1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zum Überflieger geboren

11. August 2009

Vor 25 Jahren gewannen Ulrike Meyfarth und Dietmar Mögenburg in Los Angeles binnen 24 Stunden Olympia-Gold im Hochsprung. Zwei Athleten mit bemerkenswertem Talent, deren Karriere dennoch höchst unterschiedlich verlief.

https://p.dw.com/p/IxzH
Montage: Die Hochspringer Meyfarth und Mögenburg bei ihren Olympiasiegen 1984 (Foto: dpa)
Die Hochspringer Ulrike Meyfarth und Dietmar Mögenburg bei ihren Olympiasiegen 1984Bild: dpa/PA

"Mit 14 bin ich deutschen Schülerinnen-Rekord gesprungen, mit 15 war ich deutsche Vizemeisterin und mit 16 Olympiasiegerin mit 1,92 Meter", kommentiert Ulrike Meyfarth ihren Schwindel erregenden Werdegang. "Das ging also relativ flott bei mir bergauf." Bei Dietmar Mögenburg hört sich der Beginn nicht viel anders an: "Ich bin eigentlich schon immer ein Talent gewesen, wurde mit 14 deutscher Schülermeister - und danach war von Jahr zu Jahr eine Steigerung da."

So ähnlich muss eine Erfolgsgeschichte wohl klingen, wenn zwei binnen 24 Stunden Olympiasieger im Hochsprung werden. Allerdings hatte Ulrike Meyfarth da längst schon einmal vorgelegt: Bereits als Schülerin düpierte sie 1972 bei den Spielen in München die Weltelite und alle Experten, denn keiner hatte die 16-Jährige aus Wesseling bei Köln damals ernsthaft auf der Rechnung.

Doch nach ihrem Überraschungs-Coup ging es für das Mädchen mit dem Gardemaß von 1,86 Meter zunächst einmal bergab. "In der Folgezeit hat sie sehr hart an sich arbeiten müssen, hat in punkto Anlaufverhalten und Schnelligkeit vieles umgestellt", analysiert Norbert Stein, Dozent und Trainer an der Deutschen Sporthochschule in Köln. "Und so hat sie es tatsächlich geschafft, diesen Erfolg zu wiederholen, dann allerdings auch auf einer höheren Leistungsebene."

Zweites Gold nach Reifeprozess

Nasse-Meyfarth beim Ball des Sports in Wiesbaden, beim Tanz mit dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Glos (Foto: dpa)
Ulrike Nasse-Meyfarth beim Ball des Sports 2009Bild: dpa

Zehn Zentimeter und 12 lange Jahre sollten zwischen ihrem ersten Triumph und dem zweiten Olympia-Gold liegen. Erst nach den verpassten Boykott-Spielen von Moskau machte Meyfarth als Europameisterin und Weltrekordlerin wieder von sich reden. Und 1984 in Los Angeles ging mit einem Flug über 2,02 Meter eine einmalige Karriere zu Ende - ihrer italienischen Dauerrivalin Sara Simeoni blieb diesmal nur das Nachsehen. "Mit 28 Jahren ist man eben eine gereifte Athletin, dazu braucht es auch und gerade Erfahrung im Umgang mit Misserfolgen", erklärt Ulrike Meyfarth. "So hat sich dann der Kreis geschlossen in Form eines zweiten Olympiasieges."

Zum Karriere-Ausklang wurde sie 1984 auch - zum vierten Mal in Folge - als Deutschlands Sportlerin des Jahres geehrt. Und die zweifache Mutter, die seit ihrer Heirat Nasse-Meyfarth heißt, ist dem Metier treu geblieben: Bei ihrem Verein Bayer Leverkusen arbeitet sie mit jungen Athleten und fungiert als eine Art Botschafterin für ihren Sport. "Sie ist nicht nur bei Gala-Empfängen präsent, um die Leichtathletik nach vorne zu bringen", lobt Experte Norbert Stein. "Sie ist eine natürliche Sportlerin geblieben, die immer sympathisch und offen auftritt."

Entschädigung für Moskau

Dietmar Mögenburg lebt heute zurückgezogen in Norwegen (Foto: dpa)
Dietmar Mögenburg (l.) lebt heute zurückgezogen in NorwegenBild: dpa

Doch der Blick geht zurück nach Los Angeles: Nur einen Tag nach Meyfarths Gold-Doublette schlug die große Stunde des 23-jährigen Dietmar Mögenburg. Dabei wollte der als aktueller Weltrekordler schon vier Jahre zuvor ganz nach oben, doch der Moskau-Boykott einiger westlicher Staaten wurde für den Teenager zum ganz persönlichen Albtraum. "Zwei Monate vor der Abiturprüfung bin ich in der Schule ausgestiegen, um mich konzentriert auf die Olympischen Spiele vorzubereiten", schildert Mögenburg die bitterste Phase seines Sportlerlebens. "Damals hat man uns gesagt, die Chancen auf eine Teilnahme stünden durchaus noch gut. Das hat mich im Nachhinein schon geärgert."

Statt seiner siegte in Moskau übrigens Gerd Wessig für die DDR mit neuem Weltrekord. Doch der 2,01 Meter lange Schlaks aus Leverkusen überwand die Enttäuschung und feilte weiter an Technik und Sprungvermögen. 1982 setzte Mögenburg mit dem Europameistertitel bereits ein Ausrufezeichen. Und als es zwei Jahre später in Kalifornien um alles ging, machte er seinem Ruf als nervenstarker Wettkampftyp alle Ehre und meisterte als einziger die Siegeshöhe. "2,35 Meter liegen auf. Jetzt läuft er an, drückt ab - und schafft sie, und schafft sie!", jubelte nicht nur Hörfunk-Reporter Joachim Boettcher.

Dem Metier verbunden geblieben

Bis heute ist Dietmar Mögenburg der einzige männliche Hochsprung-Olympiasieger aus der Bundesrepublik. Doch anders als Meyfarth setzte er nach 1984 die Laufbahn noch fort, ohne allerdings ähnlich große Erfolge zu erzielen. Erst zehn Jahre später strich er, geplagt von hartnäckigen Knieproblemen, endgültig die Segel - doch allein zehn nationale Freiluft-Titel unterstreichen seine Ausnahmestellung. Heute lebt Mögenburg, dem Fachleute auch im Mehrkampf Begabung attestierten, mit Frau und Kindern in deren Heimat Norwegen. Müßig zu sagen, dass der Sohn als Zehnkämpfer und die Tochter im Hochsprung längst als veritable Talente gelten.

Autor: Lutz Kulling

Redaktion: Wolfgang van Kann