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Werder in der Abwärtsspirale

Andreas Sten-Ziemons19. September 2016

Keine Punkte, keine Stars, keinen Plan? Nach der Entlassung Viktor Skripniks steht der SV Werder Bremen mal wieder vor einem Neuanfang. Die Gründe für den sportlichen Misserfolg liegen aber nicht nur beim Trainer.

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Enttäuschte Spieler des SV Werder Bremen (Foto: picture-alliance/Sven Simon/F. Hoermann)
Bild: picture-alliance/Sven Simon/F. Hoermann

Der erste Schritt in die richtige Richtung ist gemacht: Werder Bremen hat Viktor Skripnik entlassen. Um einiges zu spät. Der Bremer Karren sitzt bereits nach drei Spieltagen recht tief im Dreck. Die Chance auf belebende Erfolgserlebnisse im DFB-Pokal ist dahin, mit null Punkten und 2:12 Toren die Hypothek für den Tabellenletzten der Bundesliga schon jetzt hoch. Zumal es nicht nur am Trainer gelegen hat, dass es in Bremen nicht läuft. Denn auch der Nachfolger kann nur auf den Kader zurückgreifen, den Sportdirektor Frank Baumann und Co. vor der Saison zusammengebastelt haben. Und dessen Qualität darf durchaus kritisch betrachtet werden.

Fehlende Qualität in der Abwehr

In der Innenverteidigung verließen Jannik Vestergaard (nach Mönchengladbach) und Papy Djilobodji (nach Leihende zurück nach England) den Klub, außerdem ließ man mit Alejandro Galvez (nach Eibar) einen weiteren Innenverteidiger ziehen. Von den vier Nachfolgern konnte bislang nur der aus Darmstadt zurück nach Bremen beorderte Luca Caldirola Bundesligatauglichkeit nachweisen. Dummerweise aber brach sich Caldirola am 2. Spieltag den Knöchel und fällt lange aus.

Damit stehen im Abwehrzentrum zunächst nur noch Fallou Diagne, Niklas Moisander und Lamine Sané zur Verfügung - allesamt keine Spieler, an deren Leistungen sich ein ganzer Defensivverbund orientieren oder aufrichten kann. Zudem sind der Finne Moisander (kam von Sampdoria Genua) und der Senegalese Sané (Girondins Bordeaux) neu in der Bundesliga und müssen sich erst an das höhere Tempo gewöhnen.

Kein Anführer im Mittelfeld

Wer also soll defensiv für Stabilität sorgen? Clemens Fritz konnte es als einer von zwei Sechsern aus dem defensiven Mittelfeld heraus zuletzt nicht. Der Kapitän, der seine Karriere eigentlich im Sommer beenden wollte, dann aber doch noch ein Jahr dranhängte, scheint ohnehin über seinen Zenit hinaus zu sein. Die jungen Mittelfeldspieler wie Robert Bauer oder Florian Grilitsch sind mit der Verantwortung und dem Druck überfordert, den schlingernden Werder-Kahn wieder auf Kurs bringen zu müssen. Der langzeitverletzte Philipp Bargfrede - auch er nicht gerade ein Michael Ballack oder Sami Khedira - wird schmerzlich vermisst. Ein klassischer Anführer, der in kritischen Phasen das Spiel im Zentrum an sich reißt und Ruhe in die Aktionen bringt, fehlt den Bremern seit Jahren. Die Zeiten von Johan Micoud, Diego oder Torsten Frings (gegen Ende seiner Werder-Karriere) sind definitiv vorbei.

Clemens Fritz, Kapitän von Werder Bremen, stützt die Hände auf die Knie (Foto: picture-alliance/ZB/T. Eisenhuth)
Ist Werder-Kapitän Clemens Fritz noch gut genug?Bild: picture-alliance/ZB/T. Eisenhuth

Vage Hoffnung macht Zlatko Junuzovic. Der Österreicher hat den Bremern in der Vergangenheit durch unermüdliche Laufarbeit, zahlreiche Torvorlagen und geniale Standards so manchen Punkt beschert. Da er mit Skripnik überhaupt nicht auf einer Wellenlänge funkte, kam Junuzovic die Freude am Spiel zuletzt abhanden. Er wollte wechseln, blieb dann aber doch. Möglich, dass seine Formkurve nach Skripniks Abgang bald wieder nach oben zeigt.

Schwacher zweiter Anzug im Sturm

Auch im Angriff zeigt sich die Misere der Bremer Kaderbauer: Werder wollte eigentlich etatmäßig mit Claudio Pizarro und Max Kruse im Angriff auflaufen. Ein Sturmduo, mit dem man sich in der Bundesliga nicht verstecken muss. Doch sind die beiden Stamm-Angreifer verletzt, und dahinter stehen kaum tauglichen Alternativen bereit. US-Nationalspieler Aron Johansson hat bisher noch nicht beweisen können, dass er in der Bundesliga verlässlich und regelmäßig für Tore sorgen kann. Bei Justin Eilers, der ebenfalls längere Zeit verletzt ist, muss sich zeigen, ob der Sprung aus der dritten in die erste Liga nicht zu groß war.

Serge Gnabry mit Werder-Trikot (Foto: picture-alliance/nordphoto/Ewert)
Momentan offensiv der einzige Bremer Lichtblick: Neuzugang Serge GnabryBild: picture-alliance/nordphoto/Ewert

Die Nachwuchskräfte Johannes Eggestein und Lennart Thy bekamen ihre Chancen, versagten bislang aber komplett. Den in der vergangenen Saison durchaus überzeugenden Lazlo Kleinheisler, den man nun gut gebrauchen könnte, hat man großmütig nach Darmstadt ausgeliehen, an einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Am meisten Mut macht Rio-Silbermedaillengewinner Serge Gnabry, der, wie bei seinem Tor gegen Gladbach, in der Lage ist, dem biederen Werder-Spiel ein paar geniale Momente beizufügen. Fraglich, ob das reicht, eine ganze Saison zu retten.

Kein Geld, keine Spitzenspieler

Werder Bremen ist ein Paradebeispiel dafür, was mit einem Klub passieren kann, der jahrelang sorgenfrei in der Bundesligaspitze und im Europapokal mitspielt und dann abstürzt. In der erfolgreichen Zeit des Duos Thomas Schaaf/Klaus Allofs landeten die Bremer zwischen 2004 und 2010 nur einmal nicht unter den besten Drei. Seitdem ging es nicht mehr weiter hinauf als Rang neun. Besonders in den vergangenen Jahre bot Werder Flickschusterei. Die Trainerverpflichtungen nach dem - wie bei Skripnik - etwas zu späten Abgang von Thomas Schaaf im Sommer 2013, haben nicht gepasst. Robin Dutt durfte nach seinem Rauswurf in Leverkusen auch in Bremen zeigen, dass er kein Bundesliga-Trainer ist. Skripnik hat das nun auch getan.

Der SV Werder hat ein schönes Stadion mit toller Stimmung und treuen Fans. Auch der Freizeitwert der Stadt ist hoch. Doch deswegen allein kommt kein Top-Spieler mehr an die Weser. Die Bremer sind nicht mehr in der Lage, Spitzengehälter zu zahlen - dementsprechend finden sich auch keine Spitzenspieler mehr in ihrem Kader und so werden auch nur selten Spitzenleistungen geboten. Ein möglicher Weg ist die Ausleihe von Ausnahmespielern, die bei anderen Vereinen auf dem Abstellgleis stehen. Doch ein Volltreffer gelang auf diese Weise in den vergangenen Jahren nur einmal: Kevin de Bruyne kam 2012/2013 für eine Saison aus Chelsea, erzielte für Bremen zehn Tore und gab neun Torvorlagen. Auf den Mannschaftserfolg der Bremer hatte aber auch das keinen entscheidenden Einfluss. Werder wurde am Ende 14.

Und das dürfte auch in dieser Saison ungefähr das höchste der Gefühle sein. Werder Bremen ist derzeit allenfalls ein Kandidat für das untere Tabellendrittel - daran wird auch der noch zu findende Nachfolger des am Montag vorgestellten Interimstrainers Alexander Nouri so schnell nichts ändern.