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Wahlkampf-Endspurt in Griechenland

Jannis Papadimitriou15. September 2015

Linke und Konservative liefern sich bei der Parlamentswahl in Griechenland wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Alt gegen Neu, so lautet die Devise im Wahlkampf. Im TV-Duell kommen sich die Kontrahenten jedoch etwas näher.

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Griechenland - TV-Duell Tsipras gegen Meimarakis (Foto: REUTERS/Michalis Karagiannis)
Bild: Reuters/M. Karagiannis

Sie könnten nicht unterschiedlicher sein: Einerseits der 40-jährige Ex-Linkspremier Alexis Tsipras, der europaweit gegen die Sparpolitik kämpft und die Wahl im Januar mit dem Versprechen gewonnen hat, Griechenland von den Fesseln der Spardiktate zu befreien. Andererseits der 62-jährige Evangelos Meimarakis, ein Konservativer alter Prägung, der eine Verständigung mit den EU-Partnern will. Noch vor sechs Wochen hatte der große Charismatiker Tsipras, damals unbestrittener Chef seiner Syriza-Linkspartei, bei allen Umfragen einen scheinbar uneinholbaren Vorsprung.

Doch seitdem ist einiges passiert in Hellas: Mitte August verabschiedete das Parlament ein neues Sparpaket, nicht zuletzt mit den Stimmen vieler Syriza-Abgeordneten. Daraufhin kam es zur Parteispaltung. Die Abweichler gründeten ihre eigene linksradikale Partei mit dem bezeichnenden Namen "Volkseinheit". Davor noch wurden die griechischen Banken vorübergehend geschlossen. Zudem wurden Kapitalkontrollen eingeführt, die, entgegen damaliger Zusicherungen, immer noch andauern. Die Folge von alledem: Allmacht und Vorsprung Tsipras' schmelzen dahin.

Flucht nach vorn

Im TV-Duell der Spitzenkandidaten am Montagabend ergriff Tsipras die Flucht nach vorne und spielte seine höchste Trumpfkarte aus: Er sei der neue, unverbrauchte Kopf in der griechischen Politik. Sein Herausforderer stehe dagegen für ein Parteisystem, das seit 40 Jahren die Regierung stellt und habe deshalb nicht den Mut, mit Korruption und alten Verflechtungen abzurechnen. "Welche Partei hat Schwarzgelder von Siemens kassiert? Welche prominenten Fälle von Steuerhinterziehung wurden aufgedeckt zu Ihrer Regierungszeit?" donnerte Tsipras angriffslustig.

Meimarakis erinnerte an die sogenannte Lagarde-Liste mit den Namen von über 2000 griechischen Kontoinhabern in der Schweiz, die 2010 von der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde an ihren Athener Amtskollegen übergeben wurde. "Mit Hilfe dieser Liste haben wir immerhin Steuernachzahlungen von 35 Millionen Euro eingestrichen. Sie haben dagegen noch keinen einzigen Schuldigen zur Verantwortung gezogen" empörte sich der Oppositionschef.

Menschen schauen auf der Strasse TV-Duell Tsipras gegen Meimarakis (Foto: REUTERS/Paul Hanna)
Auch nach der Wahl wird die Realität in Griechenland hart bleibenBild: Reuters/P. Hanna

Annäherung beim Sparkurs

Alt gegen Neu, so lautet die Devise im Wahlkampf. Bei der letzten Wahl vor acht Monaten drehte sich alles nur noch um Zahlen, Zahlfristen und das hässliche M-Wort: Das "Memorandum der Sparpolitik". Damit war der von den Kreditgebern vorgegebene Sparplan gemeint, den Tsipras nach seinem Amtsantritt "zerreißen" und "mit einem einzigen Gesetz" abschaffen wollte. Davon ist heute keine Rede mehr.

Dennoch verlaufen die Trennlinien in der griechischen Politik weiterhin nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen Befürwortern und Gegnern des Memorandums. Und wenn schon die Linken ein Memorandum mitunterzeichnen, könnten sie gleich mit den Konservativen mitregieren, findet der konservative Oppositionschef. Tsipras blockt ab: "Unser Land bekommt entweder eine progressive oder eine konservative Regierung", erklärt er im TV-Duell. Eine Große Koalition mit Herrn Meimarakis wäre dagegen "unnatürlich" meint Tsipras und führt als Beispiel die von seiner Linkspartei angestrebte Umstrukturierung der griechischen Schulden an: "Die Konservativen sagen, die Schulden seien nachhaltig. Aber wie willst du eine Neuverhandlung der Schulden verlangen, wenn sie angeblich nachhaltig sind? Da sehen Sie, es gibt wesentliche Unterschiede zwischen unseren Parteien".

Probe für den Paartanz?

Viele glauben, eine ernst gemeinte Absage sähe anders aus. Panagiotis Lafazanis, Chef der aus Syriza hervorgegangenen linksradikalen Partei "Volkseinheit" meint sogar, das TV-Duell sei nichts anderes als eine "Probe für die gemeinsame Regierung", mit den Konservativen gewesen. Über den einstigen Spargegner und Weggefährten Tsipras lästert Lafazanis, er habe einen Rückzieher gemacht und "alle lachen darüber".

Politanalyst Pavlos Tsimas sieht allerdings keine Notwendigkeit für eine Große Koalition, da sämtliche kleinere Parteien den Einzug ins Parlament schaffen und sich den Großen als Juniorpartner andienen würden. "Festzuhalten ist jedenfalls, dass wir nach der Wahl eine Koalitionsregierung bekommen" sagt Tsimas im TV-Sender Skai. Wichtig sei, dass der Streit um die Sparpolitik nachgelassen habe. "Die Kontrahenten gehen mittlerweile davon aus, dass dieses Memorandum möglichst schnell und entschlossen umgesetzt werden soll. Darüber hinaus versuchen sie vielleicht hier und da zu doch noch zu glätten oder nachzuverhandeln" sagt der Analyst.

Griechenland - TV-Duell Tsipras gegen Meimarakis (Foto: REUTERS/Michalis Karagiannis)
Erbitterte Gegner - und später vielleicht doch Partner: Tsipras gegen MeimarakisBild: Reuters/M. Karagiannis

Ob Änderungen möglich sind? Tsipras ist davon überzeugt und erklärt im TV-Duell, die Vereinbarung mit den Geldgebern sei "wie ein lebender Organismus". Offen seien noch wichtige Fragen - insbesondere die Arbeitsmarktreform, eine Neugründung des Privatisierungsfonds, die Öffnung des Energiemarktes, die Abschreibung fauler Kredite bei griechischen Banken und eine Neuregelung der Schulden.

Zurückhaltung bei den Konservativen

Es war die erste TV-Debatte zwischen Regierungs- und Oppositionschef in Griechenland seit 2009. "Punktsieg für Tsipras", titelt heute die linksliberale Zeitung der Redakteure. Das konservative Blatt Eleftheros Typos sieht dagegen Meimarakis als Duell-Sieger. Für Überraschung sorgt jedenfalls die Zurückhaltung des Oppositionschefs bei Wahlversprechen. Auf wiederholte Fragen nach möglichen Renteneinschnitten erklärte der Herausforderer mit Hinweis auf die jüngste Kreditvereinbarung lapidar, da sei "nichts zu machen"- jedenfalls nicht vor 2016.

Politanalyst Stratos Ballis kommentiert dazu im TV-Sender Skai: "Es war wie ein Schock. Diese Aussage hat Meimarakis schon vor einer Woche auf der Handelsmesse von Thessaloniki gemacht und nun auf Anfrage wiederholt. Es ist nicht leicht, eine Woche vor der Wahl in die Öffentlichkeit zu treten und zu erklären: Leute, da können wir nichts machen, wir müssen uns an den Zusagen der Vorgängerregierung halten…"