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Warum Kundus?

Felix Steiner27. August 2003

In Berlin ist eine Vorentscheidung gefallen: Die Bundeswehr soll ihren Afghanistan-Einsatz über die Haupstadt Kabul hinaus ausweiten und ab Herbst auch Soldaten im nordafghanischen Kundus. Felix Steiner kommentiert.

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Der Bundesregierung steht eine heftige Debatte ins Haus. Warum sollen deutsche Soldaten nach Kundus? Die Frage ist mehr als berechtigt und - vor allem: Eine schlüssige Antwort bleiben Kanzler und Verteidigungsminister bisher schuldig.

Verantwortung der Bundesregierung

Richtig ist: Der Wiederaufbau und die Stabilität Afghanistans stehen auf des Messers Schneide, solange die Macht der Regierung Hamid Karsais allein auf Kabul beschränkt bleibt. Insofern ist es eine logische Konsequenz, die Präsenz internationaler Truppen, von denen die Macht Karsais und damit der Wiederaufbau weiter abhängig ist, auf andere Teile des Landes auszudehnen. Richtig ist auch, dass sich die Bundesregierung als Initiator der Petersberger Konferenz, die im Dezember 2001 einen Fahrplan für die Zukunft Afghanistans entworfen hat, in dieser Frage besonders in die Pflicht genommen fühlen muss.

Warum ist die Wahl auf Kundus gefallen?

Über mehrere Wochen hinweg waren deutsche Erkundungsteams in Afghanistan unterwegs. Es wurden Einsatzorte geprüft und wieder verworfen. Der Grund: zu gefährlich, die deutschen Soldaten seien zu großen Risiken ausgesetzt. Kundus dagegen gilt als vergleichweise sicher. Natürlich ist es richtig, dass die Bundesregierung die deutschen Soldaten keinen unverantwortlichen Risiken aussetzt. Aber dennoch drängt sich die Frage auf, ob die wenigen Soldaten, die künftig außerhalb Kabuls eingesetzt werden sollen, ausgerechnet dort gebraucht werden, wo Sicherheit und Stabilität ohnehin schon gewährleistet sind.

Und so liegt ein beinahe zynischer Verdacht nahe: Der Bundeswehr-Einsatz in Kundus ist ein Alibi-Einsatz. Ein Alibi-Einsatz, das die Bereitschaft Deutschlands zu internationalem Engagement unterstreichen, jede Anfrage zu einem militärischen Beitrag Deutschlands im Irak im Keim ersticken und eine Brücke für eine Wiederannäherung Berlins an Washington bilden soll. Ein Alibi-Einsatz, der aber nicht verdecken kann, dass es ein wirklich tragfähiges Konzept für den wiederaufbau und die Stabilisierung Afghanistans bisher nicht gibt - nicht in Berlin, nicht in Washington und auch nicht in New York bei den Vereinten Nationen.

Sicherheitsrat in Zugzwang

Der Bundeskanzler hat den Ball jetzt an den Sicherheitsrat nach New York gespielt. Dort muss nach seiner Ansicht nun schnellstmöglich über die Ausweitung des ISAF-Mandats über den Großraum Kabul hinaus entschieden werden, die Voraussetzung für den Bundeswehr-Einsatz in Kundus ist. Es bleibt die vage Hoffnung, dass sich der Sicherheitsrat mit einem halbherzigen Konzept, das in Wirklichkeit gar keines ist, nicht zufrieden gibt.

Das ist die internationale Staatengemeinschaft Afghanistan schuldig. Das ist die Bundesregierung aber auch den deutschen Soldaten schuldig, die sie jetzt in eine vermeintlich sicherere Region schicken will. Leib und Leben für einen Einsatz zu riskieren, der vermutlich nichts wirklich bewirken wird - dieser Preis ist zu hoch.