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Terror vor der Wahl

9. Juli 2009

"Die Terrorgefahr ist akut", heißt es aus deutschen Sicherheitskreisen. Im Wahljahr ist die Anschlagsgefahr offenbar so groß wie noch nie. Sorge bereitet den Experten das Beispiel Madrid.

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Symboldbild Terrorismus: Mann steht mit Sturmmaske vor einem Feuerball (Foto: DW)
Haben Terroristen Deutschland im Visier?Bild: DW

Eigentlich klang alles wie immer: Deutschland sei seit langem im Fokus islamistischer Terroristen, die womöglich mit Anschlägen einen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan erreichen wollen. Erhöhte Aufmerksamkeit sei geboten, konkrete Anschlagsgefahren bestehen aber nicht. Erst vergangene Woche (02.07.2009) trafen sich die deutschen Sicherheitsexperten in Berlin, um über die Gefahrenlage zu beraten. Anschließend gab es Statements für die Öffentlichkeit - aber eben keine Neuigkeiten.

"Wie ein Kriegsminister?"

Plakat mit dem Abbild von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit der Unterschrift "Is watching" (Foto: AP)
Erntet viel Kritik für seinen Anti-Terrorkampf - Wolfgang SchäubleBild: AP

Die Situation ist schwer einzuschätzen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble warnt seit Jahren beinahe schon gebetsmühlenartig vor Terroranschlägen in Deutschland: "Wir reden von einer ernsten Bedrohung. Wir sind ein sicheres Land und unsere Sicherheitsbehörden haben jeden Anspruch auf Respekt und Unterstützung."

Viele Kritiker halten Schäubles Warnungen und seine Gesetzesvorschläge zur Terrorabwehr jedoch für übertrieben, für freiheitseinschränkend, für Panikmache. So zum Beispiel Grünen-Chefin Claudia Roth: "Ich erkenne bei unserem Innenminister verfassungsfeindliche Tendenzen. Ich empfinde ihn als einen Minister, der sich aufführt wie ein Kriegsminister."

Liegen die Kritiker falsch? Steht Deutschland drei Monate vor der Bundestagswahl wirklich im Fadenkreuz der El-Kaida-Terroristen?

Ein junger Mann steht mit Kopftuch bedeckt vor einer Kamera (Foto: picture-alliance)
Keine Seltenheit mehr: Ein Deutscher droht per Video mit TerroranschlägenBild: picture-alliance / dpa

Viele Sicherheitsexperten sagen, die Gefahr sei groß. Für diese These sprechen die sich häufenden Attentate auf deutsche Soldaten in Afghanistan und eine von Terrorismusexperten festgestellte verstärkte Reiselust junger Männer nach Pakistan - eines der Länder, in dem massiv Terroristen ausgebildet werden. Hinzu kommen immer häufiger Videos, in denen in deutscher Sprache Deutschland mit Anschlägen gedroht wird. "In deutscher Sprache und nicht mehr mit deutschen Untertiteln, das hat eine neue Qualität in der Konkretisierung auf Deutschland", findet Schäuble.

Per Anschlag die Wahl beeinflussen

Offenbar gibt es lose Hinweise, dass vor der Bundestagswahl Anschläge geplant sind. So wollen die Terroristen vermutlich wie am 7. Juli 2004 in Spanien in die Politik eingreifen und Bürger verunsichern, glauben Experten. Bei den Anschlägen auf vier Pendlerzüge in Madrid waren damals 191 Menschen getötet und mehr als 1800 verletzt worden. Die Wahlen kurz danach führten zu einem Regierungswechsel und dem Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak.

Maskierte Männer maschieren mit ihrem Gewehr (Foto: AP)
Terror-Ausbildungslager in PakistanBild: AP

Die Botschaft an Deutschland ist nun dieselbe: So lange deutsche Soldaten in Afghanistan sind, werden wir den Krieg zu euch nach Hause tragen. Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sieht Deutschland als das am stärksten bedrohte Land: "Man kann davon ausgehen, dass El Kaida, wenn sie die Möglichkeit hat, in den nächsten Monaten deutsche Ziele angreifen wird, um die Wahlen zu beeinflussen, um die Debatte über Afghanistan zu beeinflussen und damit möglicherweise einen Rückzug deutscher Truppen zu bewirken."

Die Situation ist offenbar ernst, aber sie bleibt undurchsichtig. Klar ist, dass die Sicherheitsbehörden genau verfolgen, was verdächtige Personen tun, mit wem sie sich treffen, wohin sie reisen. Und ebenso klar ist, dass die Fahnder oft mehr wissen, als sie sagen wollen und können. Konkrete Hinweise zu Terroranschlägen gibt es nicht - zumindest sind sie nicht bekannt. Das ZDF vermeldete allerdings unter Berufung auf Sicherheitskreise: Es gebe seit Mai eine Warnung vor einer Kommandoeinheit der El Kaida, die Anschläge in Westeuropa verüben wolle. Demnach sollen 15 Terroristen Pakistan bereits verlassen haben.

Autor: Benjamin Wüst

Redaktion: Hartmut Lüning