Die Opern und das Streich-Konzert
27. Februar 2006Für diejenigen, die die Oper für ein Vergnügen der Grandes Dames und der Aristokratie halten, dürfte es eine Überraschung sein, dass in Deutschland an die 90 Opernhäuser stehen. Und viele davon in den neuen Bundesländern, die bisher eher mit Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht werden, aber nicht mit Hochkultur. Doch an vielen der spektakulären Opernhäuser im Osten scheinen alle Wirrungen der letzten Jahrzehnte spurlos vorübergegangen zu sein.
Bernard Helmich, der designierte Generaldirektor der Oper in Chemnitz, erklärt, dass die Arbeitslosigkeit in der Stadt dem Schicksal des Opernhauses bisher wenig anhaben konnte: "Die Probleme in einer Stadt wie Chemnitz sind nicht anders als die in reicheren deutschen Städten. Denn am Ende des Tages sind die, die in die Oper gehen, generell nicht die Schicht, die von Armut betroffen ist." Laut Helmich sind die Preise in den meisten Opernhäusern für jeden Geldbeutel zu verkraften. "Was für uns eher ein Problem ist, ist die Tatsache, dass die Städte immer kleiner werden."
Der Besucherkreis schrumpft weg
Dafür ist Chemnitz ein hervorragendes Beispiel. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist die Stadt um fast 50 Prozent geschrumpft und hat nur noch wenig mehr als 200.000 Einwohner. Die Tatsache, dass es weniger Publikum gibt, gepaart mit den ständig drohenden Kürzungen der staatlichen Zuschüsse, hat deutlichen Einfluss darauf, welche Aufführungen die verschiedenen Häuser sich auf die Bühne holen.
Eine Studie des Bundesverbandes der Theater und Orchester ergab, dass "immer mehr Opernhäuser keine Alternative sehen als ihre Programme zurückzufahren und jedes kommerzielle Risiko bei der Repertoire-Planung zu vermeiden". Ein weiterer Wettbewerbsfaktor: Viele Opernhäuser sind nur einen Steinwurf voneinander entfernt.
Kultur für die Menschen am Ort
Helmich sagt, obwohl es einen ausgeprägten Wettbewerb zwischen den Häusern gebe, würden sich die Menschen stark mit ihrem lokalen Ensemble identifizieren. "Die Leute kommen, um die Sänger aus ihrer Stadt zu hören. Sie wollen ihre Tenöre, ihre Bässe, ihre Tänzer sehen", sagt er. "Sie wollen keine von auswärts, selbst wenn sie besser sind."
Der Direktor des Bundesverbands der Theater und Orchester, Rolf Bolwin, glaubt, dass es der traditionelle Grundgedanke der Oper war, lokale Kultur zu bieten. "Oper sollte für die Bewohner einer Stadt da sein. Ein Opernhaus in Leipzig ist für die Bürger von Chemnitz nutzlos."
Die Oper hat noch ein gutes Image
Und obwohl es Beweise gibt, dass in den vergangenen 15 Jahren immer weniger Menschen das lokale und nationale Kultur-Angebot genutzt haben, stellte sich doch heraus: Etwa acht Millionen haben sich Opern, Operetten, Musicals und Ballettaufführungen angesehen. Bolwin erklärt, man komme nicht darum herum anzuerkennen, dass "Musiktheater bei den Deutschen eine große Rolle spielt".
Diese Tradition, die im 17. Jahrhundert entstand, hat teilweise auch deswegen überlebt, weil sie im gesellschaftlichen Diskurs der Deutschen so wichtig war. Helmich findet es erstaunlich, dass noch so viele Menschen der Oper treu bleiben: "Dass Schließungspläne jedes Mal so heftige Proteste hervorrufen, zeigt, dass die Deutschen historisches und Bildungstheater akzeptieren."
Elektronische Konkurrenz
Die Oper musste sich immer mehr gegen die modernen Medien behaupten, aber Bolwin betont, Fernsehen, Film und Internet hätten sie nicht überflüssig gemacht: "Die Oper hat jede Art von Konkurrenz überlebt, weil sie auf direkter Kommunikation zwischen zwei Menschen basiert." Dennoch wird sie auch in Zukunft gegen die elektronischen Medien ankämpfen müssen. "Die Veränderungen gehen weiter", sagt Bolwin, "aber wir müssen unsere ganze Energie aufbringen, um eine der großartigsten Opernlandschaften der Welt am Leben zu erhalten."