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Lob für Karlsruhe beim Betreuungsgeld

21. Juli 2015

Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Betreuungsgeld gekippt und das Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung wird weitgehend begrüßt. Doch Bayern und die CSU lassen nicht locker.

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Jessika Bresser schaukelt ihre kleine Tochter (Foto: DW/Y. Vishnevets)
Bild: DW/Y. Vishnevets

Der Richterspruch aus Karlsruhe ist klar und eindeutig: Das Bundesverfassungsgericht erklärt das 2013 beschlossene Betreuungsgeld für verfassungswidrig. Dem Bund fehle die Gesetzgebungskompetenz für die familienpolitische Leistung, heißt es in dem einstimmig gefassten Beschluss. Zuständig für ein Betreuungsgeld seien die Länder, nicht der Bund.

Nach Ansicht der Richter hat der Bund im Bereich der "öffentlichen Fürsorge" gegenüber den Ländern zwar eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit und darf daher Regelungen für Hilfen in Notlagen erlassen. Doch dies gilt nur, wenn damit bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden. Das Betreuungsgeld gleiche aber keine Missstände bei Kita-Angeboten aus, weil die Zahlung nicht davon abhänge, ob ein Betreuungsplatz vorhanden ist, sondern nur davon, dass Eltern ihn nicht in Anspruch nehmen. Die Richter trafen keine inhaltliche Entscheidung darüber, ob die auch als unzeitgemäße "Herdprämie" geschmähte Leistung gegen Grundrechte der Bürger verstößt, etwa gegen den Gleichheitssatz.

Sieg für Hamburg

Die Verfassungsrichter gaben damit der Normenkontrollklage Hamburgs gegen die Bundesregierung statt. Hamburg wurde bei der Einreichung der Klage von der SPD regiert. Das Betreuungsgeld war vor allem auf Drängen der CSU in Bayern eingeführt worden. Die SPD lehnte das Betreuungsgeld zunächst ab, trägt es in der großen Koalition aber mit.

Eltern, die ihr Kleinkind nicht in einer staatlich geförderten Kita oder Tagespflege betreuen lassen, erhalten derzeit monatlich 150 Euro. Der Anspruch gilt für Kinder zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat. Derzeit beziehen etwa 460.000 Eltern Betreuungsgeld. Für 2015 sind im Bundeshaushalt rund 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld eingeplant. Damit können Eltern ab sofort keine neuen Anträge auf Betreuungsgeld mehr stellen. Bereits bewilligte Zusagen könnten aber Bestandsschutz haben, weil der Karlsruher Senat keine Übergangsfrist für die Regelungen festsetzte und vielmehr auf allgemeine Vorschriften zum Vertrauensschutz verwies.

Schwesig ist zufrieden

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig begrüßte das Urteil. "Das Betreuungsgeld ist der falsche Weg und hat keine Zukunft", erklärte die SPD-Ministerin in Berlin. Sie plädierte dafür, die freiwerdenden Mittel für eine verbesserte Kinderbetreuung auszugeben. Den Familien, die bereits Betreuungsgeld erhalten, sicherte die Ministerin zu, sie werde nach einer Lösung suchen, dass sie es bis zum Ende bekämen. Die Regierungsfraktionen würden am 13. August über das Thema beraten.

Für das Land Hamburg erklärte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), die eingesparten Gelder sollten nun in den Ausbau der frühkindlichen Bildung gehen. Dies sei die richtige Unterstützung für einkommensschwache Familien. "Wenn Bayern jetzt aber ein Betreuungsgeld auf Länderebene aufbauen will, muss es das auch selbst bezahlen", sagte Scheele mit Blick auf Forderungen, Bundesmittel für das Betreuungsgeld an die Länder umzuleiten.

Bayern bliebt hartnäckig

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer twitterte nach der Urteilsverkündung, er werde "so schnell wie möglich" das Betreuungsgeld in Bayern einführen. "Dieses Betreuungsgeld wird es weiterhin geben", sagte der CSU-Vorsitzende bei der Kabinettsklausur in St. Quirin am Tegernsee.

Der familienpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Marcus Weinberg, bezeichnete das Urteil als herbe Enttäuschung für die Familien. Der CDU-Politiker betonte, es gelte nun, die "ideologischen Debatten" zur Familienförderung zu beenden und auf Länderebene Alternativen zum bundesweiten Betreuungsgeld zu schaffen. Bayern werde hier vorangehen.

Rechtsanspruch auf Kita-Platz in Kraft

Auch der Deutsche Familienverband bedauerte das Aus für das Betreuungsgeld und rief die Länder auf, den Wegfall mit eigenen Leistungen aufzufangen. Dagegen sagte DGB-Vorsitzende Elke Hannack, die Zahl der betreuten Kinder in Kitas steige ständig. Daher müsse das Geld dorthin fließen.

Veraltetes Familienbild?

Die Grünen forderten, dass die Bundesregierung jetzt unverzüglich das Urteil umsetzen und die frei werdenden Mittel in Höhe von rund einer Milliarde Euro in den Ausbau der Kindertagesstätten investieren solle. Die Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sagte, das Betreuungsgeld bleibe eine unsinnige und teure Maßnahme, die am Familienbild des letzten Jahrhunderts festhalte. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse der CSU endlich die rote Karte zeigen.

kle/rb (epd, kna, dpa, afp)