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Verbrauchers Liebling angezählt?

Carla Bleiker16. Januar 2014

Die angesehenen Tester mussten eine Niederlage vor Gericht hinnehmen. Das ist in der 50-jährigen Unternehmensgeschichte eine Seltenheit. Bisher galt die Stiftung Warentest als zuverlässig - droht nun ein Image-Verlust?

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Ritter Sport Voll Nuss Streit mit Stiftung Warentest
Bild: picture-alliance/dpa

Das Probieren von Nussschokoladen hat bei der Stiftung Warentest einen bitteren Beigeschmack hinterlassen: Schokohersteller "Ritter Sport" erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Stiftung, die am Montag (13.01.) vom Landgericht München bestätigt wurde.

Stiftung Warentest darf jetzt nicht mehr behaupten, die Schokolade "Voll-Nuss" des Familienunternehmens enthalte künstliche Aromastoffe. Bei einem Test im November hatte das Ritter-Sport-Produkt die Note mangelhaft (Fünf) erhalten, weil die Schokolade laut Stiftung Warentest das künstliche Vanillearoma Piperonal enthielt. Die Deklaration, die Schokolade enthalte nur natürliche Aromastoffe, sei daher für den Verbraucher irreführend. "Ritter Sport" hält dagegen, dass sein Piperonal auf natürlichem Wege aus Pflanzen gewonnen wird - und hat erstmal Recht bekommen. Die Stiftung Warentest musste die Behauptung unter Androhung einer Geldstrafe von 250.000 Euro von ihrer Website entfernen, kündigte aber an, in Berufung zu gehen.

Vom Kinderwagen bis zur Lebensversicherung

Das Urteil ist eine Überraschung, weil die Verbraucherschutzfirma eine Institution in Deutschland ist, die bisher "noch nie Schadensersatz zahlen" musste, so eine Unternehmenssprecherin. Pro Jahr ziehe nur eine Minderheit von vier bis fünf Firmen vor Gericht, und das bei 2000 getesteten Produkten jährlich.

Seit einem halben Jahrhundert können deutsche Verbraucher auf Ergebnisse der Stiftung Warentest mit Sitz in Berlin zurückgreifen, wenn sie unsicher sind, für welche Waschmaschine, Stereoanlage oder Pauschalreise sie ihr Geld ausgeben sollen.

"Die Stiftung Warentest testet Produkte und Dienstleistungen quer durch den gesamten Verbraucheralltag", erklärt Gerlinde Waschke, Pressesprecherin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW), im DW-Interview. "Vom Handy übers Auto, Kindersitze, Zahnpasta, Digitalkameras bis hin zu Geldanlageprodukten und Krankenkassen ist alles dabei."

Portait Gerlinde Waschke. (Foto: Pressebüro Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen)
Waschke: Stiftung Warentest ist seriös und objektivBild: Verbraucherzentrale NRW

Dabei geht es nicht nur darum, wie gut ein Produkt funktioniert oder wie teuer es ist. Die Stiftung Warentest untersuche auch, wie ein Produkt hergestellt wurde oder wie umweltverträglich es ist, sagt Waschke. Außerdem macht die Verbraucherschutzorganisation ihre Methoden und Kriterien öffentlich. Im Internet ist nachzulesen, dass beim umstrittenen Nussschokolade-Test unter anderem die Deklaration der Inhaltsstoffe, die Verpackung und natürlich die "sensorische Beurteilung", also Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl, eine Rolle spielten.

Orientierungshilfe im Produkt-Dschungel

Die Stiftung finanziert sich durch die Anlage ihres Stiftungskapitals und bekommt Geld vom Verbraucherschutzministerium. Außerdem gibt sie zwei monatliche Zeitschriften mit aktuellen Testergebnissen heraus. "Ihre Tests bestimmt sie selbst und die Publikationen sind werbefrei", sagt Waschke. "Deshalb hat sie auch einen guten Ruf bei Konsumenten, die die Testergebnisse nutzen." Die Stiftung gelte als seriös, sachkundig und unabhängig, so die Sprecherin der Verbraucherzentrale NRW.

Auch Doreen Pick, Marketing-Professorin an der Freien Universität Berlin, sagt der DW, dass die Deutschen der Stiftung "eine ganze Menge Vertrauen" entgegenbringen und gerade vor größeren Anschaffungen, wie Waschmaschine oder Auto, die Testergebnisse vergleichen.

Doreen Pick
Pick: Die Stiftung wird nicht unter der Niederlage leidenBild: Privat

In den Verbraucherzentralen in NRW greifen Mitarbeiter selbst häufig auf Ergebnisse der Stiftung Warentest zurück, wenn es darum geht, Kunden zu beraten. "Die Aufgabe der Stiftung Warentest besteht darin, den Konsumenten eine Orientierung zu liefern im Dschungel von immer komplexer werdenden Produkten und Dienstleistungen", sagt Waschke.

Kein Image-Schaden durch Niederlage

Auch wenn "Ritter Sport" die erste Runde im Rechtsstreit gegen die hoch angesehene Stiftung gewonnen hat- die öffentliche Meinung über den Schoko-Hersteller musste leiden. Leser der Online-Angebote von Publikationen wie der "Süddeutschen Zeitung" oder der "Frankfurter Rundschau" äußern sich in Kommentaren unter Artikeln zum Thema hauptsächlich negativ. Ein Unternehmen müsse "mit Kritik anders umgehen, als die Krawallbrüder von diesem angeblich ach so netten kleinen Familienunternehmen", schreibt ein Leser. Ein anderer gibt an, es würde ihm nicht schwer fallen, die Schokolade ab jetzt zu boykottieren: "Das Zeug schmeckt sowieso nicht!"

Und wie sieht es mit den Testern aus, die zum ersten Mal seit langer Zeit in erster Instanz vor Gericht verloren haben? "Ich glaube nicht, dass die Stiftung Warentest eine signifikante Beschädigung ihrer Reputation zu befürchten hat", sagt Pick. "Dazu ist sie viel zu wichtig für den Verbraucher."