Welterfolg trotz Premierendesaster
17. Februar 2014
"Ich bin noch immer völlig niedergeschlagen von all dem, was passiert ist, nicht so sehr von dem, was man meiner armen 'Butterfly' angetan hat, als vielmehr von dem Gift, mit dem man mich als Künstler und Mensch bespien hat. Diese Uraufführung war ein danteskes Inferno, seit Langem vorbereitet", schrieb Giacomo Puccini tief verletzt unmittelbar nach der Premiere von "Madame Butterfly" am 17. Februar 1904 an der Mailänder Scala. Das Publikum hatte während der Vorstellung gelacht, gezischt, gepfiffen - und am Ende eisig geschwiegen.
Fernöstliches Liebesdrama
Dabei war Puccini sich sicher, den richtigen Stoff für seine nächste Oper gefunden zu haben, als er im Juli 1900 im Zuge der englischen Erstaufführung der "Tosca" in London dort das Theaterstück "Madam Butterfly" von David Belasco sah.Die Geschichte um einen US-amerikanischen Marineoffizier und eine japanische Geisha, die angeblich auf einen Tatsachenbericht basiert, greift sowohl die Seefahrermoral als auch das damalige koloniale Selbstverständnis auf: Der in Japan stationierte Pinkerton heiratet die junge Cho-Cho-San und lässt sie zurück, als er wieder in die USA geht. Sie wartet treu auf ihn, doch als er kommt, begleitet ihn seine amerikanische Frau - und die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Am Ende verzichtet Cho-Cho-San auf Pinkerton, übergibt ihm das gemeinsame Kind und begeht Selbstmord.
Aufwändige Recherchearbeit
Solche oder ähnliche Geschichten war das Opernpublikum durchaus gewöhnt. Allerdings brachte Puccini das Sujet erstmals im exotischen fernöstlichen Gewand auf die Bühne - und das nicht nur optisch, sondern auch musikalisch.Im Vergleich zu seinen anderen Bühnenwerken betrieb er für "Madame Butterfly" noch vor Kompositionsbeginn umfangreiche Recherchearbeiten: So setzte Puccini sich intensiv mit japanischer Musik auseinander, befragte die japanische Schauspielerin Sada Yacco bei einem Gastspiel in Mailand und wandte sich sogar an die Gattin des Botschafters: "Sie hat mir viele interessante Dinge erzählt und mir Lieder ihrer Heimat vorgesungen. Sie versprach mir, Noten von der Musik ihres Heimatlandes schicken zu lassen."
Über zwei Jahre arbeitete der Komponist intensiv an seiner neuen Oper; im Dezember 1903 konnte er die Partitur abschließen. Überzeugt von dem großen Erfolg des Werkes planten Puccini und sein Verleger Giulio Ricordi, die Premiere als Galavorstellung am 17. Februar des folgenden Jahres an der Mailänder Scala stattfinden zu lassen. Allerdings kam es bereits während der Proben zu Missstimmungen.
Drama um Uraufführung
Ricordi verlangte strikte Geheimhaltung; niemand sollte vor der Premiere von dem Werk irgendetwas erfahren. Giulio Gatti-Casazza, der Direktor der Mailänder Scala, berichtete über die Probenphase: "So waren die Künstler verpflichtet, ihre Partien einzig und allein im Opernhaus einzustudieren. Es war ihnen nicht einmal erlaubt, die Klavierauszüge mit nach Hause zu nehmen.
Bei den Proben war niemand Fremder zugelassen, nicht einmal der Presse war der sonst übliche Zutritt zu den Kostümproben gestattet." Die Geheimhaltungstaktik dürfte nicht nur Kritiker verärgert haben; auch die Gegner Puccinis brachten sich in Stellung. Und so endete die Uraufführung in einem bis dahin einmaligen Fiasko, das nicht nur die Sängerinnen und Sänger, sondern auch den Komponisten tief erschütterte.
Vom Fiasko zum Welterfolg
Allerdings erkannte Puccini auch, dass sein Werk Schwächen hatte: Innerhalb von drei Monaten überarbeitete er die Oper, machte aus den ursprünglich zwei langen Akten drei und nahm erhebliche Kürzungen vor. Diese neue Version von "Madame Butterfly" wurde am 28. Mai 1904 in Brescia von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. Zwei Jahre später erstellte Puccini die letzte Fassung der Oper, die rasch alle Bühnen der Welt eroberte.
Vor allem die Rolle der Cho-Cho-San gehört längst zum Standardrepertoire aller großen Sopranistinnen. Nach der misslungenen Premiere am 17. Februar 1904 schrieb Puccini trotzig: "Madama Butterfly wird bleiben, was sie ist: die seelenvollste, ausdrucksreichste Oper, die ich je geschrieben habe. Und zuletzt werde ich siegen!" Er hat Recht behalten.