1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Strukturwandel für den internationalen Wettbewerb

Wiebke Bomas8. Oktober 2004

Seit das Ruhrgebiet nicht mehr weltweiter Lieferant für Steinkohle ist, gibt es viele Versuche, neue Perspektiven für diese Region zu schaffen. Auch die EU bietet Hilfe an, versteckt sie jedoch im Bürokratie-Dschungel.

https://p.dw.com/p/5fmK
Ruhrpott-Kohle ist nicht mehr gefragtBild: dpa

Die Renaissance der Steinkohlezeche, wie sie der Chef des Bergbaukonzerns RAG, Werner Müller, wünscht, bewegt in erster Linie die Herzen der Revierbewohner. Doch sein Vorschlag ist kaum geeignet, den Strukturwandel im Ruhrgebiet voranzutreiben. Auswege aus der 50 Jahre dauernden Krise im "Pott" sehen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler heute in der Förderung innovativer Technologien.

Auf die Beine helfen

Lang ist die Liste der Förderversuche für das Ruhrgebiet bereits, die nach dem Zechensterben und der schwächelnden Stahlindustrie neue Perspektiven schaffen sollten. Sie beginnt 1968 mit dem "Entwicklungsprogramm Ruhr", das sich auf den Ausbau von Infrastrukturen konzentrierte, und endet vorläufig mit dem "Ziel-2-Programm 2000-2006". Knapp zwei Milliarden Euro stellen die Europäische Union (EU) und das Land in diesem Zeitraum zur Verfügung, um strukturschwachen Räumen Nordrhein-Westfalens (NRW) auf die Beine zu helfen. Mit sechs "Exzellenzfeldern" will das Land seine Zukunft sichern. Mit dabei: Logistik, Life Sciences, Mikrosystem- und Energietechnik.

Hartmut Weigelt ist wissenschaftlicher Leiter beim Netzwerk Life Technologies Ruhr, das förderwürdige Projekte in Universitäten und Unternehmen identifiziert. Besonders für kleine Unternehmen sieht Weigelt Perspektiven der Förderung innovativer Technologien wie die Biomedizin: "Da gibt es zum Beispiel für einzelne Unternehmen wie hochqualifizierte Handwerksbetriebe den Einstieg in neue Produktionstechniken, in neue Produktfelder, die speziell mit der Biomedizin zu tun haben. Die 'Ziel-2-Förderung' hilft ganz spezifisch, wenn ein neues Projekt im Unternehmen gefördert werden soll, wenn also die Eigenentwicklung mit einem hohen technischen und wirtschaftlichen Risiko verbunden ist."

In der Falle

Doch die Unternehmen stehen keineswegs Schlange, um Projekte für die Förderung anzumelden. Grund seien weniger fehlende Ideen, so Weigelt, sondern die Bürokratie, die vor der Unterstützung eines Projektes steht. So könne es schon mal zwei Jahre vom Antrag bis zur Umsetzung dauern. Bedingung für die Förderung ist, dass der Eigenkapitalanteil etwa dem beantragten Förderumfang entsprechen muss.

"Da sind wir in einer Falle. Der Eigenkapitalanteil ist in Deutschland bei sieben Prozent, verglichen damit in Holland bei 35 Prozent. Das heißt, wir haben da ein strukturelles Problem", sagt Weigelt. NRW will helfen: Mit einem Bürgschaftsprogramm plant das Land, sich zu 80 Prozent für Bankkredite zu verbürgen. Auch stille Beteiligungen könnten helfen, die Eigenkapitalfalle abzupuffern. Die Zeit drängt für solche Finanzierungshilfen. Denn können die Mittel nicht abgerufen werden, fließen die 130 Millionen Euro im Fördertopf für neue Technologien 2006 an die EU zurück.

Doch die Förderung zeigt auch Wirkung, wie das Beispiel Bochum zeigt. 15 Neugründungen in der Biomedizin, die Stärke der Bochumer Region, brachten etwa 1000 neue Arbeitsplätze mit sich. Weitere 5000 sollen im Biomedizin-Park entstehen, dem jüngsten Förderprojekt der Stadt.

Ständiger Strukturwandel

Schafft die neue Förderpolitik also den Strukturwandel im Revier? Christoph Schmidt, Präsident der Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung, sieht den Strukturwandel als nie endenden Prozess: "Der Strukturwandel ist ja nicht etwas, was einmal geleistet werden muss und dann hat man wieder für mehrere Jahrzehnte Ruhe, sondern das Wirtschaftsleben insgesamt ist eine Frage des Strukturwandels. Man hat doch zu lange Zeit gedacht, 'wenn wir den Strukturwandel von der Montanindustrie zu einer moderneren Struktur gemeinsam schaffen, dann haben wir es gepackt'. Man sieht jetzt doch deutlich, so geht es nicht. Man muss immer mehr drauf packen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Daher ist dieser klare Fokus auf Bildungs- und Forschungsinhalte, auf neue Technologien, auf Wissenstransfer richtig und wird auch von allen Entscheidungsträgern mittlerweile so verfolgt."