1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Chinesischer Dissident fordert Ende des Ein-Parteien-Systems

11. Februar 2009

China erlebt eine Flut offener Briefe. Kritische Intellektuelle melden sich verstärkt zu Wort mit Forderungen nach Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Reformen.

https://p.dw.com/p/Gr2g
Der Gegenwind für die KP in Chinas wird stärkerBild: AP
In China melden sich kritische Intellektuelle immer öfter zu Wort und stellen die Politik der Partei- und Staatsführung in Frage. Der jüngste Vorstoß kommt von Ling Cangzhou. In einem offenen Brief forderte der oppositionelle Autor jetzt das Ende der Ein-Parteien-Herrschaft. Sechs Seiten lang ist der Brief, den Ling Cangzhou an die chinesische Regierung geschrieben hat. Seine zentrale Forderung: Die Änderung der Verfassung. Ling plädiert für einen besseren Schutz der Bürgerrechte und das Ende des Ein-Parteien-Systems. Er kritisiert, dass während des chinesischen Wirtschaftsbooms politische Reformen viel zu kurz gekommen sind. Und sogar die staatlichen Medien berichten über die sozialen Unruhen, die für die chineische Führung ein riesiges Problem sind. "Wir haben uns einfach zu sehr auf Wirtschaftsentwicklung konzentriert und politische Reformen vernachlässigt", meint Ling.

China habe auf dem Wege der Demokratisierung viele Umwege gemacht, so lautet Lings Fazit, nachdem er sämtliche chinesischen Verfassungstexte der letzten 100 Jahren analysiert hat. So sah zum Beispiel die Verfassung der ehemaligen Republik China von 1946 die Direktwahl der Kreisvorsteher vor. In der Verfassung der Volksrepublik fehlte später dieses Recht. Vor allem aber klagt Ling die Rechte ein, die von der Verfassung der Volksrepublik garantiert werden, wie etwa die Meinungs- und Pressefreiheit.

Bauern Demonstration in Peking China
Bürgerprotest in PekingBild: AP

Milder Appell

Ling will seinen offenen Brief nicht als Provokation der chinesischen Führung verstanden wissen. Er sieht in seinem Schreiben lediglich einen "milden Appell".

In der letzten Zeit wird in China der Ruf nach politischen Reformen lauter. Im Dezember veröffentlichten Hunderte Intellektuelle, Anwälte und Bürgerrechtler eine „Charta 08“. In bewusster Anlehnung an die Prager „Charta 77“ forderten sie politische Reformen wie Gewaltenteilung, Direktwahl der Parlamentsabgeordneten und unabhängige Justiz. Auch Ling Cangzhou zählt zu den Erstunterzeichnern der Charta 08. Die Antwort der Regierung in Peking kam prompt: Einer der Hauptinitiatoren, Liu Xiaobo, wurde verhaftet.

Wie die Parteispitze über die Vorstöße der Bürgerrechtler denkt, zeigt ein Artikel des Politbüromitglieds Jia Qinglin, der in einer Partei-Zeitschrift veröffentlicht wurde. Geht es nach Jia, dann sollte sich China von westlichen Ideen wie einem Mehrparteien-System und einer Gewaltenteilung nicht beirren lassen. Dissident Ling widerspricht: „Viele entwickelte Länder können wir als Vorbild für die Reform unserer Verfassung nehmen. Die US-Verfassung etwa oder das deutsche Grundgesetz." In China gibt es ein Sprichwort, meint Ling: "Man kann den Fluss überqueren, während man nach den Steinen tastet. Aber wenn es da schon eine solide Brücke gibt, warum soll man sich dann nasse Füße holen?“