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Versöhnen und schweigen

Bernd Riegert1. Juni 2003

US-Präsident George W. Bush ist auf Schmusekurs mit den Europäern. Und die Europäische Union macht es ihm einfach, dem "Alten Kontinent" auf der Nase herumzutanzen, meint Bernd Riegert.

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Vor seiner Reise nach Europa hatte der amerikanische Präsident George W. Bush die Devise ausgegeben, nach dem Zerwürfnis über den Irak-Krieg sollte sich die Weltgemeinschaft jetzt wieder lieb haben - zu seinen Bedingungen.

In St. Petersburg konnte Bush nach seinem Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen ersten Liebesbeweis einheimsen. Obwohl Putin die völkerrechtliche Legitimation für den Irak-Feldzug verweigert hatte und mit Frankreich und Deutschland eine Koalition der Unwilligen schmiedete, erklärten Russland und Amerika jetzt, man wolle im Irak gemeinsam wirken. Die Beziehungen seien sogar besser als vorher, so Putin. Das Geschäft mit der Ölförderung für russische Firmen im Irak winkt.

Beim G8-Gipfel im französischen Evian plant Bush eine etwas bescheidenere Versöhnung mit Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac. Nur der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder geht leer aus. Bush handelt offenbar nach der Empfehlung seiner Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice: Liebe die Russen, strafe die Franzosen ein wenig, aber ignoriere die Deutschen. Damit ist auch die Koalition der Unwilligen zerfallen, von einer Achse Paris, Berlin, Moskau kann nicht mehr die Rede sein.

Die Europäische Union machte es bei ihrem Gipfeltreffen in St. Petersburg den USA einfach, ihren "Versöhnungsfeldzug" durch Europa fortzusetzen. Die EU ist nämlich nach wie vor gespalten und zu einer gemeinsamen Außenpolitik nicht fähig. Der kleinste gemeinsame Nenner heißt nun: Wir müssen uns mit den übermächtigen USA wieder irgendwie arrangieren.

Die jüngste Diskussion im europäischen Konvent, der sich nicht auf die Grundstrukturen einer gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik einigen kann, sendet den Amerikanern ein - aus europäischer Sicht - verheerendes Signal. Das lautet: Die USA können sich auch weiterhin im uneinigen Europa je nach Bedarf die passende Koalition für ihre politischen Ziele zusammen suchen.

Für Deutschland ist die Lage dabei wenig angenehm. Nachdem Russland und Frankreich nun erfolgreich Aussöhnung mit den USA betreiben, wird schon der simple Händedruck zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Bush als kleine Sensation gewertet. Schröder ist isoliert.

Offenbar sind die Europäer bereit, sich vom Weißen Haus auf der Nase herumtanzen zu lassen. Wie anders ist es zu erklären, dass die versammelten Staats- und Regierungschefs George W. Bush - zumindest öffentlich - nicht gefragt haben, wo die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Iraks denn nun sind. Ein maßgeblicher Berater des Präsidenten, der Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, streitet ab, dass die Massenvernichtungswaffen je ein wichtiger Kriegsgrund waren.

Das ist ein starkes Stück, das eine europäische Antwort braucht. Schließlich hatten die USA genau das monatelang behauptet. Der amerikanische Außenminister Colin Powell hatte versucht, dies im Weltsicherheitsrat zu beweisen. Doch angesichts der Durchsetzungskraft der Supermacht schweigen EU, Beitrittskandidaten und Russland betreten. Willkommen in der neuen Weltordnung, in der die USA mit vorbeugenden Militäraktionen ihre Interessen durchsetzen werden.