1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schleppende Wahl

Bernd Riegert, Brüssel13. Juni 2004

Eine Abrechnung mit der Politik der nationalen Regierungen haben sich die meisten Wähler vorgenommen. Das legen europaweite Meinungsumfragen nahe.

https://p.dw.com/p/5ANf
Auch die neuen Mitglieder werden wohl eine geringe Wahlbeteiligug aufweisenBild: AP

Besonders die Regierungen in Italien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Polen dürften wegen des Irak-Krieges oder tiefgreifender Sozialreformen deutliche Denkzettel bekommen. Die konservativ-bürgerlichen Parteien werden vermutlich auch im sechsten direkt gewählten europäischen Parlament die größte Gruppe bilden, gefolgt von den Sozialdemokraten.

Zum ersten Mal sind auch die Bürger in den zehn neuen EU-Staaten von Estland bis Zypern zur Wahl aufgerufen. Doch das Interesse am weithin unbekannten Parlament ist gering. In Tschechien etwa wollen nur 20 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gehen. Aber auch bei den Altmitgliedern ist Wahlmüdigkeit verbreitet, außer in den vier Ländern, Belgien Luxemburg, Italien, Griechenland, wo Wahlpflicht herrscht. In Deutschland wird die Wahlbeteiligung wohl um die 45 Prozent liegen. Sie hat seit den ersten Wahlen 1979 stetig abgenommen.

Europa ist nach Indien zweitgrößte Demokratie

Mit 345 Millionen Wahlberechtigten ist die Wahl zum europäischen Parlament nach der Wahl des Parlaments in Indien die zweitgrößte demokratische Abstimmung der Erde, aber es gibt weder ein einheitliches Wahlrecht noch einheitliche europäische Parteilisten. Die meisten Staaten haben eine Hürde für die Parteien eingebaut, die für den Einzug ins Parlament übersprungen werden muss. Sie liegt zwischen drei und fünf Prozent. Mehrere tausend Kandidaten bewerben sich um die 732 Mandate.

Bislang waren im Europaparlament über 180 nationale Parteien vertreten. Viele exotische Kandidaten treten an, darunter eine Porno-Queen aus Tschechien, ein polnischer Kosmonaut und ein Supermodell aus Estland. Gute Chancen auf Sitze im Parlament rechnet sich die Unabhängigkeitspartei aus Großbritannien aus, die die Europäische Union auflösen möchte.

Kompliziertes Verteilsystem

Die Sitze werden zum ersten Mal nach einem komplizierten System auf alle 25 Staaten verteilt. Deutschland behält als bevölkerungsreichstes Land die meisten, nämlich 99 Sitze, die kleine Insel Malta erhält 5 Sitze. Abgeben müssen Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien, die bislang 87 bzw. 64 Sitze hatten und in der nächsten Legislaturperiode auf 78 bzw. 54 schrumpfen.

Die Niederlande und Großbritannien haben bereits am Donnerstag (10.6.) gewählt, Irland am Freitag, Malta und Lettland am Samstag. Auch wenn regelmäßig dagegen verstoßen wird: Ergebnisse dürfen nach europäischem Recht eigentlich erst am Sonntag bekannt gegeben werden. Denn für die meisten Staaten ist der Sonntag der Wahltag. Die letzten Wahllokale schließen am Sonntag (13.6.) um 22 Uhr MESZ. Erste Prognosen über die Sitzverteilung im neuen Parlament erwartet man in Brüssel gegen 22.45 Uhr.