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Antrag zur Aufhebung von Wulffs Immunität

16. Februar 2012

Die Staatsanwaltschaft Hannover bereitet Ermittlungen gegen Bundespräsident Wulff vor. Es geht um einen Anfangsverdacht der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Jetzt ist der Bundestag am Zug.

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Christian Wulff (Foto:dapd)
Bild: dapd

Nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und der Auswertung von Medienberichten gebe es nun einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, teilte die Staatsanwaltschaft Hannover mit. Es gebe "zureichende Anhaltspunkte". Deshalb habe sie beim Präsidenten des Deutschen Bundestages beantragt, dass die Immunität von Bundespräsident Christian Wulff aufgehoben wird. Es gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Damit würde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Ermittlungsverfahren gegen einen amtierenden Bundespräsidenten eingeleitet.

"Diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Hannover unabhängig nach intensiver kollegialer Beratung getroffen. Weisungen vorgesetzter Behörden hat es nicht gegeben", hieß es in der Erklärung der Behörde.

Nun muss der Bundestag entscheiden, ob gegen das Staatsoberhaupt strafrechtlich ermittelt werden darf. Denn Wulff genießt für die Dauer seiner Amtszeit - wie die Parlamentarier auf Bundes- und Landesebene - Immunität. Das heißt, während dieser Zeit ist er vor Strafverfolgung geschützt. Die Staatsanwaltschaft darf erst ermitteln, wenn der Bundestag zuvor den Schutz vor Strafverfolgung aufgehoben hat. Dies ist im Grundgesetz festgeschrieben.

Ermittlungen wegen Urlaubsreisen

Die bei der Staatsanwaltschaft Hannover eingegangenen Anzeigen gegen Bundespräsident Christian Wulff wegen eines Kredits und einiger Urlaubsreisen während seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident hatten zunächst aber nur Vorermittlungen ausgelöst. Es wurde bislang geprüft, ob es einen Anfangsverdacht auf eine Straftat gibt. Dafür musste die Immunität nicht aufgehoben werden.

Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch gegen den Filmfondsmanager David Groenewold, der mit Wulff unter anderem auf Sylt Urlaub machte. Auch gegen ihn bestehe ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsgewährung. Das Land Niedersachsen hatte für dessen Firma eine Bürgschaft bereitgestellt, die aber nicht in Anspruch genommen wurde.

Der Vorsitzende des Immunitätsausschuss des Bundestags, Thomas Strobl (CDU), hielt sich mit Äußerungen zum Antrag der Staatsanwaltschaft zurück. Der Tageszeitung "Die Welt" sagte er lediglich: "Wenn ein solcher Antrag bei uns einginge, würden wir diesen im Ausschuss beraten und dem Plenum des Bundestages eine Beschlussempfehlung geben, ob die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben wäre."

SPD für Aufhebung der Immunität

Die SPD verlangt, dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattzugeben und die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben. Dies müsse umgehend erfolgen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Tageszeitung "Die Welt". Die SPD werde den Antrag befürworten. "Ich rechne damit, dass auch die Koalition dem zustimmen wird. Der Bundestag muss schließlich sicherstellen, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind."

Der Grünen-Politiker Christian Ströbele forderte Wulff zum sofortigen Rücktritt auf. Die Staatsanwaltschaft Hannover habe ihren Antrag auf Aufhebung der Immunität "nicht leichtfertig" gestellt, sagte Ströbele dem Berliner "Tagesspiegel". Es sei unvorstellbar, dass demnächst Staatsanwälte das Schloss Bellevue durchsuchten. "Christian Wulff sollte die Konsequenzen ziehen", sagte Ströbele. "Jetzt reicht es."

Der Bundespräsident steht seit Wochen wegen diverser Affären in der öffentlichen Kritik, vor allem wegen seiner Beziehungen zu reichen Unternehmern. Er sieht sich zahlreichen Vorwürfen ausgesetzt, Vergünstigungen angenommen zu haben. Angelastet wird ihm unter anderem die Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits für sein Haus, billiges Autoleasing und kostenlose Urlaube bei Unternehmern, mit denen er auch geschäftlich in seiner Zeit als Regierungschef in Niedersachsen (2003-2010) zu tun hatte.

nm/fab (dpa, dapd)