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Neue Vorwürfe

2. Februar 2012

Gegen den Ex-Sprecher des Bundespräsidenten wird wegen Bestechlichkeit ermittelt. Das wird jetzt auch für Wulff selbst zum Problem. Denn der könnte von den Verfehlungen weit früher gewusst haben als bisher zugegeben.

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NFrüher ein Team: Olaf Glaeseker (links) und Christian Wulff Foto: Nigel Treblin/dapd
Früher ein Team: Olaf Glaeseker (links) und Christian WulffBild: dapd

Bis zum Mittwoch (01.02.2012) schien sich die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff zunehmend zu einem Skandal seines früheren engsten Vertrauten, Ex-Sprecher Olaf Glaeseker, weiterzuentwickeln. Das ändert sich gerade. In einem einmaligen Vorgang hatten Fahnder in der vergangenen Woche die Büroräume des früheren Wulff-Sprechers Glaeseker im Bundespräsidialamt durchsucht. Gegen Glaeseker, der von Wulff vor Weihnachten ohne Nennung von Gründen beurlaubt wurde, wird von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit ermittelt. Er soll bereits zu Wulffs Amtszeiten als Ministerpräsident von Niedersachsen eine Veranstaltungsreihe zusammen mit einem prominenten Eventmanager organisiert haben, der ihn dafür durch kostenlose Urlaubsreisen belohnt haben könnte, so der Vorwurf.

Der für die Auswertung der Bürodurchsuchung zuständige Oberstaatsanwalt berichtete einer Nachrichtenagentur am Dienstag (31.01.2012), das sichergestellte Material werde zurzeit ausgewertet. Der Bundespräsident hatte nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe von seinem Ex-Sprecher eine Stellungnahme erbeten. Das sagte eine Präsidialamtssprecherin am Mittwoch (01.02.2012) der Zeitung "Die Welt". Im Interview mit der DW zeigt sich Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, über dieses verfehlte Krisenmanagement entsetzt: "Dass er nach dieser ganzen Vorgeschichte jetzt auf die Idee kommt, seinen ehemaligen Sprecher und Vertrauten zu diesem Zeitpunkt um Aufklärung zu bitten, ist schon schwer verständlich."

Neue Vorwürfe und neue Details

Zudem bringen neue Vorwürfe den Bundespräsidenten wieder selbst in Erklärungsnot: Nach Recherchen des Politikmagazins "stern" soll der heutige Bundespräsident bereits seit August 2010 von den Bestechungsvorwürfen gegen seinen Sprecher gewusst haben. Das berichtet das Magazin am Donnerstag (02.02.2012) in seiner neuen Ausgabe und beruft sich dabei auf ein persönliches Gespräch eines Journalisten mit dem administrativen Leiter des Präsidialamtes, Lothar Hagebölling. Dieser soll durch eine interne Aktennotiz von intensiven Kontakten des Wulff-Sprechers mit dem Eventmanager Manfred Schmidt gewusst haben. So soll Glaeseker kostenlose Privatreisen in Anspruch genommen haben, während er im Gegenzug dienstlich bei der Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" eng mit dem Eventmanager kooperierte.    

Ob der heutige Bundespräsident in der Folge im August 2010 vom Präsidialamtsleiter tatsächlich darüber informiert wurde, das blieb zunächst offen. Das Bundespräsidialamt wies den "stern"-Bericht am Mittwoch (01.02.2012) bereits vor dessen Abdruck zurück. Den internen Aktenvermerk des Ex-Sprechers an den Präsidialamtsleiter habe es nie gegeben. Christian Humborg fordert dennoch weitere Aufklärung: "Wer wurde informiert, wer wurde nicht informiert, was wurde eingeleitet und was wurde eventuell nicht eingeleitet? Das sind natürlich jetzt offene Fragen, über die man sich Aufklärung wünscht." Der Geschäftsführer der oppositionellen Sozialdemokraten, Thomas Oppermann, unterstellt dem Bundespräsidenten deshalb in der Zeitung "Frankfurter Rundschau" am Donnerstag (02.02.2012) eine direkte Mitverantwortung: "Wulff ist kein unbeteiligter Dritter."

Am Montag (30.01.2012) wurden zudem weitere brisante Details durch einen Bericht von tagesschau.de bekannt. So soll Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident entgegen früherer Darstellungen über seinen Privatkredit hinaus noch weitere Geschäftskontakte mit dem Unternehmer Egon Geerkens gehabt haben. Jetzt wurde öffentlich, dass der Unternehmer sowohl Vermieter wie auch Klient der Anwaltskanzlei war, in der Wulff bis 1994 als Anwalt tätig gewesen ist. Die Anwaltskanzlei und Wulffs Anwälte hatten danach betont, dass Geerkens nie direkt von Wulff betreut wurde. Der Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag warf Wulff daraufhin vor, bei einer Befragung 2010 den Landtag "nach Strich und Faden hinters Licht geführt" zu haben.   

Neue Rücktrittsforderungen und laufende Ermittlungen

Die neuen Vorwürfe und neuen Details – für Bundespräsident Christian Wulff kommen sie wohl zur Unzeit. Denn während sich die deutsche Presse zuletzt intensiv mit den Anschuldigungen gegen seinen früheren Sprecher Glaeseker beschäftigte, schien der Bundespräsident zumindest zeitweise aus der Schusslinie geraten. Jetzt wird der Chor der Stimmen, die einen Rücktritt Wulffs fordern, wieder lauter. So sagte der rechtspolitische Sprecher der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokrat Burkhard Lischka, der "Berliner Zeitung": "Wir können ihn nicht zum Rücktritt zwingen. Aber ich halte einen Rücktritt mittlerweile für überfällig."

Und auch von den Parteien, mit deren Stimmen Wulff ins Amt gewählt wurde, wird der Unmut über das Hin und Her um Wulff lauter. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, zweifelt öffentlich daran, dass Wulff sich im Amt wird halten können. "Wulff hat die Affäre nicht mehr selbst in der Hand", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Mittwoch (01.02.2012). "Das Ermittlungsverfahren gegen seinen Ex-Sprecher Olaf Glaeseker wird ihm noch mehr Schwierigkeiten bereiten, als er momentan vermutet", erwartet Kubicki. Bereits vor einigen Tagen hatte Grünen-Chefin Renate Künast Wulff aufgefordert: "Herr Bundespräsident, erlösen Sie uns!"

Ob tatsächlich Ermittlungen gegen Bundespräsident Christian Wulff eingeleitet werden, das entscheidet sich nach Angaben der dafür zuständigen Staatsanwaltschaft Celle frühestens Anfang März. Das bestätigte die Behörde auf Nachfrage am Mittwoch. Bislang seien sieben Anzeigen von Bürgern gegen das Staatsoberhaupt wegen möglicher Vorteilsnahme eingegangen. "Leider beobachten wir, dass viele daran ermüden, die Affäre Wulff weiter zu verfolgen", zeigt sich Christian Humborg von Transparency International Deutschland über das weitere Prozedere besorgt. "Das ist deshalb sehr bedauerlich, weil es sich hier keinesfalls um ein Aufgießen immer gleicher Vorwürfe handelt, sondern um eine konsequente Vervollständigung eines Bildes." Und dieses Bild, so Humborg, erscheine ihm jetzt schon sehr eindeutig: "Man hat schon den Eindruck, dass die neuen Maßstäbe der Transparenz, die der Bundespräsident selbst angekündigt hat, nicht erfüllt werden."

Autor: Richard A. Fuchs (dpa, dapd)
Redaktion: Peter Stützle

Wulf ist Spielball der Affäre - sagt Wolfgang Kubicki von der FDP Foto: Thomas Haentzschel/dapd
Wulff ist Spielball der Affäre - sagt Wolfgang Kubicki von der FDPBild: dapd
Wie viel Geschäft und wie viel Beziehung hatten Wulff und Unternehmer Egon Geerkens? Foto: AEDT.de dpa
Wie viel Geschäft und wie viel Beziehung hatten Wulff und Unternehmer Egon Geerkens?Bild: picture alliance/dpa
Bundespräsident Wulff gerät zunehmend wieder in den Fokus Foto: Axel Schmidt/dapd
Bundespräsident Wulff gerät zunehmend wieder in den FokusBild: dapd
Wie bestechlich war seine Arbeit? Ex-Sprecher Olaf Glaseker Foto: Berthold Stadler/dapd
Wie bestechlich war seine Arbeit? Ex-Sprecher Olaf GlasekerBild: dapd