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US-Wahlkampf ist Nebensache

30. Oktober 2004

Im US-Wahlkampf ist der Irak eines der größten Streitthemen. Der Großteil der Iraker hingegen interessiert sich kaum dafür, wer aus dem Urnengang am Dienstag (2.11.04) als Sieger hervorgeht.

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Im Irak sorgen sich die</br>Menschen um ihre ZukunftBild: AP

Auch wenn der künftige Mann im Weißen Haus weiter die Lebensumstände der Bevölkerung beeinflussen wird: Fast 60 Prozent der Iraker ist es egal, ob der amtierende Präsident George W. Bush oder sein demokratischer Herausforderer John Kerry gewinnt, wie kürzlich eine Umfrage des Irakischen Zentrums für Forschung und Strategische Studien ergab.

Die Haltung spiegelt sich auch im Alltag wider, die US-Wahlen sind als Thema uninteressant. In einem Bagdader Friseursalon sprechen die Kunden lieber über Spielshows im arabischen Satellitenfernsehen statt über den Präsidentschaftswahlkampf. Es mache doch ohnehin keinen Unterschied, ob Bush oder Kerry die Wahl gewinne, sagt der 50-jährige Ladeninhaber: "Es gibt einen großen Plan, mit dem der Mittlere Osten beherrscht werden soll. Heute der Irak, morgen Syrien und dann vielleicht der Iran."

"Sicherheitslage hat sich verschlechtert"

Vielen Irakern vor Ort geht es um ganz andere Dinge: Da zählt nicht die große Politik, sondern die eigenen Lebensumstände - vor allem die Sicherheitslage. In ihren Augen hat sie sich immer weiter verschlechtert, seit vor 19 Monaten die Saddam-Statue auf dem El-Fardus-Platz gestürzt wurde. "Es war ein freier Fall in einen unendlichen Abgrund", sagt Maki el Hamdani, der im Friseursalon sitzt. "Amerika hat unser Land zum Gefechtsplatz für seinen Krieg gegen den Terror gemacht."

Sein Bekannter Dschaber Karim sieht das differenzierter: Die meisten Iraker seien dankbar dafür, dass die Amerikaner den Irak von Saddams Herrschaft befreit hätten. Viele hofften auf eine Verbesserung nach den im Januar anstehenden Wahlen und dem schrittweisen Rückzug der US-geführten multinationalen Truppen. "Aber wir werden nicht ewig warten", sagt der Eisverkäufer. "Wir sind ein revolutionäres Volk - auch Frauen und Kinder werden sich erheben."

Christliche Minderheit

Am anderen Ufer des Tigris, im Karrada-Viertel, steht Johnson Dancha in seinem gut gehenden Supermarkt und packt Lebensmittel ab. Er hat anderes zu tun, als sich den Kopf über die US-Wahl zu zerbrechen. Der 30-Jährige, der zu der kleinen Minderheit von Christen im Irak gehört, zieht ein knappes Fazit: "Für uns Christen ist es jetzt doppelt so schlimm wie vorher." Die rund 700.000 Christen machen nur etwa drei Prozent der von Moslems dominierten Bevölkerung aus. Erst vor zwei Wochen wurden in der irakischen Hauptstadt fünf Kirchen bei Anschlägen zum Teil schwer beschädigt.

Aber nicht alle Einwohner von Bagdad stehen dem Wahlausgang gleichgültig gegenüber. Die vier schiitischen Moslems auf dem Freiheitsplatz in Karrada zum Beispiel würden sich Amtsinhaber Bush als Sieger des Urnengangs wünschen. "Bush hat den Irak von Saddam befreit", sagt Busfahrer Mohammed Hadi. Diese Ansicht verwundert nicht: Schließlich wurde die schiitische Merheit im Irak jahrelang von der weltlich-sunnitisch ausgerichteten Herrschaft Saddam Husseins unterdrückt.

Ein paar Straßen weiter, im bürgerlichen Stadtteil Mansur, spricht sich der 22-jährige Student Ahmed Hassan für den demokratischen Herausforderer aus: "Kerrys Vorschläge scheinen mir vernünftig. Es sieht so aus, als habe er einen Plan zur Beendigung der Besatzung."