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Staats- und Regierungschefs unter Druck

Anke Hagedorn, z. Zt. Brüssel17. Juni 2004

Zwei Themen stehen beim EU-Gipfel in Brüssel im Vordergrund: die Einigung auf die künftige EU-Verfassung und die Wahl eines neuen Kommissionspräsidenten. Doch in beiden Fragen gibt es noch eine Reihe von Unstimmigkeiten.

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Gerhard Schröder gibt sich beim Gipfel-Start betont optimistischBild: AP

Nach der geringen Wahlbeteiligung bei den Europawahlen und dem guten Abschneiden von Europaskeptikern stehen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel unter Druck: Eine Einigung über die künftige EU-Verfassung wird von allen angestrebt, ein Scheitern wäre ein weiterer Rückschlag für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Und so zeigte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder kurz vor Beginn des Gipfels betont optimistisch.

"Wir haben eine gute Chance, fertig zu werden in diesen wichtigen anderthalb Tagen. Ich denke, wenn man sich die Beteiligung ansieht an den Wahlen zum europäischen Parlament, dann sind die ja nicht berauschend, übrigens einige Ergebnisse auch nicht, meins gehört dazu", so Schröder. Aber das bedeute, dass man zwei zentrale Entscheidungen treffen müsse. "Wenn sich alle anstrengen, geht das auch: Über die Verfassung und über das Personal."

Eingehende Beratungen im Vorfeld

Die irische Ratspräsidentschaft hatte nach eingehenden Beratungen mit den einzelnen Mitgliedsländern am Mittwochabend (16.6.) ein Kompromisspapier zu den strittigen Fragen vorgelegt. Zum einen geht es um den Stabilitätspakt: Angeführt von Deutschland lehnen mehrere Staaten die in der Verfassung geplante Aufwertung der EU-Kommission im Defizitverfahren ab. In ihrem Kompromissvorschlag kommt die irische Ratspräsidentschaft den deutschen Forderungen im Wesentlichen entgegen: Die EU-Finanzminister können demnach auch weiterhin Forderungen der Kommission mit einer qualifizierten Mehrheit ändern.

Der zweite Streitpunkt sind die Schwellenwerte bei den Abstimmungen im Ministerrat: Dass hier das Prinzip der doppelten Mehrheit eingeführt werden soll, darüber sind sich alle einig, nur über die genauen Prozentzahlen wird noch debattiert: Der Vorschlag des Konvents lautete: 50 Prozent der EU-Länder, die gleichzeitig 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Dagegen hatten vor allem die Polen opponiert: Nun will man sich auf eine Anhebung von 55 und 65 Prozent verständigen, was kleineren Ländern die Blockade unliebsamer Beschlüsse erleichtern würde.

Nach wie vor Diskussionen

Diskussionen gibt es auch nach wie vor über den Gottesbezug in der Präambel zur Verfassung, wie ihn Spanien, Portugal und Polen fordern. Doch dagegen wehrt sich vor allem Frankreich heftig.

Beim zweiten großen Thema, der Nominierung des neuen EU-Kommissionspräsidenten brodelt die Gerüchteküche weiter: Eigentlich wollten sich die Staats- und Regierungschefs am Abend einen Vorschlag machen, doch bislang ist kein Kandidat in Sicht, der sowohl die Zustimmung des Rates als auch des europäischen Parlaments, das die Wahl absegnen muss, finden würde. Denn der Einzige, den alle gutheißen würden, der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, hat den Wechsel nach Brüssel wiederholt abgelehnt.

Kandidatengerangel

Deutschland und Frankreich favorisieren den liberalen belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt. Doch dieser wird von der europäischen Volkspartei, die die Mehrheit im Parlament hat, abgelehnt. Und auch im Rat sinken die Chancen für Verhofstadt: Großbritannien hat sich gegen seinen Kandidatur ausgesprochen. Die EVP selber will den britischen EU-Außenkommissar Chris Patten als neuen Kommissionschef durchsetzen. Die konservativen Partei- und Regierungschefs einigten sich auf diesen Vorschlag am Donnerstag unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfels.

Frankreich ist gegen eine Kandidatur Patten, da sein Heimatland Großbritannien weder zur Eurozone gehört noch Mitglied des Schengener Abkommens ist. Noch ist also alles offen, es könnte gut sein, dass keiner der Kandidaten eine Mehrheit findet, dann müsste die Entscheidung über die Nachfolge Romano Prodis vertagt werden.