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VCD verweigert Auto-Umweltliste

Marcel Fürstenau, Berlin16. August 2016

Seit 27 Jahren erstellt die gemeinnützige Organisation ein Ranking der umweltverträglichsten Fahrzeuge. Nach dem Abgas-Skandal bei VW verzichtet der VCD erstmals darauf. Tipps für den Auto-Kauf gibt er trotzdem.

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Endlose Auto-Schlangen auf einer Autobahn.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

"Muss es unbedingt ein Auto sein?", fragt Wasilis von Rauch. Der junge Mann sitzt im Bundesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland und ist für den Themenbereich Radverkehr zuständig. Neben ihm sitzt an diesem sonnigen Dienstag in Berlin der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen. Sein Ratschlag an die etwa 30 Medienmenschen im überfüllten Presseraum: "Abwarten mit dem Autokauf!" Wie bitte?! Wer es eilig hat, dem empfiehlt der gute Mann einen Gebrauchtwagen. Denn: "Wir sind noch mitten drin im Abgas-Skandal." Dieser Behauptung ist schwer zu widersprechen angesichts der vielen offenen Fragen, die es rund um die zuerst bei VW aufgedeckten Manipulationen bei Diesel-Fahrzeugen gibt.

Weil der VCD sowohl bei den Auto-Herstellern als auch in der Politik die aus seiner Sicht nötige Transparenz vermisst, gibt es in diesem Jahr für PKW mit Benzin- oder Dieselmotor keinen Sieger im Umweltcheck. Übrig geblieben ist die seit sechs Jahren veröffentlichte Elektroauto-Liste. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine alphabetisch sortierte Übersicht der einzelnen Modelle mit statistischen Angaben unter anderem zur Batteriekapazität und Stromverbrauch.

Für Elektro-Autos gibt es immerhin eine alphabetische Liste…

Eine umfassende Bewertung und damit ein klassisches Ranking nach Qualitätskriterien lehnt der VCD für E-Autos weiterhin ab. Begründung: Im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sei die Ermittlung der tatsächlichen Emissionswerte noch unzuverlässiger. Zwar stoßen strombetriebene Autos im Betrieb kein klimaschädliches Kohlendioxyd (CO2) aus. Aber beim Erzeugen des Stroms für die aufladbaren Batterien kommen neben erneuerbaren Energien weiterhin fossile Brennstoffe zum Einsatz, darunter die besonders umweltbelastende Kohle.

Deutschland Aufladekabel für Elektrofahrzeuge auf der Hannover Messe
Wenn Autos betankt werden, dann geschieht das noch ziemlich selten mit Strom aus der Steckdose...Bild: picture-alliance/dpa/O. Spata

Ob der VCD 2017 wieder seine traditionelle Umweltliste herausgibt, will er vom Verhalten der Autoindustrie und der Politik abhängig machen. Eine unbedingte Voraussetzung ist demnach, "dass Regeln endlich konsequent kontrolliert werden". VCD-Fachmann von Rauch meint damit vor allem, dass Abgas-Tests aus dem Labor im Praxistest auf der Straße bestätigt werden müssen. Die Überprüfung der von Autobauern angegebenen Werte müsse vom Kraftfahrtbundesamt auf das Umweltbundesamt übergehen, verlangt von Rauchs Vorstandskollege Lottsiepen.

"Abgas-Grenzwerte nicht als Folter betrachten"

Und die Auto-Industrie müsse ihre Werbung ändern, fordert der nach eigenen Angaben von 55.000 Mitgliedern und Spendern unterstützte VCD. Es gehe darum, Abgas-Grenzwerte "nicht als Folter, sondern als Innovationsanreiz zu begreifen", wirbt Lottsiepen für einen Paradigmenwechsel. Um die bis 2050 vereinbarten internationalen Klimaziele zu erreichen, hält der VCD einen Ausbau der Elektroauto-Flotte im Individualverkehr für unverzichtbar. Eine Trendwende kann Lottsiepen jedoch nicht erkennen.

Elektro-Autos vom Typ "StreetScooter" sind bei der Post im Einsatz.
Die Post setzt gelegentlich schon Elektro-Autos wie den "StreetScooter" ein.Bild: Imago/biky

Er habe den Eindruck, dass die Hersteller bei dem Thema "zwar viel reden, aber wenig dafür tun, dass die Autos auf die Straße kommen". So sei seit einem Jahr kein strombetriebener "Smart" erhältlich, weil die Produktionskapazitäten für den Bau von Benzinern benötigt würden. Abgesehen davon hält der VCD Elektro-Autos in erster Linie bei Fahrzeug-Flotten von Dienstleistern wie Paketdiensten oder im Carsharing für sinnvoll.

Für Privatpersonen lohne es sich erst bei einer täglichen Fahrstrecke von mindestens 50 Kilometern. Ansonsten sei das E-Auto ökologisch "kontraproduktiv", weil es rund 20.000 Kilometer gefahren werde müsse, um die bei der Produktion der Batterie entstehende Umweltbelastung auszugleichen. Als selten gefahrener Zweitwagen kommt dieser Auto-Typ nach dieser Rechnung also kaum infrage.

"Diesel ist grundsätzlich diskreditiert"

Nimmt man die Empfehlungen des VCD ernst, ist es alles andere als einfach, sich für das vermeintlich richtige Fahrzeug zu entscheiden. Diesel, sagt Fachmann Lottsiepen, sei "grundsätzlich diskreditiert"- zumindest im Stadtverkehr. Er habe auf der Autobahn seine "letzte Nische". Dass VW und Daimler Diesel-Fahrzeuge künftig mit Filtern ausstatten wollen, wertet der VCD als Erfolg. Für Vielfahrer seien mit Erdgas betriebene Fahrzeuge eine Alternative. Und natürlich seien Hybrid-Autos für den "Übergang von der fossilen in die elektroautomobile Realität" geeignet.

Das ideale Auto - so viel ist mal klar - gibt es aus Sicht des VCD nicht. Wie lautete noch die Frage zu Beginn der Pressekonferenz: "Muss es unbedingt ein Auto sein?" In Deutschland wurde diese Frage von Januar bis Juli 2016 mit der Zulassung von 2.012.705 Neuwagen beantwortet. Ein Plus von 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Zahlen stammen vom Kraftfahrtbundesamt. Die Behörde hat auch den Anteil der Elektro-Autos ermittelt: 5142.