufgrund des Fehlverhaltens der Autohersteller mit Einfahrtverboten bestraft werden", sagt Müller-Görnert vom VCD. Die blaue Plakette mit der Möglichkeit zur Nachrüstung würde dafür sorgen, dass die Emissionen nachhaltig sinken und Anwohner sowie Gewerbetreibende weiterhin in die Städte einfahren können. Dies wäre ein Gewinn für die Anwohner, Städte und auch Autofahrer.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion