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Vier gelbe Karten für Ungarn - EU-Länderbericht

10. November 2003
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Budapest, 10.11.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Der letzte umfassende EU-Länderbericht vor dem Beitritt, der am Mittwoch (5.11.) veröffentlicht wurde, erteilt Ungarn vier gelbe Karten. Alle vier kritisieren Ungarns Anstrengungen im Bereich Landwirtschaft. Wenn für die Probleme keine Lösungen gefunden werden, könnte Ungarn Fördermittel verlieren. Insgesamt ist der Bericht jedoch positiv.

Die zehn Beitrittsländer erhielten insgesamt 39 gelbe Karten von der Kommission. Ungarn belegt mit seinen vier Kritikpunkten den sechsten Platz unter den Neumitgliedern. Spitzenreiter ist Slowenien mit einer Verwarnung, das Schusslicht bildet Polen.

Immerhin will die EU gegenüber Ungarn keine Schutzklauseln anbringen, was manche Beobachter befürchtet hatten. Der Bericht kritisiert folgende Versäumnisse: Die Behörde, die als Auszahlungsstelle für die Agrar-Fördermittel dienen soll, ist noch immer nicht arbeitsfähig; der Ausbau des Verwaltungssystems und Kontrollsystems für die landwirtschaftlichen Betriebe hat ebenfalls Verspätung; die Institutionen für die regionale Entwicklung sind nicht koordiniert und die Lebensmittelverarbeitungsbetriebe entsprechen nicht den EU-Gesundheitsstandards.

Die Kommission stellte zudem 31 kleinere Versäumnisse fest. Auch hier besteht vor allem im Bereich Landwirtschaft Nachbesserungsbedarf. So sind das Weingesetz und die Regelung zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln noch lückenhaft. Den Empfang der Regionalfördermittel behindert vor allem die aufgeschobene Reform des Staatshaushalts und die mangelnde Müllverarbeitung der Kommunen. Die Kommission kritisiert auch das Personalkarussell in Ministerien, Behörden und Staatsunternehmen nach jedem Regierungswechsel. Wichtige Gesetze müssen noch geschaffen oder modifiziert werden, wie jene zum Asylrecht, ein Diskriminierungsverbot und ein Mediengesetz.

Der Bericht erwähnt zudem wieder das Problem der Korruption und der Geldwäsche. Ihre Bekämpfung weise zwar Fortschritte auf, aber die Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen sei noch nicht ausreichend. Eher in einem neutralen Ton erwähnt der Bericht das Chaos um die Bankenaufsicht und die Unabhängigkeit der Medien. Die Sparpolitik der Regierung wird zwar gewürdigt, aber die mangelnde Konsequenz der Nationalbank bei der Stabilisierung des Forint-Kurses bemängelt. Zum Statusgesetz stellt der Bericht fest, dass es jetzt EU-konform sei, seine Anwendung aber noch mit den Nachbarstaaten vereinbart werden müsse.

Außenminister László Kovács zufolge zeichne der Bericht ein günstiges Bild von Ungarns Beitrittsvorbereitungen: "Ich bin zuversichtlich, dass die im Landwirtschaftsbereich festgestellten Mängel bis Mai behoben werden". Der Fidesz (Bund Junger Demokraten – MD)-Abgeordnete József Szájer meinte hingegen, dass Ungarn eine hart formulierte Mahnung von der Kommission bekommen habe. "Die Regierung kann sich nicht darum herumdrücken, dass der ehemalige EU-Musterknabe stark nach hinten durchgereicht worden ist", sagte er.

Uneinigkeit herrscht zwischen Regierung und Opposition auch beim Wahlgesetz zum Europaparlament. Der vorgelegte Entwurf scheiterte am Widerstand der Opposition. Lediglich Teile des Gesetzes nahm das Parlament an, aber über die Regelung der Teilnahme der Ungarn im Ausland konnte keine Einigung erzielt werden. Die Sozialisten lehnten den Vorschlag des Fidesz als "zu teuer" ab, bei der Abstimmung im Juni auch an den Auslandsvertretungen Ungarns Wahlkommissionen aufzustellen. (fp)