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Die Ukraine vor der Entscheidung

Christiane Hoffmann/dk26. Dezember 2004

Wiederholungswahl in der Ukraine: Internationale Wahlbeoachter sollen diesmal einen fairen Verlauf sichern. Janukowitsch oder Juschtschenko, wer macht das Rennen? Ein Stimmungsbild aus der Stadt Donezk.

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Premierminister Janukowitsch nach der Stimmabgabe: Fällt der Vorhang?Bild: dpa

Während in Kiew wieder Tausende Menschen in orangen Farben auf die Straße gehen, sind im Osten des Landes, wo Kandidat Janukowitsch die meisten Anhänger hat, kaum Menschen auf der Straße. Ist es Erschöpfung oder die Ruhe vor dem Sturm? "Alles ist friedlich und in bester Ordnung", so will die Regionalverwaltung der ostukrainischen Stadt Donezk glauben machen.

In der Industriestadt und Hochburg der Oligarchen scheint alles klar. Hier hat Präsidentschaftskandidat Viktor Janukowitsch die meisten Anhänger, denn er kommt aus der Bergbaustadt, war hier Chef der Regionaladministration. In den vergangenen beiden Jahren als Regierungschef hat er den "Donbass", wie die Region auch genannt wird, besonders gefördert - vor allem mit Steuervergünstigungen für die Schwerindustrie der Oligarchen, von denen er abhängt.

Janukowitsch hat seine Getreuen im Osten

In Donezk geht es am Wochenende nur um die Frage, mit wieviel Prozent Janukowitsch gewinnen wird. Denn die Mehrheit der Bevölkerung steht trotz des Drucks von oben und wegen der Berichte linientreuer Medien hinter ihm, so wie Lena, die ins Wahlkampfbüro von Janukowitsch kam, um zu helfen: "Wir werden die Ergebnisse bestätigt sehen und es werden mehr Leute für Janukowitsch stimmen, nicht nur 96 Prozent, sonder noch mehr, denn wir sehen ja jetzt, was die orange Revolution ist."

Sie ist ihnen nicht geheuer, diese "orange Bewegung". Denn seit Monaten haben sie nur gehört, Oppositionsführer Viktor Juschtschenko sei ein Faschist und würde die Region nach einem Wahlsieg bestrafen, das Land in die Teilung treiben und die russische Sprache verbieten, die in dem östlichen Teil der Ukraine hauptsächlich gesprochen wird. In dieses Bild, das die Mannschaft um Janukowitsch zeichnet und das in den regionalen und überregionalen Medien monatelang strapaziert wurde, passt nun auch die Änderung des Wahlgesetzes durch das ukrainische Parlament. Damit sollen die gröbsten Wahlfälschungen verhindert werden.

Von Wahlscheinen und 100 Prozent Wahlbeteiligung

So gibt es keine Wahlscheine mehr, mit denen die Menschen in verschiedene Städte fahren konnten und dort zum Teil mehrfach wählten. Damit war in einigen Regionen von Donezk eine Wahlbeteiligung von mehr als 100 Prozent erreicht worden. Und - nur noch Menschen mit starken Behinderungen dürfen zu Hause wählen. Bei der letzten Wahl hatten in einigen Stimmbezirken der Region bis zu 35 Prozent der Wähler zuhause ihr Kreuzchen gemacht. Damit würde alten Menschen das Wählen erschwert, sagt der stellvertretende Leiter des Janukowitsch-Stabes Wladislav Lukjanov: "Das Gesetz, dass Juschtschenko eingebracht hat, hindert die Leute daran, an der Wahl teilzunehmen", glaubt er. Dies sieht wohl auch der Oberste Gerichtshof so, der das neue Wahlgesetez für zumindest teilweise verfassungswidrig erklärt hat. Dennoch findet die Stichwahl vorerst statt.

Aufgeladene Atmosphäre

Doch mit der Änderung des Wahlgesetzes sind Unregelmäßigkeiten bei der Wahl noch nicht ausgeschlossen. Denn viel hängt von der Zusammensetzung der einzelnen Wahlkommissionen ab. Und darauf haben sich die beiden Parteien jetzt konzentriert. Denn die Zeit ist knapp. Daher gibt es auch keine Wahlkampfveranstaltungen. Im Wesentlichen sei alles vorbereitet, hört man von allen Seiten, auch wenn die Opposition Probleme hat, genügend eigene Mitglieder in die Wahlkommissionen zu schicken. Die sollen aus dem Westen des Landes kommen, weil vermutet wird, die Leute vor Ort würden von der anderen Seite beeinflusst. Wie gespannt die Situation ist, war in Donezk zu spüren: Ein so genannter "Zug der Freundschaft", ein Autokorso mit Juschtschenko-Anhängern wurde nicht in die Stadt gelassen. Eine Gruppe Hooligans hatte sie aufgehalten und mit Gewalt gedroht. Der Autokorso mussten umdrehen.

Diese Konflikte seien künstlich erzeugt, denn die Behörden wollten Ängste der Bevölkerung schüren, ist sich Jewgenij Talyschew sicher. Er ist Chefredakteur von "Ostrow", der einzigen unabhängigen Zeitung der Region. Die Zeitung ist unbequem und deshalb hat er nicht nur Probleme mit den Steuerbehörden und Gerichten: "Sie lassen uns keine Werbung machen und unsere Zeitung kommt nicht in den Handel. Und jetzt haben sie uns auch das Büro gekündigt, so das wir praktisch aus dem Untergrund arbeiten. Die Behörden haben auf die Vermieter Druck ausgeübt, das ist alles ganz schnell gegangen."