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Spione zapfen mehr Behördenrechner an

27. Dezember 2010

Die Spione werden noch dreister. Die Zahl der Angriffe auf Computer in deutschen Behörden hat sich von Januar bis September fast verdoppelt. Die Bundesregierung will nun Konsequenzen ziehen.

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Computernutzer in einem Internet-Café (Archivfoto: AP)
Bild: AP

Das Bundesinnenministerium sieht sich durch sprunghaft gestiegene Attacken auf Computer und Großrechner deutsche Behörden zum Handeln gezwungen. Zwischen Januar und September registrierte das Bundesamt für Verfassungsschutz 1600 Angriffe - die meisten davon aus der Volksrepublik China. Im gesamten Jahr 2009 waren es noch 900. "Es gibt eine deutliche Zunahme dieser sogenannten elektronischen Angriffe auf deutsche Regierungsnetze", sagte am Montag (27.12.2010) ein Sprecher des Innenministeriums.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln hat die Welle der Spionageaktionen bemerkt (Foto: dpa)
Das Bundesamt für Verfassungsschutz in KölnBild: picture-Alliance/dpa

Die Regierung macht nun mobil und plant für 2001, "ein sogenanntes Nationales Cyber-Abwehrzentrum zu schaffen". Der Ministeriumssprecher fügte hinzu, das Zentrum solle beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie angesiedelt werden und mit dem Verfassungsschutz, dem Auslandsgeheimdienst BND, der Katastrophenhilfe, anderen Behörden sowie der Wirtschaft und Internet-Anbietern kooperieren. "Es entsteht keine neue Behörde", versicherte der Sprecher. "Es geht darum, vorhandenes Know-how im Bereich der Cyber-Abwehr zu bündeln."

"Hohe Dunkelziffer"

Der Ministeriumssprecher bestätigte im Kern einen Bericht der Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Diese zitierte eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit der Aussage, die Angreifer versuchten an interne politische, militärische und wirtschaftliche Daten zu gelangen. Hinter den Angriffen steckten zum größten Teil staatliche Stellen in China. Das Amt beobachte die Entwicklung bereits seit 2005 und gehe von einer "hohen Dunkelziffer" aus.

Ein Fernglas zwischen den Lamellen einer Jalousie
Heutzutage spioniert man eher digital als analog wie mit diesem FernglasBild: Fotolia/Dron

Chinas Spionage-Attacken zur Ausspähung interner Daten erfolgen demnach per E-Mail. Werden Anhänge geöffnet, installiert sich das Spionageprogramm im deutschen Rechner und baut eine Verbindung nach China auf, um die abgefischten Daten zu übermitteln. Der jüngste Verfassungsschutzbericht räume indirekt Erfolge der Angreifer ein: "Der Gewinn für die chinesische Seite scheint zu überwiegen".

Auch der EU-Industriekommissar warnt

Die Meldungen über einen Zuwachs bei der elektronischen Spionage dürfte auch der EU-Industriekommissar Antonio Tajani kennen. Er schlug eine neue europäische Behörde vor, die den Verkauf von Schlüsseltechnologien ins Ausland kontrolliert. Damit solle sich Europa insbesondere gegen chinesische Firmen schützen, die gezielt Unternehmen in Europa übernehmen, um an moderne Technologie zu kommen, sagte Tajani dem "Handelsblatt" (Montag-Ausgabe). Vorbild für die Behörde ist das Committee of Foreign Investments (CFIUS) in den USA.

EU-Industriekommissar Antonio Tajani (Foto: dpa)
EU-Industriekommissar Antonio Tajani warnt vor den ChinesenBild: picture alliance / dpa

"Wir müssen unser Wissen schützen", sagte EU-Kommissar Tajani. Besonders bei Versuchen, Technologiefirmen zu übernehmen, müsse man misstrauisch sein. Der Italiener sieht hinter der gezielten Übernahme von High-Tech-Firmen durch China oder arabische Staatsfonds "eine politische Strategie, auf die Europa auch politisch antworten muss".

Vor allem China zeigt Interesse

Vor allem das Interesse Chinas an westlichen Schlüsseltechnologien sei alarmierend. Deshalb sei der Verkauf von europäischem Unternehmens-Know-how immer auch Sache der Politik, mahnte Tajani. China verfügt über Devisenreserven von umgerechnet fast 2,6 Billionen Euro.

Die ausländischen Direktinvestitionen der Chinesen sind in diesem Jahr um zwölf Prozent auf über 50 Milliarden Dollar gestiegen. Für das kommende Jahr erwarten Experten Investments von 98 Milliarden Dollar. Einen Großteil dieser Gelder wendet die Volksrepublik auf, um sich den Zugang zu wichtigen Rohstoffen etwa in Lateinamerika oder Afrika zu sichern. Doch auch westliche Unternehmen rücken zunehmend ins Visier der Chinesen.

Auch die NATO wappnet sich

Symbolbild - ein Mann droht mit einer Waffe auf einem Laptop-Monitor (Foto: DW)
Die Bedrohung aus dem Netz scheint zu wachsenBild: Bilderbox.com/DW-Montage

Das geplante Berliner Cyber-Abwehrzentrum soll im übrigen nicht nur Industriespionen das Handwerk erschweren, sondern auch die Gefahren durch einen "Cyber-Krieg" bannen, wobei Deutschland hier mit seinen NATO-Verbündeten gemeinsame Sache macht. In Berliner Verteidigungskreisen wurden Presseberichte bestätigt, wonach die Bundesregierung plane, mit dem Abwehrzentrum eine neue virtuelle "Verteidigungslinie" aufzubauen.

Die USA hatten im vergangenen Mai ein neues "Cyber-Command" gegründet, das für die "vierte Dimension der Kriegsführung" zuständig ist. Auch Großbritannien rüstet nach Darstellung seines Geheimdienstes MI 6 "zunehmend digital auf". Nach Angaben von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen soll sich das Atlantische Bündnis nicht nur gegen die bisher herkömmlichen militärischen Angriffe zu Boden, in der Luft und auf dem Wasser, sondern auch gegen Attacken über das Internet gemeinsam verteidigen.

Autor: Reinhard Kleber (rtr, dpa, afp, dapd)
Redaktion: Sabine Faber

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