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Wege aus der Balkan-Krise

2. Februar 2006

"Protektorate, Investoren und internationale Geldgeber – Wege aus der Balkankrise" war das Thema eines Forums der Südosteuropa-Gesellschaft und der DW.

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Wirtschaftsaufschwung ist gefragtBild: AP

Balkan und Krise - diese beiden Begriffe scheinen untrennbar in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen zu sein. Die Ereignisse in den letzten fünfzehn Jahren, vor allem auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, geben einschlägigen Vorurteilen neue Bestätigung. Wie die Krise auf dem Balkan zu bewältigen wäre - das war das Thema im Rahmen des Forums "Protektorate, Investoren und internationale Geldgeber - Wege aus der Balkan-Krise", veranstaltet von der Südosteuropa-Gesellschaft und der Deutschen Welle.

Bedrohung oder Sorgenkind

Der Balkan - oft erscheint dieser Teil Europas als eine Art "imaginäre" Einheit, ein Gebiet das irgendwie zusammengehört, obwohl die Länder und die Völker doch sehr unterschiedlich sind. Einerseits liegt von Zagreb her gesehen Wien viel näher als Tirana oder Sofia. Aus der Perspektive der westlichen Metropolen liegen aber alle diese Städte irgendwo "unten" auf dem Balkan, und die Länder dort weisen einige zwar gemeinsame, aber leider auch negative Merkmale auf: Kriege, ethnische Spannungen, wirtschaftliche Instabilität, Kriminalität. Seit Jahrhunderten erscheint der Balkan für den Westen entweder als Bedrohung oder als Sorgenkind.

Spätestens nach den Jugoslawien-Kriegen ist aber in Europa die Erkenntnis gewachsen, dass man den Balkan nicht ignorieren darf, wenn man nicht ständige Angst um die eigene Stabilität haben möchte. Europäische Integration - so lautet inzwischen das Zauberwort. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich um Länder, die ihren Weg aus einer sozialistischen Planwirtschaft in die Marktwirtschaft immer noch suchen - alle Irrwege des frühen Kapitalismus inbegriffen. Politisch wollen alle Balkan-Staaten den Anschluss an die EU und die NATO. Beide Projekte bedingen sich gegenseitig, glaubt Peter Danylov, ehemaliger Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Er sagt: "Eine positive wirtschaftliche Entwicklung würde natürlich die politische Entwicklung flankieren, sie stützen, sie stabilisieren. Grundproblem ist nur, dass ohne eine stabile politische Gesamtsituation es schwierig bleibt die Wirtschaft in Gang zu bringen, also die Investitionen ins Land zu holen, Investoren zu gewinnen, Ihnen das Maß an Sicherheit zu garantieren, was notwendig ist damit sie sich überhaupt engagieren."

Wirtschaftlich noch von marginaler Bedeutung

Zur Zeit ist der Balkan für die deutsche und europäische Wirtschaft nur von marginaler Bedeutung. Im vergangenen Jahr war das Handelsvolumen der EU mit allen Balkan-Ländern zusammen geringer als das mit Ungarn alleine, und in dem Jahr zuvor betrugen die Direktinvestitionen auf dem Balkan aus den europäischen Ländern bescheidene 8,2 Milliarden Euro - während gleichzeitig in Polen etwa 32 Milliarden investiert wurden. Grund dafür ist die EU Mitgliedschaft Polens. Deswegen ist für die Staaten des Balkans wichtig, so schnell wie möglich in die EU aufgenommen zu werden, betont Danylov: "Für Rumänien und Bulgarien ist es vielleicht sogar entscheidend, dass es gelingt, den Beitritt schon 2007 zu verwirklichen. Das ist letztlich zur Aufrechterhaltung der sozialen Kohäsion in den Ländern wichtig. Und für Kroatien gilt das im Prinzip auch."

Die heilende Kraft wirtschaftlicher Fortschritte könnte auch in der durch den Krieg verstörten Gesellschaft in Bosnien-Herzegowina Wunder bewirken, glaubt Danylov. Ein gutes Beispiel dafür ist das Engagement des globalen Stahl-Multis "Mittal Steel Group" über ethnischen Grenzen hinweg: "Was mich sehr positiv berührt hat, ist, dass es jetzt offenbar möglich ist, dass ein internationaler Stahl-Gigant - The Mittal Steel Group - sich in Zenica hat einkaufen können mit 51 %, und offenbar sogar in der Lage ist, die Erzvorkommen in der "Republika Srpska" mit für die Gesamtproduktion zu aktivieren. Aus meiner Sicht ist das genau der richtige Weg. Alle Ethnien müssen begreifen, dass sie nur miteinander leben können oder sich jeweils zerstören."

Für die wirtschaftliche Entwicklung der Balkan-Staaten sind große Investoren und internationale Geldgeber sehr wichtig. Jedes Engagement der Weltbank oder der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ermutigt andere Investoren und hat eine gewisse Sogwirkung. Man darf aber auch die zahlreichen Migranten aus den Balkan-Ländern in Deutschland und anderen EU-Staaten nicht vergessen. Sie engagieren sich oft als kleine oder mittelständische Unternehmer in der alten Heimat. Einerseits geben sie damit wirtschaftliche Impulse - doch sie bewirken noch viel mehr, sagt Danylov: "Sie sind ein lebendes Beispiel dafür, dass Integration gelingen kann, und sie sind auch Brücken zwischen noch zwei Welten: der alten EU-Welt in Zentraleuropa, und der möglicherweise neuen EU-Welt auf dem Balkan insgesamt."

EU-Integration ist ein "Muss"

Die EU-Integration ist für den Balkan ein "Muss". Die europäische Perspektive bewirkt beispielsweise, dass Kroatien seine Generäle zum Kriegsverbrechertribunal nach Den Haag ausliefert, dass in Bosnien-Herzegowina ehemalige Kriegsparteien immer mehr zusammenarbeiten und dass Rumänien und Bulgarien gemeinsam eine neue Donaubrücke bauen. Die europäische Tür offen zu halten, aller Skepsis zum Trotz - das wird eine schwierige Aufgabe für überzeugte Europäer in den nächsten Jahren sein. Auf dem Balkan hofft man sehr, dass es gelingen wird.

Zoran Arbutina
DW-RADIO/Bosnisch, 31.1.2006, Fokus Ost-Südost