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Wie eine Katholikin den Islam entdeckte

25. August 2009

Elisabeth Müller ist vor sieben Jahren zum Islam übergetreten. Seitdem musste die frühere Katholikin gegen viele Widerstände ankämpfen. Heute betreibt sie Aufklärungsarbeit für ihre neue Religion.

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Muslima ohne KopftuchBild: DW

Die "Selimiye Camii"-Moschee im rheinischen Niederkassel sieht aus wie viele andere muslimische Gebetshäuser. Hohe weiße Säulen umgeben den hellen Innenhof, ein hohes Minarett streckt sich hinter dem Hauptgebäude in den Himmel. Die an diesem sonnigen Augustmittag zum Gebet erschienen Herren sprechen in aller Regel Türkisch. Zumindest wenn Elisabeth Müller gerade nicht hinhört. Denn sie ist als deutsche Rentnerin des Türkischen nicht mächtig – und geht trotzdem selbstverständlich in der muslimischen Gemeinde ein und aus. "Hallo Orhan, wie geht’s den Kindern", begrüßt sie Orhan Kangöz, ein Vorstandsmitglied der Gemeinde nach dem Mittagsgebet. Wenn die 68-Jährige die Moschee besucht, dann unterhalten sich die Männer ganz selbstverständlich mit der "Abla", ihrer muslimischen Schwester mit dem Namen Müller.

Bruch mit der katholischen Kirche

Selimiye Camii Moschee
Die Moschee in Niederkassel setzt auf OffenheitBild: DW

Schon seit sieben Jahren ist sie Muslima. Ein Blick in Müllers Vergangenheit lässt allerdings staunen, dass gerade sie zum Islam gefunden hat. Als Kind sei sie "fundamentalistisch" katholisch erzogen worden. Doch bereits vor fast vierzig Jahren wandte sie sich ab von ihrer alten Religion. Vor allem die Haltung des Vatikans zu Verhütungsmitteln in Afrika wollte sie nicht mehr mittragen: "Das ist in meinen Augen Mord", sagt Müller. Seitdem sei sie immer auf der Suche nach ihrer Religion gewesen. Durch ein Seminar an der Universität Bonn ist die Rentnerin dann auf den Islam aufmerksam geworden. Sie war schließlich eine von acht, die ihr Islaminteresse zum festen Glauben machen wollten: "Irgendwann hab ich gemerkt, das ist das Richtige, die Religion des Friedens, der Liebe, der Barmherzigkeit", erklärt Müller. Auch das Fehlen eines obersten Verantwortlichen wie dem katholischen Papst faszinierte sie.

Keine Akzeptanz von den Parteigenossen

Im Jahr 2002 sprach sie ihr Glaubensbekenntnis, behielt ihren Übertritt zum Islam zunächst aber für sich. Nicht einmal ihrem Mann, einem Christen, hat sie sofort davon erzählt. Auch wenn der sie heute in ihrem Glauben unterstützt, war Müller damals besorgt, er würde versuchen, sie von ihrer Entscheidung abzubringen. "Ich hab immer gesagt: Das ist meine ureigenste Sache, was ich glaube. Das geht niemanden etwas an", sagt sie. Dass diese Vorsicht angebracht war, zeigte sich in den Reaktionen ihrer Mitmenschen. Selbst die Genossen der SPD wollten Müllers Entscheidung nicht akzeptieren, als sie sich im Jahr 2006 erstmals offen zum Islam bekannte: "Als das rausgekommen ist, ging sofort die Mobberei los. Mit so jemandem könne man bei dem Frauenbild im Islam nicht zusammenarbeiten." Daraus hat Müller, nach 25 Jahren Mitgliedschaft in der SPD, Konsequenzen gezogen. Vor drei Jahren ist sie ausgetreten. Ihren Sitz im Stadtrat will sie bis zur Kommunalwahl Ende August jedoch noch beibehalten.

Muslimische Gläubige
In der Regel sprechen die älteren Gläubigen Türkisch, es sei denn, Müller hört zuBild: DW

Die Angriffe christlicher Mitmenschen kontert sie mittlerweile mit links: Abschottung, Frauenunterdrückung, Fundamentalismus - das seien Vorurteile. Sie selbst bedeckt ihr Haar ausschließlich zum Beten, weil sie sich damit besser konzentrieren könne. Das Symbol Kopftuch hält sie für überbewertet. Und trotzdem zollt sie den Muslima Respekt, die das Kopftuch selbstbewusst tragen, entgegen aller Widerstände: "Ich hab das mal zwei Tage lang gemacht, bin mit Kopftuch in Bonn einkaufen gegangen und hab dann gemerkt, wie man behandelt wird. Das ist grausam."

In der muslimischen Gemeinde in Niederkassel wurde Müller vor sieben Jahren mit offenen Armen aufgenommen. Auch wenn die Überraschung zunächst groß war in der "Selimiye Camii"-Moschee, sagt Orhan Kangöz, Vorstandsmitglied der Gemeinde: "Wir haben uns sehr gefreut".

Begeistert vom Gemeinschaftsgefühl

Orhan Kangöz und Elisabeth Müller
Orhan Kangöz hat sich über Müllers Beitritt sehr gefreutBild: DW

Elisabeth Müller selbst freut sich nun jeden Tag auf die fünf muslimischen Gebete und liest häufig im Koran. Auch den Fastenmonat Ramadan feiert sie gemeinsam mit ihren religiösen Brüdern und Schwestern und packt beim abendlichen Fastenbrechen im Gemeindehaus mit an. Zwar darf Müller in ihrem Alter nicht mehr fasten, allerdings spendet sie Geld, mit dem sich ein Bedürftiger täglich Lebensmittel kaufen kann. Besonders diese Solidarität und das Gemeinschaftsgefühl begeistern Elisabeth Müller am Ramadan.

In der Gemeinde in Niederkassel ist sie inzwischen als ganz normale Muslima anerkannt. Naja, so ganz normal ist sie dann doch nicht. Denn so viel Werbung hat in der rheinischen Kleinstadt wohl nie jemand für den Islam gemacht, allen Vorurteilen zum Trotz.

Autor: Moritz Schröder

Redaktion: Stephanie Gebert