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Ärztin auf den Philippinen

22. April 2010

Eigentlich ist Arlene Guce Kinderärztin in Manila. Da der Filipina ihr Gehalt jedoch nicht ausreicht, will sie in die USA auswandern. Als Krankenschwester bekommt sie dort das Vierfache ihres jetzigen Gehalts.

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Philippinische Frauen und Kinder warten in einer langen Schlange. (Foto: Martina Merten)
Krankenstation in einem Slum nahe der Stadt Cebu City auf den VisayasBild: DW

Eigentlich könnte Arlene Guce glücklich sein. Das Einkommen der Kinderärztin liegt mit rund 1000 Euro im Monat weit über dem eines Durchschnittsfilipinos. Sie betreibt zwei Praxen. Beide befinden sich in renommierten Privatkliniken. Die Hälfte ihrer Patienten ist privat versichert – daher muss Guce bei ihnen nicht wochenlang auf die Rückerstattung der Behandlungskosten warten.

Arlene Guce ist aber nicht zufrieden. Denn das Geld, das die 42-Jährige monatlich verdient, reiche nicht aus, um auf westlichem Standard zu leben, sagt sie bedrückt. Guce lebt noch immer bei ihren Eltern, ein eigenes Haus in einem der gehobenen Wohnviertel Manilas kann sie sich nicht leisten; ebensowenig ein Auto oder Urlaubsreisen. In den USA – dorthin, wo viele ihre Freunde gleich nach dem Studium gegangen sind, sei dies anders. Ein Arzt werde nach vielen Jahren der Aus-, Weiter- und Fortbildung angemessen bezahlt. Auf den Philippinen fängt ein Großteil der Mediziner für rund 200 Euro monatlich an zu arbeiten, das ist nicht erstaunlich in einem Land, in dem 30 Prozent der Bevölkerung von weniger als 1,50 Euro am Tag lebt.

Viele Jahre Ausbildung für wenig Gehalt

Junge Ärztin untersucht Kleinkind auf dem Schoß seiner Mutter. (Foto: Martina Merten)
Eine junge Ärztin aus Deutschland hilft in einer Krankenstationen ausBild: DW

Die Kinderärztin hat insgesamt 13 Jahre in ihre Aus- und Weiterbildung zur Ärztin investiert. Sie bestand sogar im Anschluss an ihr Studium das Mediziner Examen des US Medical Board. Schließlich, sagt Guce, habe sie schon damals gewusst, dass sie irgendwann aus Geldgründen ihr Land verlassen werde. Da Guces US-amerikanisches Examen allerdings vor einigen Jahren abgelaufen ist und sie die aufwendige Prüfung nicht wiederholen wollte, fasste die Filipina einen Entschluss: sie entschied sich für die Umschulung zur Krankenschwester. Die zweijährige Ausbildung kostete zwar noch einmal knapp 4000 Euro. Guce weiß aber, dass sie als Krankenschwester in den USA das Vierfache von ihrem jetzigen Gehalt bekommt. "Dann verdiene ich endlich das, was ich verdiene", sagt sie mit einem Anflug von Trotz in der Stimme.

Massive Abwanderung von Ärzten

Arlene Guce ist kein Einzelfall. Jedes Jahr verlassen nach Angaben von Dr. Anthony Calibo, Mitarbeiter im Gesundheitsministerium, rund 5000 Ärzte das Land, um als Krankenpflegekräfte im Westen ein neues Leben zu beginnen. Schon jetzt leidet der Inselstaat unter massivem Ärztemangel. Für die rund 90 Millionen Inselbewohner stehen nur noch 30.000 Mediziner zur Verfügung. Die meisten von ihnen arbeiten in und um Manila, da dort mehr Geld zu verdienen ist als auf dem Land. Auf dem Land, weiß Dr. Gene Nisperos, Vorsitzender der Ärzteorganisation HEAD (Health Alliance for Democracy), mussten bedingt durch die Abwanderung viele staatliche Krankenhäuser schließen. Viele Filipinos können sich die Reise in größere Städte mit besser ausgestatteten Krankenhäusern nicht leisten. Mehr noch: Da die Kinderrate auf den Philippinen zu den höchsten in ganz Asien zählt, werden in Zukunft noch mehr Ärzte gebraucht.

Hoffnungsschimmer Medizintourismus

Außenaufnahme vom Eingangsbereich des Makati Medical Center in Manila. (Foto: Peter Cons)
Das Makati Medical Center in Manila für vermögende PrivatpatientenBild: Peter Cons

Vor einigen Jahren, als das Land das Geschäft mit Medizintouristen aus fernen Ländern für sich entdeckte, dachten Regierung und Privatwirtschaft auch an die Ärzte. Sollte tatsächlich Geld mit chirurgisch-plastischen Operationen und Wellnessurlauben für Westler zu verdienen sein, dann sollte dieses Geld in die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der eigenen Bevölkerung investiert werden. Und, ergänzt Calibo, die Ärzte sollten durch Anhebung ihrer Gehälter ein Stück vom Kuchen abbekommen. Arlene Guce versprach das Gesundheitsministerium Ähnliches. Es ermutigte auswanderungswillige Ärzte auf einer Informationsveranstaltung, im Land zu bleiben. Schon bald würden sich neue Einnahmequellen auftun, hieß es. Guce glaubte von vornherein nicht daran. "Ich bin ja schließlich Kinderärztin und nicht ästhetisch-plastische Chirurgin."

Bis zum Juni möchte sie ihre Lizenz zur Krankenschwester in den USA erhalten. Das notwendige Examen kann sie online erwerben – für noch einmal 150 Euro. Dann, endlich, kann die Ärztin als Touristin in die USA einreisen. Die ersten Wochen möchte sie bei Verwandten verbringen und sich von dort aus bewerben. In wenigen Monaten könnte die Filipina also endlich dort angekommen sein, wo sie immer sein wollte.

Oder? Arlene Guce schaut noch immer ernsthaft, die Vorstellung von diesem neuen Leben scheint sie nicht glücklicher zu machen. Es seien ihre Eltern, gesteht sie nach einer langen Weile, die ihr Kopfschmerzen bereiteten. Beide seien nicht mehr die Jüngsten. Guces einziger Bruder ist bereits nach Großbritannien ausgewandert. Denn auch er hatte einen Traum: den von mehr Geld in einem westlichen Land.

Autorin: Martina Merten

Redaktion: Thomas Latschan / Marco Müller