1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Schwarzer Dienstag" in Frankreich

28. März 2006

Massendemonstrationen, Streiks und Ausschreitungen: So sah es am landesweiten Aktionstag gegen die umstrittene Arbeitsrechtsreform von Dominique de Villepin aus. Der Premier selbst löste im Parlament einen Eklat aus.

https://p.dw.com/p/8AaR
Verschärfte Polizeikontrollen in ParisBild: AP

Mehr als drei Millionen Menschen demonstrierten am Dienstag (28.3.) gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes für Berufsanfänger. Es war der vierte landesweite Aktionstag.

Krawalle in mehreren Städten

Generalstreik in Frankreich Bahnhof Paris
Nur die Hälfte aller Züge rollt derzeit durch FrankreichBild: AP

Branchenübergreifende Streiks legten das öffentliche Leben in weiten Teilen lahm. Am Rande der bislang größten Massenkundgebungen gegen die Arbeitsrechtsreform gab es in mehreren Städten gewalttätige Ausschreitungen. In Paris kam es bei der Ankunft des Protestzuges am Platz der Republik zu Zusammenstößen zwischen etwa hundert Randalierern und den Ordnungsdiensten der Gewerkschaften. Bereits zu Beginn der Kundgebung mit mehreren hunderttausend Teilnehmern hatte es Krawalle gegeben.

Der Polizei konnte nicht verhindern, dass gewaltbereite Vorstadt-Jugendliche nach Paris fuhren: Vor den Augen der Sicherheitskräfte versammelten sich 100 bis 150 Jugendliche in Savigny-sur-Orge und bestiegen einen Zug in einen Nachbarort. Dort versorgten sie sich offenbar mit Steinen, kamen kurz darauf mit einem anderen Zug zurück und begannen, Bereitschaftspolizisten zu bewerfen. Die schossen mit Tränengas zurück und nahmen rund 20 junge Randalierer fest. Etwa hundert konnten aber einen Zug besteigen und nach Paris fahren.

Bereits am Donnerstag (23.3.) hatten 1000 bis 2000 Randalierer eine Demonstration in Paris genutzt, um am hellichten Tage Geschäfte zu plündern, Autos zu zerstören und Passanten auszurauben.

Dominique de Villepin sorgt für Eklat im Parlament

Derweil kam es im französischen Parlament bei der Befragung von Premierminister Dominique de Villepin zu einem Eklat. Die Zentrumsfraktion der UDF verließ geschlossen den Saal, weil der Regierungschef nur auf eine Frage aus der eigenen UMP-Fraktion selbst antwortete. Die Antworten auf Fragen von UDF, Sozialisten und Kommunisten delegierte er an Kabinettskollegen.

"Der Premierminister war nur bereit, auf Fragen der UMP zu antworten. Das zeigt gut, dass er einen exklusiven Dialog mit der UMP führt", erklärte der UDF-Sprecher François Sauvadet. "Man führt kein Land, indem man sich starrköpfig zeigt. Vor allem, wenn Hunderttausende auf den Straßen sind", sagte er unter Hinweis auf die Massendemonstration in Paris und die landesweiten Streiks.

Premier bleibt stur – Kritik wächst

Frankreichs Premier Dominique de Villepin mit Studenten Studentenstreik
Dominique de Villepin am 20. März im Gespräch mit Studenten und arbeitslosen JugendlichenBild: AP

Villepin sagte vor den Abgeordneten seiner Regierungspartei, es komme nicht in Frage, den Ersteinstellungsvertrag (CPE) "zurückzunehmen". Kernpunkt der Reform ist die Möglichkeit für Mittel- und Großbetriebe, Berufsanfängern innerhalb einer zweijährigen Probezeit ohne Angaben von Gründen zu kündigen. Die CPE-Kritiker sehen bei Kündigungen ohne Grund vielfältige Missbrauchsmöglichkeiten für die Arbeitgeber.

Auch Villepins Rivale aus dem eigenen Lager, Nicolas Sarkozy, fällt dem Regierungschef immer unverhohlener in den Rücken und plädiert für Verhandlungen. "Sozialer Dialog ist wesentliche Bedingung für den Erfolg jeder Reform", rügt Sarkozy den Kontrahenten. Villepin hatte die Arbeitsrechtsreform praktisch im Alleingang durchgeboxt.

Falls das Land mit seinen blockierten Schulen und Hochschulen noch mehr ins Chaos abrutscht, dürften auch die Konservativen von ihm abrücken. So dringt die Regierungspartei UMP auf Gespräche mit den Reformgegnern.

Gewerkschaften lehnen Gespräche ab

Die führenden Gewerkschaften haben ein neues Gesprächsangebot des Premiers für Mittwoch (29.3.) abgelehnt. Villepin bedauerte, dass die Gewerkschaften seine zu Gesprächen "gereichte Hand" zurückwiesen.

Der Premierminister hatte die Gewerkschaften und Studentenverbände am Vorabend des Aktionstages schriftlich eingeladen, mit ihm über "Anpassungen" der Reform zu sprechen. Die nach Mitgliedern größte Gewerkschaft CFDT hatte das Gesprächsangebot ebenso wie die sozialistische Arbeitnehmervertretung Force ouvrière (FO) bereits am Montagabend ausgeschlagen. Die Gewerkschaften betonten, sie sähen nach einem ersten Treffen am vergangenen Freitag (24.3.) keinen Sinn in weiteren Gesprächen, solange Villepin seine Reform nicht zurückziehen wolle. (je)