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EU auf dem Beifahrersitz

Gerda Meuer, Brüssel22. Mai 2002

Das diplomatische Parkett ist glatter geworden: Eine Reihe von Konfliktthemen belastet die einwöchige Europareise von US-Präsident George W. Bush.

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Die gemeinsame Außenpolitik der EU steckt noch in den Kinderschuhen

"Sie ist nicht schlecht, sie hilft nicht, aber sie stört auch nicht" - dieses herablassende Urteil über die Europäische Union soll von US-Präsident George W. Bush stammen. Und es trifft die Europäer zutiefst. Denn: zu gerne würden sie mitmischen, in der großen Weltpolitik an einem Tisch sitzen mit den Amerikanern, um Rat gefragt zu werden. Eine Beziehung gleichwertiger Partner eben. Doch davon sind die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika weit entfernt.

Stahl und Rindfleisch

Nur einige Nischen gibt es: Einmal jährlich reist EU-Kommissionspräsident Romano Prodi zum EU-USA-Gipfel, der sich in der Regel mit Handelsstreitigkeiten beschäftigt. Da geht es dann um amerikanische Schutzzölle auf Stahl, um hormonbehandeltes Rindfleisch oder um gentechnisch veränderte Lebensmittel. Und über die Welthandelsorganisation in Genf hat Brüssel durchaus Mittel und Wege, um Amerikas Protektionismus zu begegnen - wie auch umgekehrt.

Und die Europäer wehren sich von Zeit zu Zeit mit moralischen und ethischen Bedenken gegen die Supermacht: sie kritisieren die Todesstrafe in Amerika, sie verurteilen Washingtons Rückzug aus dem globalen Umweltschutz und sie verlangen, dass auch die USA das Abkommen über einen Internationalen Gerichtshof ratifizieren.

EU nicht im Telefonbuch des Weißen Hauses

Aber es sind die Mittel der Schwächeren gegen eine unbestrittene, die einzige Supermacht. Politisch ernst genommen wird das Europa der 15 und bald 27 Staaten deshalb in Washington nicht - eine direkte Nummer nach Brüssel fehlt immer noch in den Telefonbüchern des Weißen Hauses. Das hat sich besonders nach dem 11. September bestätigt.

Als US-Präsident Bush seine internationale Anti-Terrorkoalition zusammentrommelte, da klingelte nicht das Telefon von EU-Chefdiplomat Javier Solana und auch nicht das des EU-Kommissionspräsidenten. Bush wählte London, Berlin und Paris an und schmiedete nationale Koalitionen mit den Europäern. Und selbst die NATO, das mächtigste Militärbündnis der Welt, durfte nur theoretisch mitmachen. Die NATO-Beistandserklärung, erstmals in der Geschichte der Allianz ausgerufen, gab Washington freie Hand.

Gemeinsame Außenpolitik in den Kinderschuhen

Und einen richtigen Hebel dagegen hatten die Europäer, wenn sie ehrlich vor sich selbst waren, nicht in der Hand: die Außenpolitik der EU steckt noch in den Kinderschuhen, wird in Brüssel durch konkurrierende Zuständigkeiten zwischen EU-Chefdiplomat Solana und Außenkommissar Chris Patten geschwächt und: das letzte Wort hat niemals Brüssel, sondern die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Die aber sind aus transatlantischer Sicht selten einmütig und somit ein unsicherer, unberechenbarer Partner.

Militärisch hat Brüssel noch weniger zu bieten. Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungsinitiative soll der EU eine eigene schnelle Eingreiftruppe bescheren - doch zur Zeit ist sie nicht viel mehr als ein Papiertiger. Und selbst wenn Europa als Militärmacht eines Tages Realität werden sollte, wird es weiterhin abhängig sein von NATO-Strukturen. Und die Militärallianz ist nichts ohne die USA.

Also schließt sich der Kreis militärisch und außenpolitisch. "Die USA sitzen am Steuer" hat Außenminister Joschka Fischer noch unlängst gesagt. Und damit klargemacht, in welcher Rolle er die Europäer sieht. Sie sind auf dem Beifahrersitz.