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Streit über Botschaftsbrand

Kersten Knipp15. September 2012

Im Sudan wird der Brand der deutschen Botschaft kontrovers diskutiert. Fest steht, dass die Bürger in jüngster Zeit nicht wegen religiöser Empfindlichkeiten auf die Straße gingen. Sie kämpfen mit ganz anderen Problemen.

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Feuer auf dem Gelände der deutschen Botschaft in Khartum.
Bild: AFP/Getty Images

Ein spontaner Ausdruck des Volkszorns schienen sie zu sein, die Angriffe auf die deutsche und die amerikanische Botschaft in Khartum. Dass die Gewalt aber geplant sein könnte, diese Anschuldigung erheben nun sudanesische Oppositionsgruppen. "Was in Khartum geschehen ist, ist das Ergebnis einer Politik der gezielten Missinformation, der Propaganda und der Aufstachelung zum Hass", erklärte die Oppositionsbewegung "Sudan Change Now" auf ihrer Facebook-Seite.

Vorwürfe gegen westliche Staaten

Die Gruppe bezichtigt zudem islamistische Gruppen sowie die von einem Onkel des Staatspräsidenten Al-Baschir herausgegebene Tageszeitung "Al-Intibaha", die Proteste angestiftet zu haben. Die Zeitung distanzierte sich in einem Kommentar zwar von den Angriffen auf die Botschaft, erhob aber auch schwere Vorwürfe - wenn auch nicht gegen die deutsche, so doch die amerikanische Regierung: "Wir sind die schamlose amerikanische Heuchelei leid, die beansprucht, die arabischen Revolutionen in ihrem Kampf um Würde, Menschenrechte und Demokratie zu unterstützen. Zugleich aber verschließt sie die Augen vor denen, die den Islam und die Muslime beleidigen. Doch nicht nur das: Sie beschützt diese sogar." Weiter forderte die Zeitung die Amerikaner und "ihren israelischen Verbündeten" auf, Beleidigungen des Islams sofort zu stoppen.

Demonstranten demontieren das Schild an der deutschen Botschaft in Khartum (Foto: ASHRAF SHAZLY/AFP/GettyImages)
Die Wut der StraßeBild: AFP/Getty Images

Der arabische Frühling im Sudan

Kommentare wie diese artikulieren einen Zorn ganz anderer Art als jener, der viele Sudanesen in den vergangenen anderthalb Jahren auf die Straße getrieben hatte. Im Zuge des arabischen Frühlings war es auch im Sudan zu Protesten gegen die Regierung und Staatspräsident Omar al-Baschir gekommen. Am 23. Januar 2011 hatte sich Al-Amin Moussa Al-Amin, ein junger Bauarbeiter aus Darfur, aus Protest gegen gestiegene Nahrungsmittelpreise selbst angezündet. In den folgenden Wochen kam es wiederholt zu Protesten gegen die Regierung, die gewaltsam aufgelöst wurden. Im Juni 2012 gingen zunächst Studenten auf die Straße, denen sich in den folgenden Wochen andere Bevölkerungsgruppen anschlossen. Die Proteste richteten sich gegen die von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen. Diese sahen unter anderem die Streichung von Subventionen für Treibstoff sowie Steuererhöhungen vor. Außerdem protestierten die Demonstranten gegen die gestiegenen Lebensmittelpreise und die hohe Inflation. Diese liegt derzeit bei knapp 40 Prozent. Im Laufe der Proteste wurden nach Angaben von Amnesty International rund 2000 Demonstranten verhaftet.

Die ökonomischen Probleme des Landes gehen auf die durch eine Volksabstimmung herbeigeführte Unabhängigkeit des Südsudans im Juli 2011 zurück. Dadurch verlor das Land drei Viertel seiner Erdölreserven. Der Streit zwischen den beiden Staaten um Transitgebühren hatte den Südsudan dazu veranlasst, kein Öl mehr zu fördern - so entgingen dem Sudan auch die erwarteten Einnahmen, die er dem südlichen Nachbarn für die Nutzung seiner Pipelines in Rechnung stellen wollte. Erst im August dieses Jahres einigten sich beide Staaten auf die Höhe der Abgaben.

Ein sudanesischer Ingenieur vor einer zerstörten Ölförderungsanlage im Ölfeld Heglig. (Foto: Reuters)
Die Kosten des Ölstreits: eine zerstörte Anlage im Ölfeld HegligBild: Reuters

Extremisten in Ost und West

In einer solchen Situation dürfte der Sturm auf die deutsche und amerikanische Botschaft zumindest eine zeitlang von den drängenden Problemen des Landes ablenken. Für den Umstand, dass sich religiös motivierter Unmut nicht nur im Sudan relativ leicht entzündet - oder entzünden lässt - machte die in London erscheinende panarabische Zeitung "Al Hayat" in einem Kommentar Extremisten und Populisten in Ost und West, Orient und Okzident, verantwortlich. Ausdrücklich verwahrt sie sich dagegen, die Verantwortung für die jüngsten Ausschreitungen ausschließlich im Westen zu suchen. Der europäischen Rechten stehe eine islamistische Rechte gegenüber. "Auch diese hasst Fremde und deren Religionen und Weltanschauungen. Sie hasst die Moderne, die Offenheit und die Toleranz, und zwar auch in ihrer eigenen Gesellschaft. Sie vertritt einen religiösen, ideologischen und ethnischen Fanatismus und neigt zur Gewalt", schrieb "Al Hayat".

Dieser Fanatismus hat sich nun auch in der islamischen Republik Sudan gezeigt. Dort, erklärt die Feministin Asha al-Karib im Interview mit der DW, herrsche eine sehr traditionelle Auffassung des Islam, die es ihr sehr schwer mache, säkulare Positionen zu erläutern. Sie spreche sehr häufig über die Gleichheit der Geschlechter, erklärt Al-Karib.

"Immer wieder wird mir die Frage gestellt, was die Religion dazu sagt: Unterstützt sie unser Anliegen oder nicht? Und wenn sie dann einen Koranvers zitieren, der meine Argumente stützt, findet sich immer jemand im Saal, der andere Verse zitiert, die mich nicht unterstützen", berichtet die Feministin. Es sei schwierig, jenseits religiöser Begriffe zu diskutieren, erklärt sie. Anders seien viele Frauen aber nicht zu erreichen. Auch beobachtet sie, dass die Religion gerne zur Abgrenzung gegen den Westen missbraucht werde. "Das ist eine recht einfache Lösung", sagt Asha al-Karib. "Man kann eine solche Haltung nicht einnehmen, indem man einfach sagt, wir verteidigen uns gegen die Hegemonie des Westens."

Die Zentralmoschee in der sudanesischen Hauptstadt Khartum (Foto: AP)
Herzstück des traditionellen Islam im Sudan: Zentralmoschee in KhartumBild: AP Photo