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Karlsruhe kippt Betreuungsgeld

21. Juli 2015

Das Betreuungsgeld muss abgeschafft werden. Der Bund war gar nicht zuständig, das Gesetz zu erlassen, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Die CSU will trotzdem an der umstrittenen Leistung festhalten.

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Bundesverfassungsgericht Gabriele Britz Ferdinand Kirchhof Reinhard Gaier Betreuungsgeld
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Als "Herdprämie" bezeichnen es die einen, als echte Wahlfreiheit die anderen. Unzulässig - so neutral dagegen klingt das Urteil, mit dem das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld gekippt hat. Für die Einführung eines solchen Gesetzes seien die Länder zuständig, nicht aber der Bund, so die Richter in Karlsruhe. Das Urteil fiel einstimmig.

Kein Ausgleich für fehlende Kita-Plätze

Zwar könne auch der Bund im Bereich der "öffentlichen Fürsorge" Gesetze erlassen, allerdings nur, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet herzustellen. Missstände bei Kita-Angeboten, die möglicherweise bestünden, würden aber durch eine Zahlung von Betreuungsgeld nicht ausgeglichen, so die Richter. Denn das Geld werde auch dann gezahlt, wenn es genügend Betreuungsplätze gebe.

"Das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung steht allen Eltern offen. Nehmen es Eltern nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig", hieß es in der Urteilsbegründung. Es gebe damit auch keine Pflicht, diesen Verzicht durch eine Prämie auszugleichen. Zu inhaltlichen Aspekten des Gesetzes äußerte sich das Gericht nicht.

Zahlungen an fast 500.000 Familien

Schon bei der mündlichen Verhandlung im April hatte das oberste deutsche Gericht massive Zweifel an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes geäußert. Gegen das Betreuungsgeld geklagt hatte die SPD-geführte Hamburger Landesregierung im Rahmen einer Normenkontrollklage.

Das Betreuungsgeld wird seit dem 1. August 2013 an Eltern gezahlt, die für ihre ein- und zweijährigen Kinder keine staatliche Kita-Betreuung in Anspruch nehmen sondern sie stattdessen zu Hause betreuen. Die Leistung wurde gemeinsam mit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz eingeführt. Seit vergangenem Jahr gibt es 150 Euro Betreuungsgeld im Monat. Derzeit beziehen es mehr als 455.000 Eltern. Hintergrund seiner Einführung waren auch Probleme, ausreichend Kitaplätze zur Verfügung zu stellen.

Kaum ein Vater beantragt Betreuungsgeld

Die SPD hatte das Betreuungsgeld 2012 als damalige Oppositionspartei im Bundestag abgelehnt. Auch jetzt will die Partei die umstrittenen Leistungen am liebsten ersatzlos streichen und das freiwerdende Geld lieber in den Kita-Ausbau stecken. Die CSU hat die SPD allerdings bereits aufgefordert, gemeinsam in der Koalition nach einer Alternative zu suchen. Notfalls setzt man auf einen anderen Weg und zwar als Landesbetreuungsgeld. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte bereits am Montag gesagt, man werde in Bayern einen Weg finden, die "Dinge richtig in die Zukunft zu führen: mit Betreuungsgeld".

Gestresste Mutter mit Kindern am Herd (Foto: Colourbox)
Fast nur Mütter beantragen das Betreuungsgeld - ein Argument für die GegnerBild: Colourbox/Kzenon

Gegner der Geldzahlung argumentieren, das Betreuungsgeld erschwere Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf und halte gerade Kinder mit besonderem Förderbedarf vom Kita-Besuch fern. In 94,6 Prozent der Familien beantragen die Mütter Betreuungsgeld. Nur 5,4 Prozent der Antragsteller sind Väter.

Viele Abrufe in Bayern und Baden-Württemberg

In den Jahren 2013 und 2014 wurde jeweils weniger Geld abgerufen als im Familienhaushalt eingeplant worden war. In diesem Jahr stehen 900 Millionen Euro zur Verfügung, zunächst war eine Milliarde eingeplant. Auffallend wenige Betreuungsgeld-Empfänger gibt es mit 1700 Familien in Sachsen-Anhalt, im Süden sind es mit 100.000 in Bayern und 89.000 Familien in Baden-Württemberg dagegen besonders viele. Auch Nordrhein-Westfalen (NRW) zahlt 106.000 Familien das Betreuungsgeld - NRW ist aber mit knapp 18 Millionen auch das mit Abstand bevölkerungsreichste Bundesland.

cw/stu (dpa, afp, kna)