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Was macht die Jagd auf Joseph Kony?

Birgit Morgenrath21. Januar 2016

Seit zehn Jahren läuft die Suche nach einem der brutalsten Rebellenführer Afrikas. Bis heute fehlt von Joseph Kony jede Spur. Sein Stellvertreter Dominic Ongwen muss sich nun vor dem Weltgericht in Den Haag verantworten.

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Joseph Kony (Foto: picture alliance)
Foto von 2006: Joseph KonyBild: picture-alliance/dpa/Price

"Schlächter von Uganda" - so wird Joseph Kony auch genannt. Er und seine Milizen sollen fast 70.000 Kinder entführt haben. Viele von ihnen nutzten die Rebellen als Lastenträger und ließen sie, sobald sie ihr nächstes Ziel erreicht hatten, wieder laufen. Andere wurden als Kämpfer zwangsrekrutiert. Damit sie nicht fliehen oder in ihre Dörfer zurückkehren konnten, wurden viele Jungen gezwungen, ihre eigenen Mütter zu erschießen. Mädchen und Frauen wurden sexuell ausgebeutet oder zu Ehefrauen der Kämpfer gemacht. Die Milizen der Lord's Resistance Army (Widerstandsarmee des Herrn), LRA, haben Dörfer überfallen, Zivilisten im Norden Ugandas gefoltert und Schätzungen zufolge seit Beginn der Rebellion 100.000 Menschen hingerichtet. Mehr als zwei Millionen Menschen sollen vertrieben worden sein.

Ex-Kindersoldat und Kony-Vertrauter vor Gericht

2012 machte die US-amerikanische Organisation Invisible Children mit einem Film auf diese Schicksale aufmerksam und rief dazu auf, Kony endlich zu stoppen. Das Video wurde fast 100 Millionen Mal geklickt. Inzwischen wird in den Weltmedien nur noch selten über den Fall Kony berichtet. Das könnte sich bald ändern. Konys wichtigster Stellvertreter, Dominic Ongwen, wartet seit Januar 2015 in Den Haag auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Nun wird das Gericht zunächst in einem Vorverfahren klären, ob dafür genug Beweise vorliegen. Ongwen werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Ankläger und Beobachter erhoffen sich von einem möglichen Prozess auch weitere Informationen über die Strukturen der LRA.

Internationaler Strafgerichtshof Fahndungsplakat Dominic Ongwen (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ongwen wurde einst selbst als Zehnjähriger auf dem Schulweg von LRA-Kämpfern verschleppt und als Kindersoldat zwangsrekrutiert. Er stieg innerhalb der christlich-fundamentalistischen Organisation rasch auf, mordete, raubte und vergewaltigte im Namen Konys. Im Januar 2015 stellte sich Ongwen US-amerikanischen Truppen, die die Suche nach Kony unterstützen, auf dem Gebiet der Zentralafrikanischen Republik.

Suche nach der "Nadel im Heuhaufen"

1986 hatte der heute 55-jährige Joseph Kony nach eigenem Bekunden vom "Heiligen Geist" den Befehl erhalten, die LRA zu gründen. Die Miliz will einen christlich-theokratischen Staat in Uganda auf Basis der Zehn Gebote und der Bibel einführen. 2005 erließ der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den selbsternannten Propheten. Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

Soldaten der ugandischen Armee auf der Suche nach Rebellenführer Joseph Kony (Foto: picture alliance/dpa)
Ugandische Soldaten in Zentralafrika auf der Suche nach KonyBild: picture-alliance/dpa/Tylle

Bislang konnte Kony nicht gefasst werden. Er halte sich sehr wahrscheinlich in den Grenzregionen zwischen der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, Sudan und Südsudan auf, vermutet Kristof Titeca, LRA-Experte vom Institut für Entwicklungspolitik an der Universität von Antwerpen. "Es ist eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen", sagt er. Die schwer zugängliche Region sei mit dichten Wäldern bedeckt - ein perfektes Versteck. Um Kony dort aufzuspüren, sei eine große Militärtruppe nötig. Außerdem operierten die vermutlich nur noch 200 Kämpfer in einzelnen Gruppen, weit entfernt von ihrem Kommandeur und pflegten kaum noch Kontakte untereinander.

Wie stark ist die LRA noch?

Trotzdem spricht Titeca von Erfolgen: "Die LRA ist heute am schwächsten Punkt ihrer Geschichte angelangt." Seit 2010 hätten die Entführungen drastisch abgenommen. Über hundert Frauen und Kinder seien aus ihrer Gefangenschaft geflohen, führende LRA-Mitglieder getötet worden. "Manche meinen, dass dieser vermeintliche Sieg die LRA isoliert habe. Andere dagegen sagen, Kony sei immer noch auf freiem Fuß und es würden immer noch Menschen entführt", so Titeca. Deshalb sei es inzwischen sehr viel schwieriger, dem Kampf gegen die LRA international Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Obwohl seine Verfolger internationale Unterstützung bekommen, vor allem von den USA, konnte der Kriegsverbrecher immer wieder entkommen. Kony habe vermutlich auch Schutz durch die sudanesische Armee erhalten, erklärt Titeca. Zwischen 2009 und 2014 hatten die USA 100 Soldaten als Berater in die Region geschickt. Der UN-Sicherheitsrat hatte der Entsendung der Truppen zur Ergreifung Konys und zur Zerschlagung seiner Widerstandsarmee zugestimmt.

LRA-Opfer Sabina Abwo (Foto: picture alliance)
Sabina Abwo - ein LRA-OpferBild: picture-alliance/dpa

Die USA hatten wenig später ein Kopfgeld in Höhe von fünf Millionen US-Dollar auf den Rebellenchef ausgesetzt und laut einem Bericht der "Washington Post" vier Transporter nach Uganda verlegt sowie 150 Soldaten eines Spezialteams der US-Luftwaffe entsandt. Aber, so Titeca, in den Dschungelwäldern habe auch das technische Equipment der US-Armee nicht ausgereicht. Nach der Festnahme von Dominic Ongwen schickte die Afrikanische Union zusätzliche 5000 Soldaten und Entwicklungshelfer, um den Kriegsverbrecher Kony endlich zu finden.

Mit dem Verfahren gegen seinen Stellvertreter Ongwen betritt das Gericht in Den Haag Neuland: "Er ist das erste Verbrechensopfer, das selbst wegen Kriegsverbrechen angeklagt wird", erklärt LRA-Experte Kristof Titeca, "also wird sich der Prozess wohl um die Frage 'Opfer oder Täter?' drehen". Der Internationale Gerichtshof hatte entschieden, dass Kinder unter 18 Jahren, die entführt wurden und Kriegsverbrechen begehen, als Opfer angesehen werden. Ongwen war zehn Jahre alt, als die LRA ihn kidnappte - und 32, als er sich stellte. Das Gericht muss entscheiden, ob und inwieweit er für seine Taten zur Verantwortung gezogen werden kann.