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EU berät Rettung des Euro

8. Dezember 2011

Mit düsteren Warnungen und Drohungen im Gepäck reisten die Staats- und Regierungschefs zum EU-Gipfel nach Brüssel. Das Treffen könnte die womöglich letzte Chance sein, die Währungsunion in Europa noch zu retten.

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Bundeskanzlerin Merkel bei der Ankunft in Brüssel (Foto: dapd)
Auch sie will Ergebnisse: Bundeskanzlerin MerkelBild: dapd

"Angela fordert Disziplin!" Mit dieser Titelzeile und einem ganzseitigen Foto der düster blickenden Bundeskanzlerin ging die belgische Zeitung "La Libre" am Donnerstag (08.12.2011) auf den Markt. Tatsächlich empfinden viele der EU-Staats- und Regierungschefs, die sich am Abend zu einem informellen Essen im Ratsgebäude in Brüssel versammelt haben, den deutsch-französischen Vorschlag für eine vertraglich fixierte, harte Fiskalunion mit automatischen Strafen als eine Art Diktat. Die Stimmung ist gereizt und die Erwartungen sind hoch. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy zeichnete die Lage beim Treffen der konservativen Parteien Europas in Marseille in dunklen Farben: "Die Situation ist extrem gefährlich. Es gibt das Risiko einer Explosion in Europa", sagte Sarkozy. Europa habe nur noch wenige Wochen, um die Probleme endlich in den Griff zu bekommen.

"Euro muss wieder glaubwürdig werden"

Frankreichs Präsident Sarkozy Nicolas Sarkozy bei der Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel (Foto: dapd)
"Extrem gefährliche Situation": Frankreichs Präsident SarkozyBild: dapd

Bundeskanzlerin Angela Merkel macht es nicht ganz so dramatisch. Sie sagte zum Auftakt des Treffens in Brüssel aber, dass die Währung Euro an Glaubwürdigkeit verloren habe: "Diese Glaubwürdigkeit muss wieder hergestellt werden", so die Kanzlerin. "Dazu müssen wir deutlich machen, dass wir mehr Verbindlichkeit akzeptieren." Die 17 Euro-Staaten müssten jetzt voran gehen, um ganz Europa einen Gefallen zu tun. "Ob es gelingt, dass dies 17 Länder plus X oder gar alle 27 Mitgliedsstaaten der EU machen, das wird sich in den Beratungen zeigen. Wichtig ist für mich aber, dass wir Verträge so ändern, dass wir uns in Richtung einer Stabilitätsunion bewegen", betonte Merkel gegenüber Reportern.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Mitgliedsstaaten der EU bereit sind, sich in Haushaltsfragen Mehrheitsentscheidungen und der Aufsicht durch die EU-Kommission in Brüssel zu unterwerfen und automatische Strafen hinzunehmen. Dass damit möglich werden soll, was Jahrzehnte lang abgelehnt wurde, zeigt, wie dramatisch die Situation in der Euro-Zone sein muss.

Einer gegen alle?

Der luxemburgische Ministerpräsident und Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, trifft in Brüssel ein (Foto: dapd)
"Euro-Gruppe muss notfalls vorangehen": Jean Claude JunckerBild: dapd

Auch der Chef der Euro-Gruppe, der 17 Staaten angehören, machte klar, dass er ein Ergebnis will. Jean Claude Juncker, der Ministerpräsident Luxemburgs, sagte, falls nicht alle 27 EU-Staaten zu einer schnellen Änderung der EU-Verträge bereit seien, müssten die 17 Euro-Staaten vorangehen. Nicht nur der britische Premier David Cameron könnte eine Gegenleistung für eine Vertragsänderung fordern. Cameron kündigte an, er wolle für seine nationalen Interessen kämpfen. "Das ist wie ein Schachspiel mit 26 Gegnern", so der britische Regierungschef, der vor allem die Londoner Finanzindustrie schützen will.

Vorschläge von EU-Kommissionspräsident Jose Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, die Fiskalunion ohne einschneidende Vertragsänderungen zu vereinbaren, bezeichneten deutsche Regierungskreise erneut als technische Tricks und faule Kompromisse. Angela Merkel wolle auf jeden Fall ein Ergebnis, notfalls müsse der Gipfel über den Freitag hinaus verlängert werden. Den konkreten Text für den Vertrag über die Fiskalunion will Merkel im März 2012 unterschreiben lassen. Bis zum Jahresende 2012 soll er ratifiziert werden. In Irland wäre dazu eine Volksabstimmung erforderlich.

Europäische Zentralbank will kein Geld drucken

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, sagte in Frankfurt am Main, bevor er zum Gipfeltreffen abreiste, wenn die Staats- und Regierungschefs an diesem Wochenende substanzielle Fortschritte bei einem Vertrag über eine Fiskalunion erreichten, dann könnte das Vertrauen der Finanzmärkte zurückkehren. Die Euro-Zone brauche klare Regeln, um die negative Spirale des Misstrauens zum Stillstand zu bringen. Zu einem möglichen Auseinanderbrechen der Währungsunion wollte sich Draghi nicht äußern: "Es ist nicht sinnvoll, über ein Ende zu spekulieren, weil das trotz allem doch sehr weit hergeholt erscheint."

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi (Foto: dapd)
EZB-Chef Draghi will nicht über ein Ende des Euro spekulierenBild: dapd

Der EZB-Chef lehnt es weiterhin ab, unbegrenzt Staatsanleihen klammer Euro-Staaten aufzukaufen. Das derzeitige Stützungsprogramm sei begrenzt und werde nur so lange fortgesetzt, wie dafür an anderer Stelle Geld vom Kapitalmarkt genommen werden könne. Mit anderen Worten: Die EZB will weder neues Geld drucken noch "lender of last resort", also letzter Kreditgeber für die Staaten der Euro-Zone werden. Diese Forderungen hatte es von verschiedenen Seiten immer wieder gegeben.

"Kein Umweg über Internationalen Währungsfonds"

Mario Draghi stemmt sich gegen jede Form der so genannten monetären Staatsfinanzierung und auch gegen Umwege über den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington: "Der Mechanismus, mit dem Geld in die europäischen Länder geleitet wird, sollte nicht verdecken, dass wir einen Vertrag haben, der sagt: Keine monetäre Staatsfinanzierung! Die Frage, ob man den IWF als Mechanismus nutzen könnte, ist sehr komplex. Es kommt immer darauf an, den Geist der Verträge zu respektieren", sagte Draghi.

Viele Staats- und Regierungschefs haben nach Angaben aus Delegationskreisen erwartet, dass die EZB als Gegenleistung für eine Fiskalunion und die Aufgabe nationaler Haushaltsrechte unbeschränkt Staatsanleihen aufkauft. Das scheint aber nicht die Absicht von Mario Draghi zu sein. Wie die Verhandlungen am Donnerstag und Freitag unter den europäischen Staats- und Regierungschefs verlaufen werden, ist offen, zumal die Bundeskanzlerin auf ein Ergebnis pocht.

"Keine parallelen Rettungsfonds"

Die Finanzmärkte erwarten klare Beschlüsse, nachdem die Hebelung des europäischen Rettungsfonds EFSF nicht richtig funktioniert. Deutschland und Frankreich haben vorgeschlagen, den ständigen Rettungsfonds ESM schneller als bislang einzurichten. Eine Kombination beider Fonds lehnt die Bundeskanzlerin aber offensichtlich ab, weil Deutschland dann zusätzliche Kreditgarantien abgeben müsste. Als Zugeständnis an private Anleger wollen Deutschland und Frankreich jetzt darauf verzichten, private Gläubiger an Umschuldungen zu beteiligen, wie es für Griechenland vor sechs Wochen ausgehandelt worden war. Das solle ein einmaliger Vorgang bleiben, hatte Angela Merkel am Montag in Paris verkündet.

Die Banken in Europa stehen weiter unter Druck, räumte EZB-Präsident Draghi ein. Die Senkung des Leitzinses auf das historische Tief von einem Prozent in der Euro-Zone soll dazu beitragen, dass Banken den Kapitalmarkt und Unternehmen ausreichend mit Krediten versorgen. Draghi warnte davor, dass die Gefahr einer Rezession in Europa groß sei, weil die Auswirkungen der Finanz- und Schuldenkrise nun auch die produzierende Wirtschaft erreichten.

Über allen Bemühungen der europäischen Staaten, ihre Währungsunion zu retten, schwebt die Drohung der Ratingagentur Standard & Poor's, die Staaten der Euro-Zone abzuwerten, den Rettungsfonds EFSF herunterzustufen und die europäischen Großbanken neu zu bewerten. Sollte der EU-Gipfel kein handfestes Ergebnis bringen, könnte der Daumen der US-amerikanischen Ratingagentur sinken: "Gefällt mir nicht", um es in der Sprache der sozialen Netzwerke zu sagen.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Rolf Breuch