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Erfolgsgeschichte

Rolf Wenkel30. Mai 2008

Es ist zwar nicht das höchste Gebäude in der Frankfurter Skyline, aber mit Sicherheit eines der wichtigsten: der Eurotower, in dem die Europäische Zentralbank ihren Sitz hat. Vor zehn Jahren wurde sie gegründet.

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Das EZB-Gebäude in Frankfurt/Main, Quelle: AP
Das EZB-Gebäude in Frankfurt/MainBild: AP

Am Anfang stand eine Prophezeiung, und die stammte vom französischen Ökonomen und Finanzpolitiker Jacques Rouff aus dem Jahr 1950: "Europa wird über die Währung gelingen oder es wird überhaupt nicht gelingen." Erste Überlegungen und Pläne für eine Europäische Währungsunion gab es zwar schon Anfang der 1960 und der 1970er Jahre, doch der Druck zum Handeln kam schließlich von außen.

Willem Duisenberg alias Mr. Euro, Quelle: AP
Willem Duisenberg alias Mr. EuroBild: AP

"Es war in der Folge des Vietnam-Krieges und seiner Finanzierung", erinnert sich der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der damals Finanzminister war. Die Nixon-Regierung hob die Gold-Einlösungspflicht für den Dollar und das Prinzip der festen Paritäten zwischen den Währungen auf – gegen den Widerstand der damaligen Finanzminister Frankreichs und Deutschlands. "Aber wir konnten uns naturgemäß gegenüber dem ökonomischen Gewicht der Vereinigten Staaten nicht durchsetzen", sagt Schmidt.

Währungsunion aus Notwehr

Man kann es also durchaus als Notwehr verstehen, als sich 1972 sechs, später neun Mitglieder der damaligen Europäischen Gemeinschaft zu einem Wechselkursverbund zusammenschlossen. Sie verpflichteten sich, ihre Währungen nur noch in engen Grenzen gegeneinander schwanken zu lassen. Diese Wechselkursregelung sollte den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Ländern der Europäische Gemeinschaft erleichtern und fördern. Erreicht wurde das durch die Interventionspflicht der beteiligten Zentralbanken, gerechnet wurde in einer künstlichen Währungseinheit, der Europan Currency Unit, kurz: ECU.

Jean Claude Trichet, Quelle: dpa
Jean Claude TrichetBild: picture-alliance/ dpa

"Wir hatten damals die unausgesprochen gebliebene Zielvorstellung, später aus dem ECU eine gemeinsame Währung zu entwickeln", erinnert sich Ex-Bundeskanzler Schmidt. Es blieb zunächst ungeklärt, ob dies dann die ausschließliche Währung oder eine Parallelwährung zu den nationalen Währungen werden sollte. Schließlich bereitete Jacques Delors als Präsident der EU-Kommission die Grundlagen für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, die vor zehn Jahren zur Gründung der Europäischen Zentralbank und ein Jahr später zur Einführung des Euro führte.

Noch ein Grund: Die starke D-Mark

Für Karl Otto Pöhl, dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, gab es freilich noch ganz andere Gründe, die schließlich zum Euro und zu einer Europäischen Zentralbank führten – und zwar die Erfolgsgeschichte der D-Mark. Die war nämlich so stabil, dass einige kleine Länder, etwa Holland und Dänemark, ihre Geldpolitik komplett aus der Hand gaben und ihre Währungen an die D-Mark banden. "Die haben gesagt: 'Na ja, wir sind so klein, dass, wenn die Deutschen eine anständige Geldpolitik machen, wir dem auch folgen können.'" Für Frankreich dagegen sei die Geldpolitik eine Prestige-Frage gewesen. "Das ist meines Erachtens einer der wesentlichen Gründe, dass wir eine europäische Währung bekommen haben, in der Länder wie Frankreich an der Geldpolitik mit beteiligt sind", sagt Pöhl. "Heute sind im Europäischen Zentralbankrat alle Notenbanken vertreten."

Vor zehn Jahren, am 1. Juni 1998, nahm die Europäische Zentralbank ihre Geschäfte auf. Ihr erster Präsident, der Niederländer Wim Duisenberg wurde später Mr. Euro genannt. Nicht ganz zu unrecht: Die EZB hat unter seiner Ägide den Euro als Bargeld reibungslos in zwölf Staaten eingeführt und ihm aus dem Stand heraus Stabilität verliehen. "Binnen eines Jahrzehnts hat die EZB den Euro zur zweitwichtigsten Währung gemacht. Das ist historisch einmalig", urteilt zum Beispiel Manfred Weber, Chef des Bundesverbandes Deutscher Banken.

Vorbild war die Bundesbank

Die Deutschen waren daran nicht ganz unbeteiligt. Denn sie hatten darauf bestanden, dass die EZB nach dem Vorbild der Bundesbank geformt wurde. Und das heißt: Sie ist einzig und allein dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet, und sie ist vollkommen unabhängig, keiner darf sich in ihre Entscheidungen einmischen – auch wenn gelegentlich aus Rom oder Paris die Forderung kommt, die EZB möge doch mit einer Lockerung der Geldpolitik die Konjunktur beleben.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt, Quelle: dpa
Altbundeskanzler Helmut SchmidtBild: picture-alliance/dpa

Apropos Paris: Am Anfang hatten sich die Franzosen gegen den Niederländer Duisenberg als EZB-Präsidenten gesperrt. Sie ließen sich nur umstimmen, nachdem sich dieser verpflichtete, nach der Hälfte seiner Amtszeit an den Franzosen Jean-Claude Trichet weiterzugeben. "Das Beste wäre, wenn er nur ein Klon von mir wäre", sagte Duisenberg über seinen Nachfolger. "Denn auch er muss das Äußerste tun, um die Idee von Stabilität und Kontinuität weiter zu tragen. Denn das, was jede Notenbank braucht, ist das Vertrauen der Bevölkerung."

Vertrauen erarbeitet

Das ist dem Franzosen Trichet durchaus gelungen. Heute vertrauen knapp 320 Millionen Europäer dem Euro. In 15 Staaten ist er offizielles Zahlungsmittel, sechs weitere, zumeist kleine Staaten haben ihn stillschweigend eingeführt, ohne eine Stimme im Europäischen Zentralbankrat zu haben – und neue Anwärter warten ungeduldig vor der Tür des exklusiven Währungsclubs. "Von mir aus gesehen darf es getrost noch einmal ein halbes Jahrhundert dauern, bis wir von einer Vollendung der Europäischen Union werden reden können" meint Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. "Der Euro aber, der wird sich schon in weniger als einem Jahrzehnt als eine Weltwährung erweisen."