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Was kommt nach Scharon?

5. Januar 2006

Israels Premierminister Ariel Scharon hat schwere Hirnblutungen erlitten. Es scheint absehbar, dass er nicht in die Politik zurückkehren kann. Peter Philipp analysiert mögliche Konsequenzen.

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Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Nachdem Ariel Scharon kürzlich einen leichten Schlaganfall erlitten hatte, griffen seine Ärzte auf Anraten seiner Mitarbeiter zu einer unüblichen Taktik: Sie informierten die Öffentlichkeit detailliert über Art und Umfang des Anfalls und versicherten, dass alles relativ harmlos sei. Die Öffentlichkeit sollte beruhigt werden, dass der fast 78-jährige Premier weiterhin die Dinge in der Hand hat. Besonders wichtig vor dem Hintergrund des Wahlkampfes, der bereits angelaufen ist. Seit Mittwochabend kann solche Offenheit nicht mehr beruhigen: Wie immer die Operationen verlaufen – allen scheint klar, dass Scharon nicht wieder in die aktive Politik zurückkehren wird und dass damit nicht nur die Wahlen vom 28. März in Frage gestellt sind. Sondern die gesamte Lage im Nahen Osten.

Hart und stur

Man mag ja über Scharon denken wie man will, eines kann man nicht leugnen: Wie kein anderer hat er in den letzten fünf Jahren die Geschicke der Region bestimmt oder doch wenigstens mitbestimmt. Durch sein hartes Durchgreifen gegen die Palästinenser, durch die verächtliche Art, mit seinem großen Widersacher Yasser Arafat umzugehen, die große Nähe zu George W. Bush und gleichzeitig die immer wieder demonstrierte Sturheit, mit der er sich über internationale und selbst amerikanische Bedenken hinwegsetzte wie auch über die seiner politischen Weggefährten.

Letztes Beispiel hierfür war Scharons Alleingang in der Frage des Rückzuges aus Gaza. Über dieser Frage ließ er es sogar zum offenen Konflikt im Likud-Block kommen, den er einst zusammengebracht hatte: Des Streits überdrüssig, kehrte er dem Likud den Rücken und gründete eine neue Partei – Kadima – der die besten Chancen für die Wahlen vorhergesagt wurden. Der Name steht für "Vorwärts", man muss nun aber ernsthaft bezweifeln, dass dies die Richtung der nächsten Wochen und Monate sei wird. Noch nämlich ist Kadima nicht viel mehr als Ariel Scharon selbst und eine Gruppe von Getreuen, die ihm gefolgt sind, aber kaum in der Lage sein dürften, Kadima ohne Scharon zum Erfolg zu führen.

Ungute Aussichten

Und die Alternativen sind denkbar schlecht: Im Rest-Likud hat sich Ex-Premier Benjamin Netanjahu an die Spitze durchgesetzt, der nicht nur gegen den Abzug aus Gaza war, sondern der in seiner ersten Amtszeit die Umsetzung des Oslo-Abkommens – und damit die erste echte Chance für einen Frieden – erfolgreich sabotiert hatte. Die oppositionelle Arbeiterpartei wiederum kann die neue Situation kaum nutzen: Ihr neuer Vorsitzender Amir Peretz ist politisch ein unbeschriebenes Blatt und die Wähler dürften in der weiterhin explosiven Lage kaum geneigt sein, sich auf eine solche Unbekannte einzulassen.

Gleichzeitig verschärft sich das politische Durcheinander bei den Palästinensern; sie denken wieder einmal darüber nach, ihre für Ende Januar geplanten Wahlen zu verschieben. Vielleicht könnten Israelis und Palästinenser sich wenigsten in diesem eine Punkt einigen: Dass beide ihre Wahlen verschieben. Denn Positives ist in beiden Fällen nicht zu erwarten. Jetzt wäre es erst einmal wichtig, das eigene Haus in Ordnung zu bringen.