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Wachsendes Unruhepotenzial unter europäischen Jugendlichen

Angela Göpfert29. März 2006

Während in Paris die Jugendlichen randalieren, tagen die EU-Jugendminister im beschaulichen Bad Ischl zur Musik des österreichischen Jugendblasorchesters. Verliert die EU jetzt endgültig den Kontakt zur Jugend?

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Die Jugendproteste in Frankreich radikalisieren sichBild: AP

Von Mittwoch bis Freitag (29.3.2006 bis 31.3.2006) treffen sich im österreichischen Bad Ischl all jene Minister, die für Familien, Frauen, Jugendliche und andere "gesellschaftliche Randgruppen" zuständig sind. Um es mit den Worten von Altbundeskanzler Gerhard Schröder zu sagen: die EU-"Gedönsminister". Geladen sind sie in ihrer Funktion als Jugendminister, um bei dem informellen Treffen über das Thema "Jugendbeschäftigung" zu diskutieren. Zur Einstimmung auf das Thema werden sie zunächst der Jugendhymne des oberösterreichischen Jugendblasorchesters lauschen.

Ob beabsichtigt oder nicht: Allein mit der Musikwahl setzen die EU-Jugendminister ein deutliches Zeichen, welche Jugendlichen sie mit ihrer Politik überhaupt noch anzusprechen zu hoffen. Dazu zählen wohl kaum die protestierenden Jugendlichen in Frankreich, die am "schwarzen Dienstag" (28.3.2006) wieder mit Kundgebungen, aber auch mit Randalen eine Einschränkung des Kündigungsschutzes für junge Arbeitnehmer zu verhindern suchten.

Politiker lernen die Tugend des Zuhörens

Bad Ischl Kongress und Theaterhaus
In Bad Ischls tagt sich's in netter Atmosphäre - und weit weg von randalierenden JugendlichenBild: Bad Ischl Kongress & Theaterhaus

"So wird den Jugendlichen wenigstens zugehört. Das ist mehr, als sie jemals zuvor von den Politikern erwarten konnten", lautet der lakonische Kommentar von Dieter Rucht, Leiter der Forschungsgruppe "Zivilgesellschaft, Citizenship und politische Mobilisierung in Europa" am Wissenschaftszentrum Berlin.

Tatsächlich scheint es für Jugendliche in Europa schwer zu sein, sich über den Gang durch die Institutionen politisches Gehör zu verschaffen, denn: "Von den nationalen und den EU-Politikern wird viel zu wenig anerkannt, welchen Wert Jugendliche für die Gesellschaft haben und welche Bereitschaft es bei ihnen gibt, sich aktiv an Problemlösungen zu beteiligen", sagt Detlef Raabe, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings.

"Politische Impotenz" fördert das "Unruhepotenzial"

Zudem befinden sich die Jugendlichen in einer schwachen Ausgangsposition: "Die Jugendlichen sind nicht in den Arbeitsmarkt integriert und können daher auch nur schwer Ansprüche durchsetzen", betont Cornelia Dörries vom Jugendkomitee des Europäischen Gewerkschaftsbundes.

Diese "politische Impotenz" geht eine ungute Mischung mit den schlechten beruflichen Perspektiven für junge Menschen in Europa ein: "Europaweit braut sich ein Unruhepotenzial unter den Jugendlichen zusammen", warnt Jugendforscher Rucht. "Das Kollektivbewusstsein unter den Jugendlichen über ihre miese Arbeitsplatzsituation wächst."

Europaweite Jugendbewegung nicht in Sicht

Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt Posaune
Den EU-Jugendministern bläst niemand den MarschBild: picture-alliance / ZB

Doch im Moment bestimmt das Bewusstsein vielleicht das Sein, aber noch lange nicht das Handeln der Jugendlichen in Europa. Denn wer kennt sie nicht: die Mittzwanziger, die nach Ende ihres Studiums ein unbezahltes Praktikum an das nächste reihen? Trotzdem begreifen sie die anderen Bewerber um die wenigen vorhandenen Arbeitsplätze - und seien sie noch so prekär - meist als Konkurrenten statt als Leidensgenossen.

"Die mangelnde Solidarität unter den Jugendlichen verhindert eine europäische Jugendbewegung, die diesen Namen wirklich verdient", sagt Jugendexperte Rucht. Und so können sich die EU-Jugendminister in Bad Ischl ruhig zurücklehnen: Dass ihnen eine europaweite Jugendbewegung den Marsch bläst, brauchen sie vorerst nicht zu befürchten.