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Aus für Rauchzeichen

Nina Werkhäuser29. August 2006

Eine der letzten europäischen Raucher-Bastionen fällt: Die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetz zum umfassenden Nichtraucherschutz. Industrie und Gaststättenverbände fürchten Umsatzeinbußen und sind "not amused".

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Herrscht in Deutschland bald Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen?Bild: AP

Beim Nichtraucherschutz ist Deutschland Entwicklungsland: In vielen öffentlichen Gebäuden und in fast allen Restaurants darf noch immer gequalmt werden. Wer nach klarer Luft sucht, hat allzu oft das Nachsehen. Bisher setzte die Politik auf Freiwilligkeit, aber diesen Ansatz hält die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche mittlerweile für gescheitert: "Ich glaube, dass ein umfassendes Rauchverbot in Deutschland an der Zeit und notwendig ist. 3.300 Tote pro Jahr durch Passivrauchen sind einfach zu viel."

Per Gesetz will die Bundesregierung die Nichtraucher vor dem blauen Dunst schützen - vor allem in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Behörden und Krankenhäusern. Außerdem hat sie die Restaurants und Kneipen im Visier, in denen zumeist nach Herzenslust gepafft werden darf.

Von erfolgreichen europäischen Nachbarn nichts gelernt

Rauchen Verboten in Irland Tür vor Pub
Selbst in Irland durchgesetzt: Rauchverbot in Kneipen und RestaurantsBild: AP

Von einem Rauchverbot wie etwa in Irland oder Italien hält der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband allerdings rein gar nichts. Das geplante Gesetz ist für Verbandspräsident Ernst Fischer eine Horrorvorstellung: Er sieht elementare Freiheiten gefährdet. "Wir brauchen kein Gesetz. Jeder kann freiwillig hingehen, wohin er will. Jeder hat die Möglichkeit, in ein Nichtraucherlokal zu gehen, wenn es ihm in einem Lokal, in dem geraucht wird, nicht gefällt."

Ein Rauchverbot könnte rund ein Drittel der Gäste abschrecken, befürchtet der Verband, und vor allem kleineren Kneipen und Bars schaden. Selbst schuld, kontern die Gegner des blauen Dunstes. Die Gastronomie habe es versäumt, freiwillig genügend rauchfreie Bereiche einzurichten. Das habe sie versprochen, aber nicht gehalten, kritisiert Bärbel Höhn von den Grünen. "Das ist eine freiwillige Vereinbarung, die nicht funktioniert hat, weil keine klaren
Kriterien da waren und keine Sanktionen, wenn man es nicht
hinbekommt."

Jeden Tag ein vollbesetztes Flugzeug voller Raucher-Tote

EU-Kampagne gegen das Rauchen
Kehlkopfkrebs: Nur eine von vielen Todesursachen durch RauchenBild: AP

Dass die volkswirtschaftlichen Schäden durchs Rauchen erheblich sind, zeigen die Statistiken der Mediziner. Zwar gibt es ganz unterschiedliche Zahlen, aber klar ist: Rauchen und Passivrauchen sind die Auslöser verschiedener schwerer Krankheiten. Der Hamburger Krebs-Spezialist Eckart Laak hält die Situation für dramatisch: "Jedes Jahr sterben allein in Deutschland 140.000 Menschen an den Folgen des Zigarettenrauchens, das sind etwa 400 pro Tag. Das ist, als würde jeden Tag ein voll besetztes Flugzeug in Deutschland abstürzen und alle Insassen wären tot."

In dieselbe Kerbe schlagen auch die Krankenkassen. Sie zahlen kräftig für die Behandlung von Krankheiten, die durch das Rauchen oder Passivrauchen verursacht werden. Ralf Sjuts vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen beziffert die Kosten auf mehr als 17 Milliarden Euro pro Jahr – und das seien nur die direkten Kosten. "Wenn man zum Beispiel noch Faktoren wie Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung und Frühinvalidität dazu nimmt, dann wird der volkswirtschaftliche Schaden für 2004 auf etwa 45 Milliarden Euro geschätzt."

Rauchverbot mit Ausnahmen

Dem gegenüber stehen die vergleichsweise deutlich niedrigeren Einnahmen des Staates durch die Tabaksteuer und die Interessen der Zigarettenindustrie. Die macht mit allen erdenklichen Mitteln mobil gegen das geplante Nichtraucherschutzgesetz, über das in den kommenden Monaten im Bundestag verhandelt werden soll.

Die grüne Abgeordnete Bärbel Höhn berichtet von Versuchen der Zigarettenlobby, Befürworter des Gesetzes im Bundestag umzustimmen. Eine Mehrheit ist in ihren Augen noch nicht sicher. Die Bundesregierung ist jedoch überzeugt, dass sie ihr Gesetz durchbringen wird. Allerdings vermutlich mit einigen Ausnahmen beim Rauchverbot in der Gastronomie.