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Saddams prominente Verteidiger

Oliver Samson8. Juli 2004

Kaum ist die vorläufige Anklage gegen Saddam Hussein verlesen, gewinnt die Verteidigung an Profil - unter anderem mit der Tochter Gaddafis.

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Ein Diktator vor dem UntersuchungsrichterBild: dpa

Wenn es nach dem Wunsch der irakischen Übergangsregierung und der Amerikaner geht, soll der Prozess gegen Saddam Hussein einen Schlussstrich unter die 35-jährige Herrschaft des Diktators und seiner Baath-Partei setzen. Doch ein streng rechtsstaatliches Verfahren mit Anklage wegen Kriegsverbrechen, Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie es von der irakischen Übergangsregierung versprochen und von Menschenrechtsorganisationen immer wieder gefordert wird, scheint nach der Meinung der Verteidigung hoch fraglich - wenn sie noch nicht mal Zugang zu den Unterlagen und zu ihrem Mandanten bekommt.

Verteidiger von Saddam Hussein: Dominique Grisay, Mohammed al Rashdan und Mohammed al Armoty
Verteidiger von Saddam Hussein: Dominique Grisay (Belgien), Mohammed al Rashdan und Mohammed al Armoty (von links)Bild: AP

Sicher ist, dass es ein historischer Prozess zu werden verspricht. Noch nie wurde einem arabischen Staatschef wegen Verbrechen gegenüber dem eigenen Volk der Prozess gemacht. Die Beweislast gegenüber dem Ex-Diktator scheint erdrückend - doch umso fragwürdiger wirken die völkerrechtliche Grundlage und die formalrechtliche Abwicklung des Verfahrens. Hierin sehen die Verteidiger ihre Chance - wenn sie denn seine Verteidiger sein dürfen.

Staranwalt für den "arabischen Bismark"

Saddams Frau Sadschida und ihre zwei Töchter hatten schon bald nach der Festnahme des Diktators ein mehr als zwanzigköpfiges Konsortium von Juristen aus Europa, den USA und der arabischen Welt mit der Verteidigung beauftragt. Ihr Sprecher ist der Jordanier Muhammad Najib ar-Raschdan, der versucht, die Verteidigung von Amman aus zu koordinieren. 1500 Juristen aus aller Welt sollen laut Raschdan bisher ihre Hilfe angeboten haben. Darunter durchaus schillernde Figuren: Etwa der französische Staranwalt Jacques Vergès - seit 40 Jahren ein Spezialist für "aussichtlose" Prozesse gegen politische Schwerverbrecher.

Vergés vertrat schon den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, den Top-Terroristen Carlos, allerlei moslemische Bombenleger, afrikanische Potentaten und den jugoslawischen Präsidenten Milosevic. Als seine Spezialität gilt die "défense de la ruptur" - eine Verteidigung, die versucht, den Angeklagten zum Unschuldigen und den Unschuldigen zum Angeklagten machen. Seit 1991 Saddam steht ein Mandant ganz oben auf der Wunschliste: Saddam Hussein. Für Vergés ist er der "arabische Bismarck, der für die Einheit Arabiens kämpfte".

Rechtsanwalt Jacques Verges
Jacques VergésBild: AP

Zu den Verteidigern gehört auch der ägyptische Anwalt Abdelhalim Mandur, der mehrere bekannte islamische Fundamentalisten zu seinen Mandanten zählt - etwa Scheich Omar Abderrahman. Der blinde ägyptische Scheich sitzt in den USA im Gefängnis, wo er wegen seiner Rolle beim ersten Bombenanschlag auf das World Trade Center 1993 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Die Tochter des anderen Diktators

Weniger juristische Erfahrung und diabolischen Charme hat Aischa Gaddafi, unter anderem an der Pariser Sorbonne ausgebildete Doktorin der Jurisprudenz, vor allem aber Tochter des libyschen Diktators Muammer Gaddafi, der sich auch einst als der große Einiger Arabiens sah. Die Endzwanzigerin mit dem Claudia-Schiffer-Look ist schon oft Botschafterin ihre Vaters gewesen - wie beispielsweise bei dem spektakulären Flug in Gaddafis Privat-Maschine nach Bagdad, mit dem sie im Oktober entgegen aller UN-Flugverbote gegen die Sanktionen gegen den Irak protestierte. Sie wird allein schon durch ihr Auftreten den Verteidigern Plus-Punkte geben.

Noch fehlt der Armada der Verteidiger aber das Wichtigste: Die Anerkennung durch das Sonder-Tribunal in Bagdad - und durch den Angeklagten selbst. Saddam bestritt bei der Aufsehen erregenden Vorstellung der vorläufigen Anklagepunkte am 1. Juli 2004 in Bagdad die völkerrechtliche Legitimität des Gerichtes und weigerte sich eine Erklärung zu unterschreiben, wonach er die Anklage gegen sich verstanden habe, seine Rechte kenne und juristischen Beistand wünsche.

Ohnehin illegal

Der Angeklagte und seine Verteidiger haben sich so bisher zwar weder gesehen noch gehört, doch sie verfolgen offensichtlich die gleiche, nahe liegende Strategie: Saddam könne in Bagdad keinen fairen, unabhängigen Prozess erwarten, zudem sei das Sondertribunal aufgrund des illegalen Angriffs auf den Irak ohnehin illegal

Skandalös findet Raschdan die beauftragten, aber noch nicht anerkannten Anwälte Husseins, dass es zu diesem Zeitpunkt überhaupt zu einer Verlesung der Anklagepunkte gekommen sei. "Die grundlegenden Prinzipien der Rechstaatlichkeit wurden missachtet", sagte Raschdan der Deutschen Welle. "Wir haben bis jetzt keinen Einblick in ein einziges Dokument erhalten und es wurde uns auch nicht gestattet, den Ex-Präsidenten zu sprechen."

24 Tonnen Papier

Doch der "monatelang" nicht gewehrte Zugang zum Vielleicht-Mandanten und den geschätzten 24 Tonnen Papier Beweismaterial sind laut Raschdan längst nicht das einzige Hindernis: Ihm sei mitgeteilt worden, dass laut Gesetz nur irakische Bürger als Verteidiger in Frage kämen - dieses Gesetz ist aber noch nirgends aufgetaucht. Zudem seien von irakischer Seite "viele" Todesdrohungen eingegangen - der irakische Justizminister Malek Dohan al Hassan habe in einem Telefonat damit gedroht haben, wenn einer der Anwälte nach Irak komme, werde er "nicht nur getötet, sondern in Stücke gerissen" und angeblich sollte eine Bombe in einer Pressekonferenz in Amman gezündet werden. Die Verteidiger haben deswegen auch prominente irakische Juristen verpflichtet, die aber noch nicht genannt werden - aus Sicherheitsgründen.