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„Papst Franziskus und Martin Luther bewegen gleiche Themen“

Vera Tellmann
4. November 2016

Die evangelische Kirche müsse wieder zu Luther zurückfinden und lauter und rebellischer werden. Das sagte EKD-Vizepräsidentin Petra Bosse-Huber im Interview der Deutschen Welle.

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Petra Bosse-Huber Skulptur Erinnerung Barmer Theologische Erklärung
Bild: imago/epd

„Die Themen, die Franziskus als Papst bewegen, sind durchaus die gleichen, die Martin Luther bewegt haben.“ Das sagte EKD-Vizepräsidentin Petra Bosse-Huber im Interview der Deutschen Welle. Es gehe um Befreiung, soziale Gerechtigkeit und eine religiöse Botschaft, die die Menschen verstehen können, die aber auch den Alltag und die Gesellschaft verändert.

Die erste Messe eines Papstes mit Protestanten am Reformationstag in Schweden sei „ein großartiges Symbol für eine neue ökumenische Atmosphäre“, so Bosse-Huber. „500 Jahre nach viel Gewalt, nach viel Streit und zum Teil ja auch Blut und Tränen, die zur Geschichte der Konfessionen gehört haben, gibt es jetzt ein extrem vertrauensvolles Miteinander und das auf Weltebene. Für mich ist das ein Hoffnungszeichen.“

Über ihre erste Israel-Reise gemeinsam mit katholischen Bischöfen sagte die EKD-Vizepräsidentin: „Ich war durchaus mit gemischten Gefühlen aufgebrochen. Und dann war das Erlebnis dieser Woche mit den katholischen Bischöfen sehr bewegend. Da ist so viel Vertrauen und so viel Offenheit gewachsen, dass ich mit ganz neuer Zuversicht auf die nächsten Jahre schaue. Und dann wären 500 Jahre Reformation nur ein Anlass, um zu noch viel mehr Gemeinsamkeit zwischen den großen Kirchen zu finden.“

Dass der Reformationstag vor allem bei jungen Menschen in Vergessenheit gerate, sei „traurig“, so Bosse-Huber, „aber ich weiß, dass die Relevanz der Art und Weise, wie wir als Kirche aufgetreten sind, auch einen Anteil hat. Diese Gesellschaft weiß so wenig von ihrer Tradition, von ihren Wurzeln, von der Freiheit, die ein so hoher Wert ist in unserer Gesellschaft. Für mich sind diese Jubiläumsfeierlichkeiten ein guter Anlass, solche Basics neu zu setzen und mit Menschen ins Gespräch zu kommen.“

Zur Beliebtheit ihrer Glaubensgemeinschaft in anderen Ländern sagte Bosse-Huber, dass in Gesellschaften im Aufbruch große Neugier bestehe. „In Afrika gibt es inzwischen mehr Protestanten als in Nordamerika und Europa zusammen. In Asien, in Korea oder in China wachsen riesige Gemeinden. Ich hoffe, dass wir von diesen Kirchen wieder lernen, dass wir etwas Kostbares haben und dass wir das auch mit dieser Frische hier in Deutschland vertreten können.“ Bosse-Huber weiter: „Menschen wollen wissen, warum dieses religiöse Angebot für sie interessant ist, was es da für sie zu holen gibt. Wir müssen viel einfacher und viel verständlicher darüber reden, warum es auch heute Sinn macht, diese Botschaften in den Kirchen zu suchen.“ 

Bosse-Huber bejahte, dass die evangelische Kirche wieder zu Luther zurückfinden und lauter und rebellischer werden müsse. „Ich versuche, alles in meinen Möglichkeiten zu tun, dass wir die politisch Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen und anprangern, wo es so nicht weitergeht. Das heißt aber immer auch Selbstverpflichtung. An welcher Stelle muss unsere Kirche anders werden, als sie ist? An welcher Stelle treten wir dafür ein, dass der Klimawandel begrenzt wird, dass wir für Frieden sorgen und dass wir die religiösen Ressourcen, die es für Gerechtigkeit gibt, zwischen den Religionen tatsächlich ausschöpfen.“

Das vollständige TV-Interview können Sie ab Sonntag, 6. November, im DW-Programm sehen.